Editorial März 2021

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Ganz plötzlich ist in Cottbus etwas eingetreten, womit niemand gerechnet hat. Vor ein paar Jahren war man zutiefst überzeugt, dass die Einwohnerzahl schrumpfen wird. Irgendwo bei 80.000 sollte sich das einpendeln. Massiv wurden Wohnungen vom „Markt genommen“. Jeder weiß, das waren nicht die besten, eher Wohnsilos mit Häusern drumrum. Jetzt tritt also das Gegenteil von Schrumpfung ein: Die Einwohnerzahl wird wachsen. Es kommt durch die Unterstützung von Bund und Land im Rahmen der Strukturentwicklung eine Klientel in die Stadt, das gut verdienen wird und, wenn wir Glück haben, sein Geld auch hierlassen will. Rund 1.800 Arbeitsstellen sollen es allein durch das RAW werden. Dazu gesellen sich Fraunhofer Institut, Bundesbehörden, wie das KEI, und, wenn alles gut läuft, wird das CTK eine Uni-Klinik. Plötzlich sind die Wohnungen knapp, wie die Grundstücke, auf denen gebaut werden könnte, die Kindergartenplätze, die Schulen, die Infrastruktur. Allein, wenn man sich überlegt, was da jeden Tag zum Bahnhof fahren muss, ahnt man, dass die Straßen um den Viehmarkt und den Bahnhof voll sein werden. Das ist eine Aufgabe, die städteplanerisch angepackt werden müsste. Aber: Wie viele Baugebiete mit einem B-Plan (Bebauungsplan) gibt es in Cottbus derzeit? Die lassen sich an einer Hand ohne vier Finger abzählen. Ein guter B-Plan braucht, wenn alles (wirklich alles) klappt, zwei Jahre. Jeder, der schon mal bauen wollte, weiß, da geht immer was schief, also drei, wenn nicht vier Jahre, hat mir jemand erzählt, der sich damit auskennt. Drei bis vier Jahre, wenn wir morgen anfangen. Und dann steht noch kein Haus, ist noch keiner eingezogen. In den Dörfern um Cottbus gehen derzeit Grundstücke weg, die noch vor kurzem eher Nachwurfcharakter hatten. Da lassen wir also wieder die Leute, die Cottbus bereichern könnten, in den Landkreis um Cottbus ziehen. Die könnten, würden sie in der Stadt wohnen, tagsüber einkaufen oder abends ausgehen wollen. Die Stadt wäre voll, vielleicht auch die Konzerthäuser und Veranstaltungsstätten. Und wenn die Leute erst Besuch bekommen und sich dabei rumspricht, wie lebenswert unsere Stadt ist – was da für ein Potential dahintersteckt. „Denkt groß!“, möchte man den Verantwortlichen zurufen. Denkt nicht nur in Quartieren oder Lückenbebauung. Am Ende kommt vielleicht doch einer auf die Idee und baut im Stadtzentrum ein schickes neues Einkaufszentrum oder im schlechten Fall für Cottbus eine U-Bahn nach Forst, weil dort die halbe Innenstadt zur Wiese mutiert ist und auf den Wiederaufbau wartet.

Heiko Portale

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