Ein Dorf im Zeichen Pücklers

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2021 ist ein wichtiges Jahr für Groß Döbbern, ein sehr lebenswertes 500-Seelen-Dorf unweit der Spremberger Talsperre. Wichtig erstens, weil der Ort heuer sein 675-jähriges Jubiläum begeht – oder begehen möchte, soweit die Pandemie das zulässt. Zweitens war am 4. Februar der 150. Todestag des großen Gartenkünstlers Hermann von Pückler-Muskau – und wie wir erfahren werden, ist die Geschichte des Dorfes durchaus eng mit dem Wirken der Familie von Pückler verwoben. Darüber hinaus hat der Verein Altes Pfarrhaus Groß Döbbern im vergangenen September den Nachbarschaftspreis des Landes Brandenburg gewonnen. Damit ist es jetzt möglich, das denkmalgeschützte Pfarrhaus weiter zu restaurieren.

Die Anfänge des Ortes sind wenig poetisch. „Der Name Groß Döbbern bedeutet so viel wie ‚großes Sumpfloch‘ und früher muss es hier in der Tat ganz sumpfig gewesen sein.“, erzählt Steffi Dubrau vom Ortsbeirat. Dort, wo der heutige Dorfkern ist, könnte einmal eine Wasserburg gestanden haben, sicher belegt ist das allerdings nicht.

Im Spätmittelalter gelangte das Gut Groß Döbbern in die Hände eines Raubrittergeschlechts: Die Herren von Loeben verübten Raubzüge auf Kaufleute, die unterwegs zur Frankfurter Messe waren; sie überfielen auch kirchliche Würdenträger und beharkten sich sogar mit den Kurfürsten von Brandenburg. Ihre Nachkommen hingegen übernahmen wichtige Ämter in Preußen und Sachsen. Und der letzte Sproß des Geschlechts, der Fürstlich Sächsische Amtshauptmann Hans Christoph von Loeben, verkaufte 1698 Groß Döbbern an die Familie von Pückler, die das Gut (rund zwei Drittel der Dorffläche) bis zur Enteignung im Jahr 1945 besitzen würde. 

Im Alten Pfarrhaus

Das Alte Pfarrhaus

1785 ließ August Heinrich von Pückler ein Pfarrhaus und ein Schulgebäude errichten – im Geburtsjahr seines Enkels Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871), des genialen Parkschöpfers. Das Pfarrhaus ist ein zweigeschossiger Barockbau mit Krüppelwalmdach, Mittelrisalit (einer Art Vorbau), Schwarzer Küche und aus Feldstein gemauertem Souterrain.

Groß Döbbern und Branitz

Die Architektin Iryna Willeke untersuchte die Entstehungsgeschichte des Pfarrhauses in ihrer Masterarbeit – und entdeckte bemerkenswerte Parallelen zum Schloss Branitz, beispielsweise im ungewöhnlichen Aufbau des Kellergewölbes. Sie kam zu dem Schluss, dass beide Gebäude den gleichen Baumeister gehabt haben könnten.

Und es gibt noch einen weiteren Bezug zu Branitz: Als Hermann von Pückler-Muskau 1811 das Gut Groß Döbbern übernahm, legte er auf dem sogenannten Hasenberg einen Wald an. Später ließ er von dort hunderte Großbäume per Pflanzwagen nach Branitz bringen. Welche der Bäume das genau sind, lässt sich allerdings heute nicht mehr rekonstruieren.

Gibt es weitere Relikte der Familie von Pückler?

„Ja, in der Kirche ist noch das Originalwappen der Familie erhalten. Nicht mehr zu sehen ist hingegen der Patronatssitz. Doch auf dem Friedhof ist das Grab von Pücklers Gutsverwalter Spitzner.

Wir nehmen an, dass die Familie Pückler wahrscheinlich die Kirche in Groß Döbbern als Familienkirche nutzen wollte. Sie hatte nämlich keine eigene und musste zuvor immer nach Kahren fahren. Der Patronatssitz spricht für diese Annahme, ebenso wie das große Engagement von Pücklers Großvater, der das Gotteshaus aufwändig umbauen ließ.“

Welche Beziehung haben Pücklers Nachfahren zu Groß Döbbern?

„Der inzwischen verstorbene Sylvius Hermann von Pückler war ein Mitglied im Pfarrhaus-Verein. Zudem bat unser Ortsbeirat die Familie 2017 um die Erlaubnis, Groß Döbbern den Beinamen „Pücklerdorf“ zu geben. Die Familie war einverstanden und Maximilian Graf von Pückler antwortete, er fühle sich erfreut und geehrt durch diesen Antrag. Seither darf das Dorf auch das pücklersche Wappen nutzen.

Und in diesem Jahr wollen wir den Weg am Alten Pfarrhaus in „Pückler-Weg“ umbenennen. Falls eine Einweihungsfeier möglich sein sollte, würden wir gerne Maximilian mit einbeziehen.“

Was wurde aus dem Alten Pfarrhaus?

Das Alte Pfarrhaus 2019

Paradoxerweise hat nie ein Pfarrer dort gewohnt. Steffi Dubrau erzählt: „Nach dem Zweiten Weltkrieg haben hier Menschen gelebt, deren Haus im Krieg Schaden genommen hat. Einzelne Räume wurden zudem bis in die 1960er Jahre hinein als Klassenzimmer genutzt. Nicht wenige Dorfbewohner erinnern sich noch daran. Später stand das Pfarrhaus dann leer und war mehr und mehr dem Verfall preisgegeben.“ Nach der Wende, im Jahr 1995, wurde das Gebäude offiziell unter Denkmalschutz gestellt – und verfiel immer weiter. 

