Gespräch mit Regisseur Boris Yukhananow zu „Catabas. Die Dämonen” in Cottbus
Regisseur Boris Yukhananow, ein avantgardistischer Theatermacher aus der russischen Hauptstadt, steht vor einer großen Premiere im Staatstheater Cottbus. Am 25. September geht – in Kopperation mit dem Lausitz Festival – „Catabasis. Die Dämonen” über die Bühne.
Ein sperriger Titel, gewiss, der aber alles umschließt, was der Regisseur vor hat. Während der Begriff „Catabasis” für Krankheitsrückbildung steht, bezieht sich „Die Dämonen” auf den Titel eines Romans von Fjodor Dostojewski, der vor 200 Jahren geboren wurde. Im Gespräch mit dem „Hermann” gibt Yukhananow einige Einblicke in das, was uns erwartet.
Wie entstand die Idee, „Die Dämonen” auf die Bühne zu bringen?
Für ihn sei, sagt Yokhananow, dieser Roman das Opus magnum, das wichtigstes Werk, des Dichters, mit dem er sich länger auseinandergesetzt hat. So habe er eine Sammlung von grafischen Blättern über „Höllenfahrten” gestaltet, die in die Bühnenfassung einfließen sollen.
Theater hat ja immer mit action, mit Handlung zu tun. Worum geht es in dem Stück? „Dostojewski gestaltet die Geschichte irgendeiner russischen Provinzstadt im 19. Jahrhundert, in der eine revolutionäre Zelle (eben die „Dämonen”) die Macht usurpiert hat … und schließlich wieder verliert. Ganz detailiert erzählt der Autor vom Alltag dieser Stadt. Darunter erlebt man wie ein literarisches Murren und Aufbäumen die Leiden der Menschen unter den Dämonen. Der zweite Teil behandelt die Austreibung der Dämonen.”
Das ist bei Dostojewski personenreich, szenenreich, gedankenreich erzählt. Meine DDR-Ausgabe des Romans (Aufbau Verlag 1985) füllt damit etwa 930 Seiten. Wie soll daraus ein Stück werden, das nur einen Theaterabend füllt?
„Ich will ja den Roman nicht 1 : 1 abbilden, wo es schon viele Theater- und Filmfassungen davon gibt. Es geht um eine komplexe dynamische Installation, die uns zeigt, wie die einzelnen Themen und Motive aus diesem Text in der heutigen Welt weiterexistieren. Dostojewski hat vor 150 Jahren nicht nur in die Tiefen der Menschenseele geschaut, sondern auch in die Tiefen und Untiefen der geschichtlichen Vorgänge. Alles, was er sah, hat auch stattgefunden. Wie kein anderer Autor hat Dostojewski die Hölle und Höllenfahren dargestellt. Es hat sich erwiesen, dass die anarchistischen und nihilistischen Aktivitäten umschlugen in den Terrorismus und Totalitarismus der heutigen Zeit. Aufstieg und Fall des Sowjetimperiums ist dafür ein hervorragender Beleg.”
Das wäre dann also ein historischer Stoff?
Das ist nur die eine Seite. Ich will nur einen Rückblick. Das liegt hinter uns, vor uns liegt Anderes. Wie sich die Dämonen, wo auch immer sie heute auftreten, austreiben lassen – das ist unser Standort. Aus dieser Distanz behandeln wir Dostojewskis Roman. Deshalb schlage ich vor, statt von einer Inszenierung von einem Spiel zu sprechen, von einem Spiel mit dem Roman, von einem Spiel mit dem Text. Mit den Spielregeln aus dem Jahr 2021 geht es an den Roman aus dem Jahr 1872.”
Da interessiert sich Yokhananow besonders für das Gottesthema…
„Die Welt von Dostojewski ist ohne Gott nicht denkbar. Gott ist der Dirigent. Spaßigerweise wird man das in unserem Spiel auch sehen. Heute meinen viele, Gott sei tot und merken nicht, dass längst ein neuer Gott Einzug hält. Ein menschengemachter Gott – die künstliche Intelligenz KI.”
Ob es in diesem Spiel einen Sieger gibt?
„Theater ist kein Sport. Es muss also keinen Sieger geben, weil kein Wettbewerb stattfindet, Theater lebt von der Fröhlichkeit der Seele. Es ist kein Theater des Kampfes, sonden des Spiels.”
Hat dieser neue Gott keine garstigen Seiten wie der in Dostojewskis Welt, der grimmig und grausam sein konnte?
„Dieser neue Gott hat seine Hohepriester in aller Welt. Sie bauen Programme, sie arbeiten an der künstlichen Intelligenz. Man spürt eine große Begeisterung in ihnen, die aus der Zukunft kommt und in ´die Zukunft weist. Gern öffne ich diesem Neuen den Bühnenraum, mache ihn zu unserem Co-Autor.”
Wie rollt das Spiel für den Zuschauer ab?
„Wir nutzen die Drehbühne als eine Art Karussell, auf dem Jason Sabrou und weitere Gäste Alltagsszenen tanzend gestalten. Da gibt es zu Beispiel einen Hundesalon, ein Sägewerk, ein Café, einen Operationssaal. Dahinter spielen Schauspieler Dialoge aus dem Roman. Auf einer weiteren Ebene stellt sich die KI dar, indem sie auf Dostojewskitexte reagiert. Dazu sind meine Grafiken zu sehen. Ich denke, es wird ein vergnüglicher Abend.”
Klaus Wilke
Info:
An zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden eröffnet das Staatstheater Ende August/Anfang September die Spielzeit 21./22. Kartenreservierungen können dafür bis zum 27. August unter der E-Mail service@staatstheater-cottbus.de oder dienstags bis freitags von 11 bis 15 Uhr telefonisch unter 0355/ 78 24 242 erfolgen. Der Kartenvorverkauf für die gesamte Spielzeit beginnt am 28. August um 11 Uhr im Besucherservice und online. Das Theater wartet an diesem Tag mit einem Rahmenprogramm auf.