Partisanen, ein Kampfhund, ein Pechvogel und eine Handvoll Balkan-Gangster

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Ein herrlicher Vormittag. Die Sonne kitzelt emsig Farbe aus den gelben Blättern, der Herbst steht in vollem Gold. Ich spaziere zum Gladhouse, wo mich wieder zwei slowakische Klassiker erwarten.

Die Glocken für die Barfüßigen

Man wird es ja auch mal anderthalb Stunden ohne aushalten

Am Ende des Zweiten Weltkriegs in den verschneiten Bergen der Tatra. Zwei slowakische Partisanen nehmen einen jungen deutschen Soldaten gefangen. Sie wollen ihn erschießen, da er ihnen auf der Suche nach ihren Kameraden zur Last fällt. Doch können sie es nicht. Als das Blatt sich später wendet und das Leben der beiden in der Hand des Wehrmachts-Soldaten liegt, bringt auch er es nicht übers Herz, die Feinde umzubringen. In der eisigen Isolation von Schnee und Kälte entsteht eine merkwürdig warme Beziehung zwischen den Gegnern.

Regisseur Stanislav Barabaš stellt in diesem eisigen Kammerspiel von 1965 Fragen über Ethik, die Logik von Befehlsketten im Krieg und das Menschsein an sich. Großes Kino!

In unser Jahrhundert wandern wir mit

My Dog Killer

von Mira Fornay aus dem Jahre 2013. In langen, wohlkomponierten Einstellungen und mit unaufgeregten Bildern werden 24 gravierende Stunden im Alltag des Jugendlichen Marek erzählt. Seinen Kampfhund Killer liebt er über alles, ansonsten hat er ein großes Problem: Sein Halbbruder ist ein Rom (also Roma-Junge) und damit in diesem Provinznest ein Ausgestoßener.

Von der Seite nicht so attraktiv wie von vorn Der Weltspiegel mit Fahrrad-Flitzer

An jenem Nachmittag holt Marek den Kleinen aus der Obhut, in die die gemeinsame Mutter ihn gegeben hatte, und fesselt ihn in einem Schuppen. Warum, weiß niemand. Nachdem er ihn später doch wieder losbindet, entfernt er sich, den Hund hat er von der Leine gelassen. Später stellt er fest, dass Killer das Kind zerfleischt hat. Er rollt das Opfer unbewegt in einen Teppich, fährt es an einen Fluss und wirft es hinein. Später geht er auf eine Party zu seinen rechtsextremen Boxfreunden, die ihn als „dreckigen Mischling“ beschimpfen und angreifen. Wütend muss er die Feier verlassen.

Das alles wird so nüchtern, fast beiläufig erzählt, dass das Ungeheuerliche eher implodiert, und Kommentar und Wertung gänzlich dem Zuschauer überlassen werden. Eindringliches, düsteres Provinzgemälde ohne jede Hoffnung.

Ich spaziere eine Stunde durch das Zentrum und finde mich, wie die Motte in das Licht fliegt, wieder im Gladhouse ein. In der Spectrum-Reihe läuft

Feuer

„Feuer“-Ausstatterin Ayana Nurdinova

aus Kasachstan. Talik ist vom Dorf in die Großstadt gekommen, um ein besseres Leben führen zu können. Doch daraus wird nichts: Geld fehlt an allen Ecken und Enden, sein Salär als Brotausfahrer wird von den Schulden beinahe vollständig aufgefressen. Das dritte Kind ist unterwegs, und zu allem Überfluss ist die Älteste von einem Mitschüler schwanger geworden. Als auch noch sein bester Freund einen Herzinfarkt erleidet, denke ich, nun ist es aber auch mal gut mit Katastrophen. Allerdings nimmt der Film ab dieser Stelle auch endlich Fahrt auf und kippt ins Komische, was ihm guttut. Insgesamt etwas zu blasser Beitrag von Aizhan Kassymbek.

Zum Abschluss gönne ich mir noch einen Streifen aus der Sparte Hits. Dort wurde ich schon desöfteren überrascht, denn die Filme musste man trotz der konventionellen Erzählweise stets als sehenswert und sehr gelungen bezeichnen. Bei

Südwind 2 – Beschleunigung

von Miloš Avramović aus Serbien indes treffe ich doch auf einen Kassenschlager, wie man ihn sich ursprünglich vorstellt und brauche eine Stunde, mich an das herkömmliche Genre-Kino zu gewöhnen.

Nenad ist der kleine Bruder eines Gangster-Bosses in Belgrad. Außer mit Sport-Zentren und Solarien das Geld für den Großen zu waschen, hat er keine Aufgabe. Er möchte aber ebenfalls ein richtiger Gangster sein. So bricht er mit einem Handlanger auf eigene Faust nach Bulgarien auf, um eine Riesenladung Heroin zu kaufen. Doch der Deal schlägt fehl – alle Beteiligten außer Nenad werden von einem anderen Drogenbaron erschossen, der Geld und Ware an sich nimmt. Nenad wird entführt …

Der große Bruder setzt nun Himmel und Hölle (und eine kleine Armee) in Gang, um den jüngeren Spross zu befreien. Was für den Film, insbesondere in der zweiten Hälfte spricht, sind die Gesichter der Ganoven. Herrliche Visagen von steinalten Dons, Provinzbanditen und einer Horde Junkies, die das Heroin strecken. Da störte dann auch Sidekick Boća nicht mehr, der für die witzigen Bemerkungen zuständig war, über die im Alten Stadthaus allerdings kein Mensch lachte. Fazit: In Ordnung.

Dann hetze ich durch die Innenstadt noch zum Club Scandale. Hier sind um halb eins die meisten Festival-Besucher schon gegangen, dafür kommt die Disco-Party der jungen Leute schon gut in Schwung. Aber ich treffe noch Versprengte, erfahre die wichtigsten Preisträger und beiße mit zwei der drei Fipresci-Juroren noch einen Kanten ab. Schöner Absch(l)uss.

Ganz am Ende heißt es: Ein Foto sagt mehr als tausend Worte! Herz-Emoji!

 

 

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