Brauchen wir Superhelden?

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Antonio  Latella über seine Inszenierung von „Zorro / Wonder Woman” in Cottbus

Wieder ein interessanter Gast im Staatstheater Cottbus. Der italienische Regisseur Antonio Latella (53) inszeniert zwei von ihm verfasste Heldengeschichten:  „Zorro / Wonder Woman”. Wer Latella ist, sagt Schauspieldirektorin Dr. Ruth Heynen. Mit Europas Theatern feinstens vernetzt und von vielen Besuchen kenntnisreich, hat sie ihn nach Cottbus eingeladen: „Latella  ist einer der besten und vielfältigsten Regisseure des heutigen italienischen Theaters.  Er ist bekannt für eine ganz eigene, erfolgreiche Führung seiner Schauspieler.  Mit seiner Inszenierung von „Die Göttliche Komödie. Dante <> Pasolini” am Residenztheater München wurde er 2020 zum Berliner Theatertreffen eingeladen.”

Nun ist er in Cottbus. Im Spielzeitheft sind Namen verzeichnet, als hätte er eine ganze italienische Nationalmannschaft mitgebracht: Außer seinem (Regie/Text) liest man die Namen von Federico Bellini (Dramaturgie/Text), Francesca Spinazzi (Übersetzung), Simona D’Amico ( Kostüme) und Francesco Manetti (Choreografie).

Regisseur Antonio Latella Fotos: Marlies Kross

 Antonio Latella: „Ich bin mit ihnen ein Team. Was ich bin, bin ich mit ihnen und durch sie geworden.” Was wie höfliche Bescheidenheit klingt, erklärt sich besser durch die Anforderungen, die er stellt: „Bei jeder neuen Arbeit ändere ich meine Methode. Ich hasse Wiederholungen. Eine Metapher: Lieber gehe ich auf einer unsicheren, aber spannenden Straße, als mich auf einer gewohnten zu langweilen. Das weiß mein Team, das wissen meine Schauspieler.”

Interessant Latellas Aussage: „Ich schreibe Stücke und entwickle Stücke nicht für Schauspieler, sondern für Personen,” Worin besteht der Unterschied? „Künstlerische Arbeit ist individuell. Ich inszeniere auf die Person zugescnnitten. Das ist wie Maßschneiderei. Die so entstandene Figur ist dann später nicht zu ersetzen. Ich brauche Personen, die sich in die Arbeit hineinschenken und keine, die sie eben so machen.”

 „Zorro / Wonder Woman” sind Neuschöpfungen. Zorro kennt man als so jemanden wie Robin Hood, der den Armen gab, was er den Reichen abnahm. Ein Rächer also.  Braucht das Theater aber solche Stoffe auf neu? „Im Stück geht es für mich um die Frage: ,Warum brauchen wir Superhelden?’”, erklärt Latella. „Natürlich könnte man die mit antiken und klassischen Dramen zu beantworten suchen. Aber Zorro stammt aus dem Comic-Zeitalter.  Unsere Welt ist eine andere geworden, egoistischer, brutaler. Das bedarf anderer Lösungen. Übrigens hätte ich mit einer Gegenfrage antworten können: Es gibt sooo viiiiele Stücke, die sooo oft gespielt werden. Warum sollte es denn keine neuen geben?”

Dann erzählt Latella von Urknall, der zur Entstehung seines Stückes „Zorro” führte. In Bologna hatte er zwei Männer unter einem Baum sitzen sehen, denen die Armut aus den Augen guckte und die wie Zorro angezogen waren die unmissverständlich um Allmosen bettelten. „Dieses Bild vor Augen, entstanden in meinem Inneren unzählige weitere Bilder, die sich zu einer Geschichte formten. Warum haben wir Angst vor den Armen? fragte ich mich, und das ist im Augenblick eine Frage, die alle angeht.” Auch „Wonder Woman” hat eine  wahre Begebenheit zur Grundlage: Die Vergewaltigung einer 18-jährigen, die vier Gerichtsverhandlungen überstehe musste, weil frauenfeindliche Richter ihr immer wieder Gerechtigkeit verweigerten. Angeblich, so deren Meinung, sei sie zu hässlich, um sexuelle Gelüste auszulösen.

Antonio Latella ist ein Künstler, der für politisches Theater steht.  „Die Entscheidung, Theater zu machen, heißt in Italien, sich für Politik zu entscheiden. Dabei müssen aber die Stücke nicht politisch sein. Wichtig ist die Hinwendung zum Prekariat, zu den Menschen am Rande der Gesellschaft. Es geht in den Stücken immer wieder um die Wahrheit: Was ist die Wahrheit, wo ist die Wahrheit, wer ist im Besitz der Wahrheit?”

Wo sie beide, Zorro und Wonder Woman, in den  Stücken erscheinen, sind Menschen unfair und zynisch. Ziemlich turbulent dürfte es zugehen. Was geschieht, vergleicht Latella mit „flirrenden, wilden, unterhaltsamen Karussellfahrten”, die jeweils vier Figuren (in Zorro: Michele Andrei, Emilo De Marchi, Gunnar Golkowski, Markus Paul; in Wonder Woman: Sigrun Fischer, Ariadne Pabst, Lisa Schützenberger und Anouk Wagner) in den Himmel führen. Mit jeder Drehung und jeder Quadrille bekommen sie es mit Armut, Unterdrückung, Ungerechtigkeiten zu tun.

Schauspieldirektorin Dr. Ruth Heynen

Die Schauspieldirektorin bereitet uns auf die Wesensart der Inszenierung vor: „Freuen wir uns auf pures Schauspielertheater. Alles Spiel entspringt der Körperlichkeit und der Stimme. Da gibt es zwar bunte Kostüme, aber kein Bühnendekor lenkt uns ab.”

Und darauf legt Antonio Latella wert: „Die Superkraft der Wonder Woman, die mit einem magischen Lasso Gefangene zwingen kann, die Wahrheit zu sagen.” Eine Art Lügendetektor? Da lacht der Theatermann: „Wissen Sie, dass Lügendetektor auf Italienisch macchina della veritá heißt?” (Maschine für die Wahrheit).

Eine Frage zum Schluss: Brauchen wir denn nun Superhelden? Der Regisseur: „Unbedingt, wobei es in der männlichen Ausprägung schon recht viele gibt. Aber sehr wenige weibliche. Dabei sind diese viel altruistischer, also uneigennützig, selbstlos, dem Gemeinsinn mehr ergeben. Ich glaube, den Wonder Womans gehört die Zukunft. Sie können die welt und die Menschheit und die Welt retten.” Er überlegt kurz und fügt dann hinzu: „Ich hoffe es jedenfalls. Es ist eine große Chance.”

Klaus Wilke

Unter Corona-Vorbehalt und entsprechenden Bedingungen: Premiere am 8. Mai, 18.30 Uhr, im Großen Haus des Staatstheaters Cottbus.

 

 

 

 

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