Die Marienstraße 23 beschreitet neue Wege

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Weiße, kahle, leere Wände. Wände, an denen weder Bilder hängen noch irgendwelche anderen erkennbaren Kunstobjekte auszumachen sind. Nur ein paar vereinzelte Zettel, versehen mit spärlichen Notizen, säumen die Begrenzungen des Raumes. Bin ich hier richtig? Habe ich mich womöglich in der Adresse geirrt? Auf jeden Fall bin ich mir sicher, dass die alte Galerie sich einst in genau diesen Räumlichkeiten befunden hat. Wurde mit der Neu- bzw. Wiedereröffnung – ich bin mir nicht mehr sicher, welches der Worte in der Einladung stand – vielleicht auch die Lokalität gewechselt und ich habe etwas überlesen? Immerhin stehe ich hier nun aber inmitten einer Vielzahl von Menschen unterschiedlichen Alters und Schlages, von denen mir die eine oder der andere auch durchaus bekannt vorkommt. Auch gegrüßt wurde ich schon mehrfach. Hier wird lebhaft geplaudert, dort angeregt diskutiert, ja selbst an einem der für mich so wenig aussagekräftigen, um nicht zu sagen nichtssagenden kleinen Zettel scheint sich soeben eine leidenschaftliche Debatte zwischen drei älteren Diskutanten entzündet zu haben. Am Ende des Raumes entdecke ich nun ein Buffet mit allerlei Leckereien. Hinzu kommt der Wein, welcher mir beim Eintreten während der freundlichen Begrüßung eingeschenkt wurde und an welchem ich nun schon seit mehreren Minuten immer wieder nippe. Irgendwie scheint also doch alles darauf hinzudeuten, dass ich hier richtig bin. Und selbst wenn nicht, habe ich mich unbewusst längst entschieden, noch mindestens etwas mehr als ein kleines Weilchen diesen Ort nicht zu verlassen, da ich mich in der rustikalen Atmosphäre des alten Gemäuers gerade ziemlich wohl fühle. Ach, und da sehe ich dann auch Kathrin und gleich daneben Jörg und Susen. Also doch – richtiger Ort, zur richtigen Zeit. Noch ein paar Minütchen, wird mir geflüstert, dann geht‘s los. Und das tut es dann auch.

Kathrin Verzino, Jörg Sperling und Susen Volkmann übernehmen das Wort, erzählen frei nach Schnauze, alternierend und in erfrischend-heiterer Weise, wie man es von den Dreien gewohnt ist, von ihren vielfältigen Vorhaben. Da habe ich schon andere Eröffnungsreden miterlebt. Diese hier bereitet tatsächlich Spaß beim Zuhören. Und schon nach wenigen Sätzen wird mir auch klar, worin mein Denkfehler bestand. Es handelt sich hier und heute weder um die Vernissage einer Ausstellung noch um eine Wiedereröffnung der Marie Haus 23. Nur Eröffnung scheint jedoch ebenso das falsche Wort zu sein, da ja irgendwie doch Altes zumindest zum Teil fortgeführt wird. Ich krame unauffällig die Einladung heraus und stelle etwas peinlich berührt fest, dass dort keiner der genannten Begriffe vorkommt, geschweige denn irgendetwas dergleichen kommuniziert wird, was meine falschen Erwartungen gerechtfertigt hätte. Nun ja, dann höre ich jetzt eben umso aufmerksamer zu.

Grundtenor dieser Jahresauftaktveranstaltung ist, dass die Schließung der Galerie Haus 23 ein mehr als unbefriedigendes Gefühl und zudem eine merkliche Lücke im Cottbuser Kulturbetrieb hinterlassen habe, die man nun bestrebt sei wieder zu füllen. Allerdings – und das ist maßgeblich – wollen die drei nicht einfach weiter auf ausgetretenen Pfaden wandeln. Es geht darum, Neuland zu beschreiten, ohne aber den musealen Charakter des Projektes gänzlich aufzugeben. Die MA/RIE/MIX 23, so der neu erdachte Name, soll vor allem ein Ort der Begegnungen und der Bewegung werden. Ein Ort, an dem Kunst nicht einfach linear in eine Richtung passiert, von Künstlerinnen und Künstlern dargeboten und andererseits passiv aufgenommen, sondern ein reger Austausch stattfindet. Das schließt auch mit ein, dass es, was die verschiedenen Kunstrichtungen anbelangt, prinzipiell keine Einschränkungen gibt und die Räumlichkeiten genutzt werden dürfen, können und sollen, alles auf nur irgendwie erdenkliche Weise miteinander zu verknüpfen. Angefangen bei musikalischen Ereignissen wie Konzerten, literarischen Veranstaltungen wie Buchvorstellungen oder Lesungen, Theateraufführungen, Diskussionsrunden zu Kunst, Kultur und Politik, bis hin zu Workshops und Kunsttherapie. Nicht zu vergessen, dass die Kneipe Marie 23 stets in alle Veranstaltungen integriert werden kann.

Es geht also darum, festgefahrene Muster über den Haufen zu werfen und zu eng gefasste Vorstellungen von Kunst zu sprengen. Mit anderen Worten geht es darum, Leute wie mich, die hier mit ihren festgelegten Erwartungen erscheinen, von diesen zu entheben. Bloß gut, dass ich meine anfängliche Verwirrung vor niemandem hier laut geäußert habe…

Um es zusammenzufassen: Es sind also alle gefragt und aufgefordert, sich und die eigenen Ideen aktiv einzubringen. Falls nun der Einwand entstehen sollte, die Drei würden damit ja nur ganz geschickt die ganze Arbeit auf ihr Umfeld abwälzen, verknüpft mit dem Vorwurf, sich selbst keinerlei Gedanken gemacht zu haben, so sei dies sogleich entkräftet: Es stehen bereits verschiedene Ereignisse, über das ganze Jahr verteilt, fest auf dem Plan. Angefangen bei traditionellen Ausstellungen, die weiterhin stattfinden werden. So wird beispielsweise Dieter Zimmermann im Rahmen des diesjährigen Osteuropäischen Filmfestivals dieses mit einer Ausstellung thematisch begleiten. Weitere bereits feststehende Ausstellungen werden von Wolfgang Petrovsky und Lina Unger bestritten. Zum Welttag des Buches, am 23.4. wird es eine Buchvorstellung mit Nadja Nagel geben. Am Tag der Poesie, 21.3., wird es eine Lesung zu Kaffee und Kuchen sein und für den Tag der offenen Gesellschaft, am 20.6., ist eine Tafel im Biergarten geplant, bei der Nachbarn, Freunde und wer weiß schon wer ins Gespräch kommen können. Und dies sei nur ein kleiner Einblick, da weiteres schlicht die Zeichenzahl für diesen Artikel sprengen würde.

Bleibt nur zu sagen: Für einen Neuanfang besteht genügend Raum, Energie und Enthusiasmus. Wir dürfen also gespannt sein.

 

Info: Kunst- und Kulturförderverein

Cottbus e.V., Marienstraße 23, 03046 Cottbus
Galeriehaus23@arcor.de | www.galerie-haus23.de

 

Verfasser: Pinchas Flemming

 

 

 

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