„Berlin ist och nur Brandenburg“

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Der aus Brandenburg stammende Musiker Sven van Thom hat ein neues Album veröffentlicht, auf dem er über „Liebe und Depression“ singt

Deine Image als Künstler würde ich mal so beschreiben: Witziger Typ, und seine Lieder sind auch immer sehr lustig. Teile deines Publikums könnten verunsichert sein, weil du jetzt „Liebe und Depression“ in ein Album packst. War dir immer lustig sein zu anstrengend?   

Es ist keineswegs so, dass ich immer nur lustige Lieder geschrieben habe. Ja, viele kenne mich von meiner Radiokolumme mit Gotti Gottschild bei Radioeins und wir sind mit unsere Show „Tiere streicheln Menschen“ auch auf Comedybühnen aufgetreten, aber das ist nicht mein Hauptmetier. Auch auf meinen Alben hatte sich Comedyeskes zwischen all meine melancholischen Songs eingeschummelt. Zuletzt hatte jedoch das Bedürfnis, mal wieder dahin zurückzugehen, wo ich herkomme. Angefangen habe ich ja mit der Schülerband Sofaplanet. Deren Songs waren auch sehr melancholisch, obwohl wir bekannt wurden durch das Lied „Liebficken“, das war mehr so ein Unfall. Jetzt wollte ich das Melancholische einfach mal konsequent durchziehen. Und ehrlich gesagt habe ich nicht erwartet, dass da so viel Zuspruch bekommt. 

Wie erklärst du dir das? Hast du womöglich ein Publikum unterschätzt?

Kann sein. Ein paar Fans hatten früher schon gesagt, am liebsten würden sie eigentlich meine melancholischen Songs hören. Vielleicht  ist das auch der aktuelle Zeitgeist. Wer weiß, wie es ohne Pandemie gelaufen wäre. Jetzt haben sich alle irgendwie mit dem Thema Depression  auseinandersetzen müssen: der eigenen oder im Bekanntenkreis. Möglich also, dass das Thema zur Pandemiezeit passt, obwohl meine Platte nichts mit der Pandemie zu tun hat, da alle Songs schon vorher entstanden sind. 

Dein Song „Danke gut“ fällt nicht nur textlich auf, weil du darin depressive Gefühle zum Ausdruck bringst, er beinhaltet auch eine musikalische Reminiszenz an die frühen Pink Floyd.

Ich war immer ein riesiger Floyd-Fan. Vor paar Jahren hatte ich mal überlegt, eine Platte nur mit Floyd-Hommage-Songs zu machen, also ständige Zitate. Aber dann ist mir Roger Waters mit seinem Soloalbum zuvor gekommen, auf dem er sich quasi komplett selbst beklaut. „Danke gut“ ist eine bewusste Hommage an Pink Floyd, was vom Hörer hoffentlich auch so verstanden wird und nicht als dreistes Klauen. 

Du bist lange im Musikgeschäft. Einige dürften sich noch an deine Auftritte bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest erinnern. 2007 und 2009 hast du dort das Bundesland Brandenburg vertreten, einmal mit deiner Band Beatplanet, einmal als Sven van Thom. Wie schaust im Rückblick auf diese Shows?

Ich stehe der Kombination Musik und Wettbewerb prinzipiell kritisch gegenüber. Andererseits muss man sagen, dass der Contest zu einer Zeit stattfand, als Livemusik im deutschen Fernsehen schon keine große Rolle mehr spielte. Woran sich bis heute nichts geändert hat. Schlager und Volksmusik finden statt, aber deutschsprachige Popmusik, außer bei 3Sat oder Spartensendern? Dass es so ein Format damals auf Pro7 in der Prime time gab, bei dem noch dazu relativ unbekannte Bands auftraten, fand ich eine gute Sache und dafür habe ich auch bestimmte Aspekte ignoriert. Wenn es den Contest heute noch gäbe, würde ich ebenfalls mitmachen. 

Dann aber für Hessen antreten?

Das könnte ich theoretisch, weil ich jetzt in Hessen lebe, wegen der Liebe. Ich bin aber immer noch in Berlin gemeldet, habe meine Wohnung dort.

Wie blickst du von Hessen aus auf deine Heimat Brandenburg beziehungsweise Berlin?

Ach, Berlin ist och nur Brandenburg. Ich bin ja seit einem Vater und wir hatten so den Plan, mit dem Kind Zeit in Hessen und in Berlin zu verbringen. Aber es gab jetzt gar keinen Grund, hin und her zu reisen. Alle Auftritte sind abgesagt, man kann niemanden groß treffen. Ich bin sogar ganz froh, in Pandemiezeiten nicht in Berlin zu leben, im ländlichen Raum ist es momentan viel angenehmer. Das trifft auf Hessen zu, aber in Brandenburg eigentlich genauso.

Der Reinländer Rainald Grebe wurde berühmt mit seiner Brandenburg-Hymne geschrieben. Hättest du Bock, eine eigene Hessen-Hymne zu schreiben?

Ein Hessen-Lied war natürlich die erste Aufgabe, die ich anging, als ich hier her in den Taunus gezogen bin. Mein Nachbar, der schon 86 ist, hatte mir ein Video vorgespielt, in dem er zu Blasmusik den schönen Taunus besingen. Das war Volksmusik im besten und schlechtesten Sinne zugleich. Davon inspiriert habe ich für mein zweites Kinderlieder-Album ein Lied „Ferien im Taunus“ geschrieben. Eigentlich geht es nur um Langeweile und Klischees. Alles was nicht in Großstädten stattfindet, wird ja von Großstädtern immer gern mit Unverständnis überzogen: Was machen die hier eigentlich, außer Apfelwein trinken?

Du machst ein Menge, auch ohne momentane Auftritte. Zum Beispiel bietest du deinen Fans über die Crowdfundingplattform Patreon den Erwerb von exklusivem Material an, unter anderem Perlen aus deinem eigenen Musikarchivperlen. Was bringt dir das?

Es bringt mir ein bisschen Geld und auch Freude über den Zuspruch für meine musikalischen Inhalte. Es macht echt Spaß, auf diese Art ein direktes Feedback zu erhalten hat, es geht ja da einzig um meine Musik. Inzwischen gibt es eine kleine Fangemeinde, die sich freut über meine schrägen Sachen, die ich so poste. Das ist Zeug, das ich nie veröffentlicht habe und vielleicht auch in Zukunft nie offiziell veröffentlichen werde.

Du bietest den „Kleinsponsoren“ die Chance, Roh-Mixe neuer Lieder zu hören oder sich auch Mitsingmöglichkeiten bei deinen Konzerten zu erkaufen.

Das Mitsingen haben bisher zwei Leute gebucht und soll stattfinden, sobald wieder Konzerte erlaubt sind. Eigentlich war die Idee, gemeinsame Duette auf der Bühne zu singen, aber es kann auch so sein, dass sie sich ein Lied von mir aussuchen, das sie singen und begleite sie dazu auf der Gitarre.

Interview: Thomas Lietz

CD: „Liebe und Depression“

 

 

 

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