Editorial Juli 2020

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Längsstreifen am Empfangsgebäude des Cottbuser Bahnhofs hinterließen jüngst mächtige Spuren im Zeitungsdschungel, sie sollten ein verstecktes Zeichen auf den Klimawandel sein. Dabei war es nur eine Reminiszenz an das Aussehen des alten Bahnhofs, sagt einer der Künstler von Strauss und Hillegaart. Obwohl die Meldung nicht aus der Luft gegriffener zu sein schien, können solche Infos nicht oft genug medial auftauchen – einfach, um Cottbus mal aus einer anderen Perspektive zu zeigen. Wären die vermeldenden Kollegen auch nur ein paar Meter weitergegangen, hätten vielleicht sogar den neuen Bahnhofstunnel durchschritten, dann hätte es passieren können, dass sie die Landung von Außerirdischen zu vermelden gehabt hätten. Die hinterm und um den Großenhainer Bahnhof entstandenen Graffiti hätten keinen anderen Schluss zulassen können. Auf dem GHB-Gelände wird derzeit nicht nur gebaut, ausgestellt, gefeiert und nachgedacht, sondern entsteht auch gut sichtbare temporäre Kunst. An die alten Ziegelsteinmauern, Barackenwände und Werkzeugschuppen sprühen Cottbuser Künstler großflächige Bilder, was ihre Farbeimer hergeben. Die Schnecke an der Barackenwand, das nichtirdische Gesicht, die versteckten Schriftzüge oder das Auge an der Fabrikmauer zur alten Segeltuchfabrik sind einige sehenswerte Wandgestaltungen, die jüngst entstanden. Allerdings zeigen diese Graffiti auch das ganze Ausmaß des Zusammenhangs von Schönheit und Vergänglichkeit. Diese Gebäude werden nämlich demnächst abgerissen. Aber es zeigt uns auch etwas anderes, denn nichts ist sicherer als die Vergänglichkeit. Und ist nicht Sicherheit das, wonach gerade alle lechzen?

 

Heiko Portale

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