2005 gründeten Interessierte den Verein Altes Pfarrhaus Groß Döbbern.

Bei dessen ersten Sichtungstermin war das Gebäude in einem so desolaten Zustand, dass die Teilnehmer fürchten mussten, dass alles über ihren Köpfen zusammenbricht.  Dennoch waren die Vereinsmitglieder entschlossen, das bemerkenswerte Gebäude zu retten. Seitdem hat sich viel getan. Die alten Mauern wurde mit Ankern versehen, eine neue Feldsteinwand errichtet. Beide Kellergewölbe wurden saniert und die Decke bekam neue Balken.

Zudem hat der Verein rund um das Pfarrhaus ein attraktives Dorfzentrum geschaffen. Dazu gehören ein wunderbarer und stark genutzter Spielplatz mit Einsiedel-Charme, eine Festwiese, ein Pavillon mit Grillecke – und bald auch ein Boule-Feld. „Ich denke, es ist ein riesiger Vorteil für ein Dorf, so ein Zentrum zu haben. Hier kommen alle vorbei. Und sobald das wieder erlaubt ist, wollen wir hier die erste große Dorf-Boule-Meisterschaft veranstalten,“ meint Frau Dubrau. In normalen Jahren lädt der Verein zu vielfältigen Festen und Arbeitseinsätzen ein. Die Feste bringen auch dringend benötigtes Geld ein: „Auf dem Sommerfest zum Beispiel, verkauft der Verein Getränke. Die Erlöse sind immer die Basis für den nächsten Schritt. Viele Bürger unterstützen unsere Arbeit auch durch Spenden, das wissen wir sehr zu schätzen.“

Preisgekrönte Zusammenarbeit

„Die Arbeit des Fördervereins tut nicht nur dem Alten Pfarrhaus gut, sie stärkt auch unsere Gemeinschaft. Denn wenn man hier zusammenarbeitet, tauscht man sich über vieles aus, knüpft und pflegt Kontakte. Früher war es ja so, dass die Leute im Dorf aufeinander angewiesen waren. Heute ist das nicht mehr so selbstverständlich, jeder arbeitet an einem anderen Ort, da gibt es mitunter wenige Anknüpfungspunkte. Doch ein Projekt wie dieses bringt die Menschen wieder zusammen.“

Gerade diese verbindende, vernetzende Wirkung brachte dem Verein auch 2020 den Nachbarschaftspreis des Landes Brandenburg ein. Der kommt gerade recht, da im vergangenen Jahr so viele Veranstaltungen ausfallen mussten – und dadurch auch viele Einnahmen wegfielen. „Wir haben auch noch einen weiteren Preis gewonnen – beim Wettbewerb „Machen 2020“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Und auch die Sparkassenstiftung hat uns unterstützt. So haben wir einiges Geld für die nächsten Maßnahmen zusammenbekommen.“ Damit kann nun die Fassade des Alten Pfarrhauses repariert werden. Auch neue Fenster sind geplant – und natürlich da besagte Boule-Feld.

„Unsere große Herausforderung ist es nun, ein gutes Nutzungskonzept zu entwickeln. Denn es reicht ja nicht, dass das Haus schön wird: Wir wollen es wieder mit Leben füllen. Und dazu eignet es sich auch hervorragend.“

Vielfältige Möglichkeiten

„Das Haus soll ein Begegnungszentrum werden – für die Bevölkerung wie auch für Gäste. Man könnte sich hier zum großen Sonntagsfrühstück oder zum Familienpicknick treffen.  Darüber hinaus fände ich es gut, in einem der Räume ein Dienstleistungszimmer einzurichten – da könnten Ärztinnen, Physiotherapeuten und so weiter ihre Sprechstunden abhalten. Außerdem denkt der Verein darüber nach, in Teilen des Erdgeschosses eine rustikale Radlerrast zu machen.  Das bietet sich auch deshalb an, weil wir ja auf der Route des Europaradwegs liegen.

Frage: Haben Sie auch darüber nachgedacht, das Gebäude teilweise als Künstlerhaus zu nutzen, angelehnt an den „Eisenhammer“ in Schlepzig?  „Ja, das habe ich. Das Konzept begeistert mich sehr. Aber es ist natürlich wichtig, sich mit allen, die sich hier einsetzen, abzustimmen. Auf jeden Fall wollen wir hier ein kleines Museum einrichten.“

Jasper Backer

 

Zur Person:

Steffi Dubrau hat ihre ersten Lebensjahre in Groß Döbbern verbracht. Später zog sie mit ihren Eltern fort, doch 2016 kehrte sie mit ihrem Mann und ihren Kindern zurück ins Dorf, in das Haus ihrer Großeltern. Heute ist sie im Ortsbeirat – und ein sehr aktives Mitglied des Pfarrhaus-Vereins. „Mir war gleich klar Ich möchte mich hier engagieren. Ich finde das Alte Pfarrhaus sehr erhaben und spannend. Und ich habe das Glück, dass ich einen Job habe, in dem es auch um das Fördergeschehen geht. Daher weiß ich ganz gut, wie wann vorgeht, wenn man ein Projekt anstoßen will. Das ist auch meine Aufgabe im Förderverein: Ich kümmere mich darum, die Projekte ans Laufen zu bekommen. Das heißt, ich bringe die Projektideen ein, bespreche sie mit den anderen Mitgliedern, formuliere das Konzept und finde dann Wege, die Fördergelder zu gewinnen.“

Jasper Backer

 

 

 

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