Editorial Januar 2022

0

Neulich am Glühweinstand. Wir standen drei Meter auseinander, atmeten Aerosole in die kalte Abendluft, der Schnee rieselte leise und machte im Nu aus der dahingefledderten Natur mit ihren kahlen Bäumen und abgeschabten Gehwegen eine Zuckerlandschaft mit Jingle und Bells. Naja der DJ in der Quarkkeulchen-, Bratwurst- und Quarkapfeltinos-Bude spielte irgendwas mit „Extreme“ und „Atemlos durch die Nacht“ – die weihnachtlichen Gassenhauer schlechthin. Er stehe ja eigentlich auf Heavy Metal, sagte er auf Nachfrage, ob man den Sender wechseln könne, schließlich seien nur wir sieben Pappnasen von der „HERMANN-Redaktionsgruppe“ anwesend. Da könne er auch gerne mal „Smog on the Water“ einlegen. Das gehe nicht, sagte er, er vertreibe damit die anderen Gäste. Ich drehte mich um – immer noch nur wir. Was soll’s. Nach drei Glühwein hörste eh nur das, was du willst.

Wir unterhielten uns über das Wetter, die Kälte, die weiß dahinschmelzende Landschaft. Gerade sprachen wir über die dritte Jacke, die jeder Zweite in Anbetracht der zu erwartenden langen Stehzeit bei unserem Gruppentreffen angezogen hatte. Vier oder fünf Glühwein kann man natürlich auch schütten, man kann aber auch stehen, bis die Glühweinbude schließt und einem der Tisch unter dem letzten Becher entzogen wird. Irgendwo dazwischen zitterten wir uns atemlos durch die Nacht. Der Song lief inzwischen zum dritten Mal. Gibt ja jetzt auch nicht so viele Weihnachtslieder. Eben wollten wir tanzen, als in unserem Rücken ein junger Mann in weiß-roter Trainingsjacke und kurzen -hosen vorbeilief. „Das ist einer von Energie. Klar, die haben’s halt – Energie. Das muss auch gezeigt werden.“ Auf seinem Rücken stand dann aber irgendwas mit (…) MERZDORF. Unser Sportchef war leider nicht bei uns, hatte wegen der Kälte gekniffen, der hätte ihn sich mit Namen angesprochen und gewusst, auf welcher Position er spielt. Ich dagegen habe mir innerlich noch eine vierte Jacke angezogen. Mir wurde augenblicklich noch kälter. Ich bin ja auch eine Weile fast täglich viele Runden auf den Sportplätzen des damaligen Bezirkes Cottbus unterwegs gewesen. Niemals wäre einer aus unserer Trainingsgruppe – ein dreifaches Humppa! an das TZ Leichtathletik Fortschritt Forst Süd – auf die Idee gekommen, bei Minustemperaturen wadenunbedeckt draußen durch die Gegend zu rennen. Da geht so ziemlich alles kaputt: Sehnen, Muskeln, Blutgefäße. Irre. Meine Oma sagte immer: „Sind die Waden kalt, krichste Rückenschmerzen. Und alles andere auch.“ Tags darauf kommt mir einer mit Winterjacke, hochgeschlagenem Kragen und kurzen Hosen in der Stadt entgegen. Was ist nur los mit der Welt, denke ich noch so und fahre nach Hause, um mir eine zweite Jacke zu holen…

In diesem Sinne: Kommen sie gut rüber und ein schönes neues Jahr!

Teilen.

Hinterlasse eine Antwort