Eine Konifere in Amerika namens Präsident

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Mein Bücherbord

Aufbau, 200 Seiten, 22 EUR

). Helga Schütz (*1937), schon seit DDR-Zeiten als eine sensible Romanschreiberin und Drehbuchautorin bekannt, bekennt sich in ihrem neuen Buch „Von Gartenzimmern und Zaubergärten” Sie ist einerseits die von ihren Romanen her bekannte nachdrückliche Erzählerin und andererseits vermittelt sie Fakten und Eindrücke von der Botanik in Zeiten und Räumen im Stile einer versierten Sachbuchautorin. Das ist eine wunderbare Melange, die den Atem der Natur erleben lässt und viel Wissen aus einer belebten, aber eigentlich viel zu wenig beachteten Mitwelt verbreitet.  Wer denkt schon daran, dass Pflanzen leben und Rechte wie andere Lebewesen beanspruchen? Die Autorin beeindruckt mit Fakten: Sie zeichnet zum Beispiel den Weg der Buche nach, die 15 Generationen brauchte, um aus dem Süden nach Berlin zu gelangen. Sie überrascht mit der Konifere als dem ältesten Lebewesen auf dem Planeten. Und deren älteste wiederum steht in Amerika und heißt ausgerechnet „Präsident”. Immer wieder in diesem Buch öffnen sich unsere Lippen: Aha!

Wallstein, 318 Seiten, 20 EUR

Er war schon immer ein erzählender Spaßvogel, dieser Thomas Brussig. Auf welch skurrile Art er Menschen, Gesellschaft und Welt deutete, regte immer zum Lachen und Nachdenken an. In seinem jetzt erschienenen Roman „Die Verwandelten” (Wallstein, 318 Seiten, 20 EUR), dessen Handlung er in eine nahe Zukunft legt, nimmt er jugendlichen Unfug aufs Korn. Zwei Teenager lassen sich mit ihren Fahrrädern in einer Autowaschanlage berieseln, abschäumen und trocknen: Als Waschbären verlassen sie diese. Was soll der Quatsch, mögen viele sagen, so geht auch ein Teil der Kritiker an das Buch heran. Doch Brussig entwickelt die Geschichte in gewohnter Weise vehement weiter und macht sich regelrecht lustig darüber, wie man in Deutschland mit ungewohnten Situationen umgeht. Medien, Anwälte, Polizisten, Eltern, Lehrer, Ärzte – alle stehen kopf. Im Grunde röntgt Brussig eine Gesellschaft und findet viele Krankheitssymptome.

Kiepenheuer & Witsch, 430 Seiten, 24 EUR

Mögen Sie Liebesromane? Oder historische Romane? Oder politische Romane? Egal, wenn Sie mindestens auf eine dieser drei Fragen mit Ja geantwortet haben, dann greifen Sie zu „Die unerlässliche Bedingung des Glücks” von Renate Feyl (Kiepenheuer & Witsch, 430 Seiten, 24 EUR). Im Mittelpunkt stehen der Arbeiterführer Ferdinand Lassalle (1825–1864) und die 20 Jahre ältere Gräfin Sophie von Hatzfeldt, die eine tiefempfundene Liebe verbindet. Nur: Sophie ist mit einem Stinkstiefel und „Goldbarren” (reichster Mann Preußens) verheiratet, der sie mit allen fiesen Tricks mobbt. Die Befreiung glückt, und die Gräfin wird zur Wegbegleiterin der Arbeiterbewegung und zugleich zur Wegbereiterin der Frauenrechte. Ein gut lesbarer Roman mit Anspruch.

Aufbau, 384 Seiten, 22 EUR

1930–1933” (Aufbau, 384 Seiten, 22 EUR)Als eine exzellente historische Reportage tritt uns das Buch „Fieber. Universum Berlin von Peter Walther entgegen. Der Autor hatte 2017 mit einer bestechend recherchierten und geschriebenen Fallada-Biografie aufgewartet. Nun lässt er die zum Teil dramatischen letzten Jahre der Weimarer Republik nacherleben. Den Porträts historischer Persönlichkeiten, mit vielen unbekannten Details, Fakten und Zusammenhängen gespickt, folgen zeitgenössische und gut nachempfundene Szenerien der politischen Ereignisse. Wer dieses Buch liest, gerät in einen spannenden Strudel sich überschlagender Auseinandersetzungen.

Klaus Wilke

 

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