Im Schulgarten

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oder: Besuch beim Pädagogischen Zentrum für Natur und Umwelt Cottbus

Vogelscheuchen-Contest

Alle, die einmal in ihrem Leben ein blaues Pionierhalstuch trugen, dürfen nun wissend mit dem Kopf nicken. In der DDR gab es neben dem Werkunterricht ein weiteres bemerkenswertes Pflichtfach, nämlich Schulgarten. Ich erinnere mich an eine recht strenge Durchführung, aber das mag bei jedem anders gewesen sein. Meine Klasse stand unbedarft um ein Beet herum, wer quatschte wurde angeschnauzt und die Lehrerin zeigte uns, was anlag: Unkraut jäten, umgraben, Zwiebeln stecken. Dann kam der schöne Teil, selber Hand anlegen, aber auch das durften nur ausgewählte Schüler und so standen wir weiter deppert ums Beet und starrten Löcher in die Luft. Mit der Wende fiel das Fach weg, denn im westdeutschen Bildungssystem gab es kein Schulgarten mehr.

Allerdings war Schulgarten nie ausgestorben. Mehr noch, das Fach ist wieder im Kommen. Das Bedürfnis Grundschulkindern neben Mathe und Deutsch das sinnliche Gefühl von Erde und Pflanzen, das Wunder des Wachsens oder das Erfolgserlebnis einer Ernte erfahren zu lassen, hat überall deutlich zugenommen. Ironischerweise haben nun die westdeutschen Bundesländer bei dieser Renaissance die Nase vorn. Einerlei, denn Cottbus hat etwas zu bieten!

Ich treffe mich mit Ulrike Blumensath, ihres Zeichens Leiterin des Pädagogischen Zentrums für Natur und

Grundschüler freuen sich auf den Unterricht

Umwelt. Frau Blumensath ist gelernte Lehrerin mit dem Schwerpunkt Schulgarten. Sie ist seit vielen Jahren eine Verfechterin für dieses Fach, und ja – manchmal fragen die Schüler, ob sie einen Künstlernamen trägt – der Nachname ist echt. Man kann es sich nicht schöner ausdenken.

Das 14.000 m² große Gelände im Nordwesten der Stadt ist seit Mitte der sechziger Jahre Schulgartenstandort. Zu DDR-Zeiten gab es dort sieben Schulgärten, also von sieben Schulen genutzte Beete mit ihren jeweiligen Lehrer*innen. Zusätzlich war es ein Ausbildungsschulgarten, bei dem auch Ulrike Blumensath die Gartenkunst erlernte. Damals war das Areal auch Produktionsfläche, sprich das Erntegut vom Unterricht wurde in der Kaufhalle verkauft oder landete als Schulspeise auf dem Teller. Ganze Schülergenerationen reichten sich Gartenkralle und Rechen als Staffelstab weiter.

Schule für die Sinne (Tagetes = Studentenblume)

Heutzutage ist das lediglich Anekdote. Es gibt nur eine Lehrerstelle, die sich Frau Blumensath mit ihrer Kollegin Gundula Lohse teilt. Es gibt eine Partnerschule, nämlich die Wilhelm-Nevoigt-Grundschule. Klassen die regelmäßig Schulgartenunterricht erhalten, sind selten geworden. Dennoch hat das PZNU ein ganzjähriges Angebot. Häufigste Frage an Ulrike Blumensath: „Was macht ihr eigentlich im Winter?“

Die Frage müsste eher lauten, was kann das Pädagogikzentrum nicht? Schulen bedienen sich heutzutage lieber Projekttagen und die Palette ist bunt: Kartoffeln ernten, Kräutersalz herstellen, Tee anfertigen, Basteln mit Naturmaterialien, Getreide mahlen, Brötchen selber backen, eigenes Müsli mischen, Vogelfutter für die Vögel im Winter kreieren, Bienenvölker im Bienenhaus entdecken, die Wiese erforschen… Das praktische Erleben wird mit Wissen verwoben. Anfassen und lernen. So wie sich die Philosophie über den Umgang mit Kindern geändert hat, steht es auch mit der Arbeit im Garten. Das sieht man

Wenn sich Bienen zu Bienen beamen, beamen Bienen sich zu Bienen.

dem Areal an. Es gibt eine Streuobst- und Wildblumenwiese, ein Feucht- und Trockenbiotop, den Kräutergarten oder den Pfad der Sinne. Das Gelände ist übrigens öffentlich zugänglich. Vorbeischauen ist erlaubt. Jeden Freitagvormittag kann der Besucher dort die „Kräuterhexen“ antreffen. Eine Gruppe Seniorinnen, die sich neben zwei festen Gärtnern liebevoll um die große Grünanlage in der Dahlitzer Straße 12 kümmern. Die Damen geben gern Auskunft über das Treiben auf dem Freigelände.

Was Frau Blumensath besonders anspornt, ist die Schulgartenidee in Cottbus wieder neu zu beleben. Eine Maßnahme wäre die Aufstockung der Lehrerstellen im Fach, damit mehr Klassen betreut werden können. Das muss politisch gewollt sein. Ein schöner Hinweis ist auch der bundesweite Tag des Schulgartens. Er findet dieses Jahr am 10. Juni statt. Jede Schule, welche über einen Garten verfügt (es muss nichts Großartiges sein, salopp gesagt, schon ein Beet würde reichen), kann daran teilnehmen. Entscheidend ist, den Garten an diesem Tag in irgendeiner Form mit einem netten Konzept zu öffnen. Alle teilnehmenden Schulen können Preise gewinnen. Auf der Website der Bundesarbeitsgemeinschaft

Getreide mahlen und eigenes Brot backen

Schulgarten (www.bag-schulgarten.de) gibt es alle relevanten Informationen. „Jedes Kind hat ein Recht auf Schulgarten“ steht in dicken Lettern auf deren Homepage. Zeitgemäß schreit alles nach Computer, Internet, Digitale Medien. Das soll auch so sein. Doch Kompetenzen in Sachen Umwelt, Ernährung und Gesundheit zu vermitteln, scheint ein sinnvoller Ausgleich zu sein.

Daniel Ratthei

Mein Tipp: Die Projekttage für die Grundschulen sind begehrt. Lehrer*innen sollten sich am Anfang eines Schuljahres bei Frau Blumensath melden. Die Kontaktdaten gibt es im Netz unter: www.pznu-cottbus.de 

 

       

 

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