Eine sorbisch-deutsche christliche Jüdin

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Jurij Kochs  Erzählung  „Hana” erzählt von der Liebe in grausamer Zeit

Hana. Eine jüdisch-sorbische Erzählung

Bücher, die auf sich halten, haben ihre Geschichte. Auch wenn sie geschrieben sind, geht ihr Werden weiter. So auch Jurij Kochs neues Buch „Hana. Eine jüdisch-sorbische Erzählung”. Der Stoff um die Sorbin Hana (1918 – 1943), die ihre Wurzeln in einer Dresdner jüdischen Familie hatte und – aus welchen Gründen immer – von einer sorbischen Familie adoptiert und katholisch getauft worden ist, hat ihn bereits als Student beschäftigt und während seiner schriftstellerischen Anfänge zu einer – nur sorbisch veröffentlichten – Erzählung (1963) inspiriert. Sie ist, als wahre Begebenheit, zu einem Teil seiner Lebenserinnerungen „Das Feuer im Spiegel” ( 2012) geworden und hat nun wohl in dem neuen Buch seine packende literarische Ausformung erfahren. Es ist also ein neues, altes Buch, eine wunderbare Erzählung, deren Frische über den fast lebenslangen Reifeprozess hinwegtäuscht.

Man muss den Autor nicht danach fragen, es ist zu fühlen, dass  er in der zarten, innigen Liebesgeschichte zwischen der herangewachsenen, wohl wunderschönen Hana und Boscij sowohl die Naturidylle einer ländlichen Gegend in der Nähe seines Geburtsortes Horka als auch die finstere, grausame, menschenverachtende Welt des Faschismus sich spiegeln sieht. Wie so oft in Kochs Büchern erfahren das dörfliche Leben und dessen Gestalter eine interessante, zeitgerechte Darstellung, hinter der der Leser immer die Gefahren und die Impertinenz von Politik zu spüren vermag. Wunderbar die Skatszene, ein erzählerisches Kabinettstück auf den Seiten 17 bis 19, wie sie Wirtshaussprache und bedrohliches Zeitkolorit vereint. Zunehmend ist die junge Liebe bedroht: in dem Maße, wie Naziideologie und -stiefel das Land unterjochen. Es beginnt damit, dass Dorfbewohner die Jüdin beargwöhnen. Dann wird ihr die sorbische Tracht verwehrt, bald sie des Tanzsaales und der Kirche verwiesen. Sie darf keine öffentlichen Wege mehr benutzen und erhält keine Lebensmittelkarte. Schließlich soll sie zur Deportation. Aber da ist ja noch die Liebe. So wie diese Liebe sich gibt, fordert sie Solidarität heraus. Man weiß ja nie, ob sich die Nazis nicht bald auch einen gelben Stern für die Sorben einfallen lassen. Solidarität setzt Kräfte frei. Ein atemberaubender Rettungsversuch geschieht, während Boscij an die Ostfront rollt…

Man muss nicht auf die Gefahren hinweisen, vor denen diese Erzählung warnt. Jurij Kochs Texte haben immer eine zweite Ebene, auf denen sich ohne Buchstaben Lebensrat ablesen lässt. Das Buch ist hoch aktuell und unbedingt lesenswert.

Der real belegten, aber mit erzählerischer Fantasie ausgestatteten Geschichte, liefert der Historiker Hermann Simon mit seinem interessanten und informativen Nachwort detaillierte Hintergründe.

Klaus Wilke

Info

Das Buch (120 Seiten)  ist im Hentrich & Hentrich Verlag Berlin Leipzig erschienen und kostet 16 EUR.

 

 

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