Bildlein, Bildlein, du musst wandern

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Branitz 1945. Das fürstliche Erbe in der Stunde Null

Anzeige | Sie störten sich an den „Miniaturausmaßen“ und dem Preis. Bildmäßig böte es auch nicht viel, schätzten die Stadtoberen in Cottbus Qualität und Wert des Ölbildes „Campagnalandschaft“ des Malers Carl Blechen ein, das 1942 im Auktionshaus Hans W. Lange in Berlin zur Auktion stand, und kauften das Bild damals nicht.

Die nicht einmal schulheftgroße Ölskizze entstand um 1830 auf Blechens Italienreise.

Nach Italien zog es ihn wie viele andere Künstler seiner Zeit. Mit Staffelei auf der Schulter, Farbenkasten und Leinwand unter dem Arm wanderte er mit seinen Malerkollegen durch Rom und in die nähere Region. Die „Campagna“, das römische Umland zwischen dem Tyrrhenischen Meer und dem Apennin, war innerhalb der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts sehr beliebt. Die unbegrenzte räumliche Weite und eine gewaltige Natur mit wechselhaften Wetterphänomenen kamen den Idealen romantischer Naturbetrachtung entgegen.

 „Campagnalandschaft“ gehört ebenso wie die Ölskizze „Aus dem Apennin“, die als Kriegsverlust im März 2020 nach Cottbus zurückkehrte, zu den in freier Natur auf kleine Holztafeln skizzierten Motiven. Dieses von den Cottbusern anfangs geschmähte Bild wurde schließlich von der NS-Reichskanzlei im Auftrag des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda und Präsident der Reichskulturkammer Joseph Goebbels ersteigert. Und gelangte im selben Jahr dennoch nach Cottbus: Als Leihgabe für die Ausstellung „Carl Blechen und weitere deutsche Meister des 19. Jahrhunderts“. Wer das seinerzeit vermittelte und vor welchem Hintergrund, das gilt es noch zu erforschen. Ebenso die Wege dieses Bildes nach dem Verschwinden aus dem Cottbuser Depot, wo es vor drohender Kriegszerstörung ab 1943 eingelagert war.

Die Ölskizze stammte aus dem Privatbesitz Blechens, der 1840 verstarb. Bis 1873 befand sie sich in der Sammlung des Philosophen und Kunsthistorikers Heinrich Gustav Hotho, dessen Nachlass 1874 im Auktionshaus Rudolph Lepke versteigert wurde. Offenbar unverkauft gelangte das Bild 1940 zum Berliner Kunsthändler Hans Carl Krüger, seit 1910 für das Auktionshaus Lepke tätig, ab 1935 dessen alleiniger Inhaber und als solcher ab 1936 an »Verwertung« jüdischen Besitzes beteiligt. Krüger verkaufte die Studie 1940 an den Industriellen Alexander Prentzel, von dem sie im Mai 1942 zur Versteigerung ins Auktionshaus Lange ging, das einen großen Teil seines Umsatzes aus Zwangsverkäufen jüdischen Besitzes generierte.

Comeback: „Campagnalandschaft“ (1829) von Carl Blechen zurück in Cottbus. Foto: SFPM

Zwischen 1933 und 1945 erwarb auch die Stadt Cottbus etwa ein Viertel ihrer Carl-Blechen-Sammlung: Insgesamt 45 Ankäufe. Im Bewusstsein dieser Sammlungsgeschichte und ihrer Verantwortung bei der Aufklärung der Vergangenheit startete die Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz bereits 2008 eine umfassende Provenienzrecherche. Ein Werk wurde aus NS-verfolgungsbedingtem Entzug ausgemacht und zurückgegeben. Weitere Anhaltspunkte für unrechtmäßige Erwerbungen in der Cottbuser Carl-Blechen-Sammlung haben sich bisher nicht ergeben.

Zur Rückgabe der nach Cottbus verliehenen „Campagnalandschaft“ an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda kam es nicht mehr, weil das Bild 1943 mit der Cottbuser Carl-Blechen-Sammlung in das Gutshaus in Klein-Döbbern ausgelagert wurde.  Das Gutshaus wurde 1945 von Bomben beschädigt, aus dem der damalige Stadtarchivar Robert Kalwa im Mai 1945 die erhaltenen Gemälde zurück nach Cottbus brachte. Nicht dabei war die „Campagnalandschaft“.  Sie galt seit 1945 verschollen.

1982 taucht das Bild im Katalog zur Ausstellung „Berliner Kunst von 1770 – 1930“ wieder auf, mit der Zugehörigkeit zur Studiensammlung des Bildhauers Waldemar Grzimek, der die „Campagnalandschaft“ seit 1964 besaß. Aus seinem Nachlass wurde sie später an die Berlinische Galerie verkauft, die sie nun termingerecht zur Eröffnung der Sonderausstellung „Branitz 1945“ als Leihgabe nach Branitz gab, wo sie als Dauerleihgabe bleiben und erforscht werden soll. So kehrt die „Campagnalandschaft“ nach Cottbus zurück, wo dieser anfangs verschmähte Schatz nun in der Blechengalerie im Besucherzentrum bewundert und gewürdigt werden kann. Übrig bleibt jetzt noch die detektivische Aufgabe, die verschlungenen Pfade des Bildes vor und nach 1945 aufzudecken.

SFPM                                                                                    

Branitz 1945. Das fürstliche Erbe in der Stunde Null“

Besucherzentrum, Marstall und Branitzer Park
8.Mai – 30. September 2020, täglich 11 -17 Uhr
Info: www.pueckler-museum.de

 

 

 

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