„UNMEEGLICH IS HALT NISCHT UFF DER WELT”

0

Mit DER BIBERPELZ bringt im Januar das gesamte Schauspielensemble eine märkische „Diebskomödie“ von Gerhart Hauptmann auf die Bühne.

Im Januar steht das gesamte Ensemble des Schauspiels auf der Bühne des Cottbuser Theaters. Hausregisseur und -autor Armin Petras bringt „Der Biberpelz“ von Gerhart Hauptmann auf die Bühne. Eine Komödie? In Zeiten von Klimawandel, Corona, Inflation und trübem Januar-Wetter? Ja, jetzt erst recht. Denn den Figuren in Hauptmanns Stück geht es nicht anders. Viel zu lachen haben sie nicht. Düster ist es im märkischen Wald, es gibt kaum was zu beißen, Geld sowieso nicht und der Winter ist hart. Und dennoch gelingt es Hauptmann, den Humor nicht zu verlieren. Wie macht er das?

  1. SICH SELBST NICHT ZU ERNST NEHMEN

Die wichtigste Regel, wenn es darum geht, den Humor nicht komplett zu verlieren: Nimm dich selbst nicht zu ernst. Mutter Wolffen ist die Hauptfigur im „Biberpelz“. Mit ihrem Mann und zwei halbwüchsigen Teenager-Töchtern lebt sie in einer Bruchbude im Wald irgendwo im sumpfigen Delta der alten Spree bei Erkner. Diese Frau hat nichts zu verlieren, und „besorgt“ sich, was sie braucht: ein bisschen Holzdiebstahl, ein bisschen Wilderei … „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ – der Spruch von Bertolt Brecht könnte auch von Mutter Wolffen stammen. Aus dem charmanten Überbrücken der Lücke zwischen Alltag und Anspruch entsteht der Witz von Mutter Wolffen. Sie kann es sich schlicht nicht leisten, sich selbst zu ernst zu nehmen. Wenn du nichts mehr zu verlieren hast, wechselt der Humor auf deine Seite. Es wird nie die Seite der Selbstgerechten sein.

  1. ANDEREN ZUHÖREN

Hauptmann selbst kam als Intellektueller Ende der 1880er Jahre nach Erkner aufs Land. Ein typischer „Berliner in Brandenburg“ mit allem, was dazugehört. Aber er kann zuhören. Aus der schlesischen Provinz bringt er eine unendliche Liebe für das Einfache mit und fühlt sich allem Proletarischen nahe. In seinen Stücken schreibt er von Arbeitern, von Hausierern und Kleinkriminellen, er lässt zahnlose Alte und Huren zu Wort kommen, stellt die Ärmsten in die erste Reihe seiner Stücke. Humor kommt bei ihm aus der Genauigkeit. Nie würde er eine Figur verraten, sie der Lächerlichkeit preisgeben. Im Gegenteil: die „einfachen Leute“ werden bei ihm zu Philosophen. Das gelingt ihm, weil er zuhört, ohne es besser wissen zu wollen. Unnötig zu erwähnen, dass dies eine sehr seltene Angelegenheit geworden ist. Wenn man von Hauptmann Humor lernen will, muss man zuhören lernen.

  1. DAS KLEINE GROSS MACHEN

Humor ist da, wo wir dem Unwichtigen Raum geben, verschwenderisch sind mit Aufmerksamkeit für das scheinbar Bedeutungslose. Hierin ist Gerhart Hauptmann ein Meister. Und so werden die kleinen Leute mit krummen Biografien bei ihm zu Helden. Aber auch die Dinge bekommen Gewicht. Ein totes Reh, das Holz, die Uhr an der Wand. Humor entsteht meistens hier: im abseitigen Bereich der Wahrnehmung, wo man nicht damit rechnet. Armin Petras ist deshalb ein Regisseur, der immer wieder zu Hauptmann zurückkehrt. Wo das Kleine vergrößert wird, tut sich plötzlich ein Raum für Erkenntnis, Poesie, Gefühl und – nicht zuletzt – Humor auf, der für Theater ein gutes Feld ist. Mit Hauptmann und Petras treffen sich zwei, die unter politischem Schreiben und Denken etwas sehr Körperliches und Emotionales verstehen.

  1. DAS GROSSE VERKLEINERN

Hauptmanns Humor ist ein politischer. Aber er verkündet keine Thesen. Frau Wolff steht der Polizeirat Wehrhahn gegenüber. Ein preußischer Beamter. Der wohlhabende Bürger Krüger beschwert sich bei Wehrhahn: sein wertvoller Biberpelz ist ihm abhanden gekommen. Der Fall ist nicht schwer zu lösen und mit ein wenig Intelligenz wäre Wehrhahn schnell auf Frau Wolff gekommen. Aber nomen est omen: Wehrhahn trägt den Schnabel weit oben und hat anderes im Sinn: auf der Suche nach Sozialisten und anderen Todfeinden des kaiserlichen Staats übersieht er das Offensichtliche. Das Große wird klein und die Macht verliert ihren Schrecken. Im Wald der Dialekte wird die Uniform zum Narrenkleid. Das umgedrehte Fernglas – folgt man Hauptmann auf der Suche nach Humor in angespannten Zeiten, hilft es sehr, auf den alten Kinderspaß zurückzukommen.

  1. KEINE WITZE

Eine alte Theaterregel sagt, wer Humor erzeugen will, muss ernst spielen. Humor entsteht nicht durch Witze, sondern dadurch, dass der „Naturalist“ Hauptmann die Bedeutung verkehrt: das Kleine wird groß, das Große wird klein, das Unwichtige zur Hauptsache und Hochdeutsch zum Dialekt. Zusammengenommen mit der geballten schauspielerischen Intelligenz des besten Schauspielensembles, das Cottbus in den Zwanziger Jahren des anbrechenden 3. Jahrtausends gesehen hat, kann daraus nur eines werden: eine Komödie mit Hinterland und ein intelligenter Theaterspaß, der etwas Licht ins Januardunkel bringt.

Ludwig Haugk

 

Ludwig Haugk ist der Dramaturg dieser Produktion.

 

Info

Premiere am 22. Januar 2022, 19.30 Uhr, im Großen Haus.

 

 

Teilen.

Hinterlasse eine Antwort