Zwischen Grünebaum und Shakespeare

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Ballettkompanie freut sich auf (hoffentlich) baldiges Bühnen-Comeback

 Wer sagt’s denn? Es gibt doch noch Premieren im Theater. Am 11. März war wieder eine zu verzeichnen. „Elements” heißt sie. Das Besondere daran, jeder, der sie „verpasst” hat, kann das Erlebnis nachholen. Wie heute coronabedingt nicht anders möglich, läuft sie im Internet – auf dem Youtube-Kanals des Staatstheaters Cottbus.

Fotos: Marlies Kross

„Elements” ist eine richtig spannende Angelegenheit, bei der Tanz und moderne Videotechnik einander bild- und farbenprächtig ergänzen. Elevin Lolita Valau kann unter diesem Titel alle Elemente ihrer jungen Tanzkunst anwenden, zeigen, was sie schon „drauf” hat und dabei mit dramatischen Schritten, Drehungen und Posen das Geschehen auf unserem Planeten, in den vier Elementen, Wasser, Feuer, Luft und Erde, abbilden. „Ich fühle mich wohl in dieser Kompanie”, sagt die Tänzerin. „Sie ist wie ein kleines Zuhause.” Videokünstler Ron Petraß freut sich, dass er zu dieser von Lolita zusammen mit Denise Ruddock erarbeiteten Choreographie zahlreiche neue Einstellungen ausprobieren konnte. Ron, der mit seiner Arbeit schon den Schauspielinszenierungen von „Hamlet” und „Antifaust” seine markante Note hinzugefügt hatte, will kein „Kino” machen, sondern Theater ergänzen. Das ist ihm in „Elements” eindrucksvoll und aktuell gelungen. Die Kämpfe der Elemente in seinem Video sind wie ein Gleichnis auf die gegenwärtige Naturkatastrophe Corona.

Die Elevin Lolita Valau in „Elements“.
Fotos: Marlies Kross

Corona war ja auch Schuld daran, dass die Ballettkompanie ihre bisher größte Auszeichnung, den Max-Grünebaum-Preis 2020, nicht in einer würdigen Festveranstaltung, sondern nur im Probensaal bei der Arbeit entgegennehmen konnte. Das stimmt traurig. Ballettdirektor Dirk Neumann: „Danach war nichts mehr. Ein Monat Kurzarbeit und ab Mitte Januar Training in kleinen Gruppen. Aber das reicht nicht.” Des Tänzers und der Tänzerin Brot sind halt Proben und Vorstellungen.

Aber auch in dunklen Zeiten gibt es Hoffnungsschimmer. Immerhin sind die Preisgeld-Euros bereits umgesetzt. So etwas wie ein kleines Fitness-Studio hilft jetzt Muskeln zu lockern, aufzubauen, Kräfte zu tanken, Geschmeidigkeit und Gelenkigkeit zu entwickeln. „Das ist wichtig”, meint Tänzer Stefan Kulhawec. „Die Geräte werden uns immer erinnern, wofür wir sie bekommen haben und welchen Weg wir dorthin unter Dirk Neumann zurückgelegt haben.”

„Wanderer“ mit Emily Downs . Fotos: Marlies Kross

Der Weg, der sich jetzt anschließt, ist gewiss nicht leichter. Mag sein, dass dieser Gedanke der Idee von Petraß und seinem Tontechnik-Chef Sebastian Thoss, Karl-Newman-Förderpreisträger 2017 und ein ungeheuer vielseitiger Musikmensch, zugrunde lag. „wanderer”, von Emily Downs getanzt, zeigt einen Irrweg durch eine chaotische Welt. Thoss: „Ankommen, loslaufen, verlaufen, suchen, finden, verlieren, wiederfinden. Wege und kein Ausweg. Eine Welt ohne Wegweiser und Kompass. Das war unsere Idee. Wie Emily diese angenommen und gestaltet hat, übertraf alle unsere Erwartungen. Ihre Choreographie mündet in den Gedanken: Und am Ende ist doch Hoffnung.” Da fand Sebastian Thoss seine Devise bestätigt, Veranstaltungstechnik im Theater setze voraus, Kunst zu verstehen, um mit den Mitteln der Technik darauf zu antworten.

„Wanderer“ mit Emily Downs . Fotos: Marlies Kross

In diesem unserem kleinen Hermann-Balletttheater haben wir noch einen dritten Videoclip: Ein Blick ins Balletttraining. Der hat eine eigene Geschichte. Petraß und Thoss stellten ihrer Auszubildenden Paula Schmidt eine interessante Aufgabe. Sebastian Thoss: „Sie sollte das Training unter dem Blickwinkel von Armen und Beinen filmen. Das war ein Wunsch unseres Ballettdirektors. Wir statteten sie mit bestimmten Vorgaben aus. Tolles Ergebnis.” Ron Petraß: „Was ihr Auge den Füßen und Händen abgewann, war so nicht vorauszusehen. Echt Klasse.” Hände und Füße der Tänzerinnen und Tänzer sind Nachweis dafür, dass Hand und Fuß hat, was das Ballett seit Jahren anbietet. Thoss wünscht, dass auch nach Paula solche ambitionierten Auszubildenden ins Theater finden und evtl. auch übernommen werden. „Das wäre gut sowohl für unseren Beruf als auch für die Theaterkunst.”

Wenn Emily Downs meint: „Und am Ende ist doch Hoffnung.”, dann zielt das auf Zukünftiges, das zwar in aktenverschlossenen Spielplänen ein Datum hat, aber noch nichts ist für unsere Veranstaltungspläne. Sagen wir so: „Am Ende ist doch Premiere.” Da stehen dann, choreographisch gestaltet, „Shakespeares Sonette” auf dem Programm. Wieder hat Dirk Neumann einen renommierten Choreographen für seine Truppe gewonnen: den Wiener Jörg Mannes, den es nach 13 erfolgreichen Jahren als Ballettchef in Hannover 2020 ins freie Berufsleben zog. Mannes sieht eine pikante Note darin, dass Shakespeare seine Sonette schrieb, als in London die Pest herrschte und die Theater geschlossen waren. Mal sehn, wie sich diese lyrischen Kleinode in der Sprache des Tanzes ausnehmen. Ein Bühnenerlebnis ist zu erwarten. Die Bayerische Staatsoper schrieb anlässlich eines Gastspiels, dass Mannes nun für Ballettkompanien und Tanzensembles in der ganzen Welt choreographiere. Und da reiht sich jetzt Cottbus ein.

Klaus Wilke

www.youtube.com/staatstheatercottbus

 

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