Nichts zu Jammern bei Engerling

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Engerling, den Namen kennt natürlich jeder, der nicht mehr ganz jung ist und sich für Bluesmusik interessiert. Engerling und „Mama Wilson“, das gehört für die diesbezüglichen Auskenner ebenso zusammen. Der Song aus dem Jahr 1977 – ein fiktives Gespräch mit der Mom des 1970 ums Leben gekommenen Bluesrockers Alan Wilson – ist der große Hit der Berliner Band. Gerade jüngst wurde er auf Radio eins von einer Jury aus Musikbescheidwissern auf Platz 48 der besten 100 Bluesstücke gewählt. Klar, dass der Titel auf keinem Konzert von Engerling auf der Set-List fehlt. Damit ist für manche Fans vielleicht der Lieblingssong aus der Erinnerung auf die Bühne geholt, aber Engerling können natürlich mit noch viel mehr Liedern für bluesrockiges Hochgefühl beim Publikum sorgen. Die Band ist nämlich im besten Sinne ein altes Bühnenschlachtschiff, das in der Lage ist, über den ganzen Abend eine ordentliche Stimmungswelle zu schieben.

 Dabei werden auch die Grenzen des Blues ohne Not überwunden. Engerling sind ja keine puristische Bluesgruppe, sondern eine Rockband, die den Blues freilich zum Antrieb ihrer Livemucke macht. Ähnlich den Rolling Stones, denen Engerling immer wieder gern musikalisch Tribut zollt, in dem sie das ein oder andere Stones-Stück covert.

 Prägender Kopf und die markante Stimme von Engerling ist der vor nun auch schon vor 70 Jahren im Oderbruch geborene Wolfram „Boddi“ Bodag. Nach eigener Aussage ist er Mitte der 60er-Jahre in der DDR auf den Blues gekommen, nachdem er die Amiga-Schallplatte „American Folk Blues“ mit Willie-Dixon-Songs zu Gehör bekam. Der Blues, als musikalisches Lebensgefühl, sollte aus seinem Leben nie mehr verschwinden. Da ging es dem jungen, namenlosen Musiker aus der DDR nicht anders als den fast gleichaltrigen Engländern, die sich mit ihren Bands wie den Stones und Animals bereits einen Namen in der Welt erspielt hatten. Fortan machte auch er sich in die Spur, um sein Glück auf der Bühne zu finden, egal wie unstet und wechselhaft der Gang der Dinge nun werden würde. „Da hilft kein Jammern“ könnte man insofern auch als persönliches Lebensmotto werten. Passenderweise lautete so auch ein Song auf der ersten Single, die Engerling zwei Jahre nach Bandgründung 1975 in die Läden bringen durfte. Ja, durfte, denn zu der Zeit waren Plattenveröffentlichungen im ostdeutschen Raum noch an das staatliche Erlaubniswesen gebunden. 

 Bis es zur ersten Amiga-Platte kam, hatte Engerling denn auch eine bewegte, für viele DDR-Gruppen typische Geschichte erlebt. Mehrere Namenswechsel, nicht zuletzt in folge von Auftrittsverboten, führten zunächst zum Salonorchester Engerling und dann zur Engerling Blues Band, aus der irgendwann nur noch die Engerlinge wurden. Auch wenn sie oft in wechselnder Besetzung spielten (die Hauptkonstante neben „Boddi“„ Bodag ist Gitarrist Heiner Witte), hat sich ihr exzellenter Ruf konstant gut gehalten. Er drang vor bis zum Amerikaner Mitch Ryder, der Engerling als Begleitband auserkor und mit ihr mittlerweile seit 1994 regelmäßig in Deutschland und Europa tourt.

Thomas Lietz

 

Engerling am 19. September, Bebel, Cottbus

 

 

 

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