„Irgendwie haben wir uns, wie auch die Vereine, über Wasser gehalten“

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Ein schweres Jahr 2020 liegt hinter der Cottbuser Sportlerfamilie, ähnlich prekär beginnt 2021. Doch der Vorsitzende Stadtsportbundes Olaf Wernicke und sein Geschäftsführer Tobias Schick verbreiten im Hermann-Interview Optimismus …

Bleiben wir aktuell, wie läuft es bei den Sportfunktionären Anfang 2021?

StSSB-Geschäftsführer Tobias Schick (links) und der Vorsitzende Olaf Wernicke.

OW: Der Frust, ohne unseren allseits geliebten Sport ist schon groß. Irgendwie haben wir uns, wie auch die Vereine, über Wasser gehalten. Aber Geduld und Kreativität sind auch irgendwann aufgebraucht. Viele versuchen, durch individuelles Training fit zu bleiben. Aber Mannschaftssport ohne Mitspieler und ohne Sporthalle funktioniert natürlich nicht. Auf Dauer ist das wirklich zermürbend. Auch und gerade, was die Motivation angeht.

TS: Es geht aber allen so. Es gab auch bei uns Wintertage, an denen wir Ski fahren konnten oder vor dem Fernseher bei „Meine fünf Minuten“ mitgemacht haben. Spazieren und Wandern ging auch, aber der Sport in der Gemeinschaft fehlt. Wir brauchen ganz dringend einen Wiedereinstieg für den Sport. Wir brauchen keine Duschen, keine Umkleideräume, aber endlich wieder die Möglichkeit, draußen an der frischen Luft Fußball zu spielen und in den Hallen wieder, bei Beachtung der Abstands- und Hygienevorschriften und gern auch personell begrenzt, Sport zu treiben.

Zurück zu 2020, war es ein verlorenes Jahr für den Sport?

Alljährlich ein wichtiger Termin für die Sportlerfamilie: Das Seniorensportfest im Cottbuser Sportzentrum

OW: Für den Sport, aber vor allem auch für viele Bereiche unserer Gesellschaft war es ein schweres Jahr. Träume von vielen Sportlern und Trainern sind zerplatzt. Nun hoffen wir, dass 2021 zumindest die Olympischen und Paralympischen Spiele durchgeführt werden, wenngleich wohl ohne Zuschauer. Die Spiele sind elementar für die große Sportfamilie. Aber im lokalen Bereich ist 2020 vieles ausgefallen. Trotz aller Ungewissheiten dieser Tage brauchen wir alle viel Kraft und Mut, möglichst vieles auf- oder nachzuholen.

TS: Es gab 2020 wenige großartige Sportmomente, dafür aber viel Verzicht und Geduld. Automatisch haben sich alle deutlich weniger bewegt. Viele Spätschäden im Kinder- und Gesundheitsbereich werden wir erst nach und nach bemerken. Doch erinnere ich mich aber auch gern, wie die Senioren und Breitensportler zu unserem nachgeholten Seniorensportfest und Sportabzeichen-Abend geströmt sind. Alle waren happy, dass mal wieder was stattfand. Dann kam der zweite Lockdown und alles, bis auf den Leistungssport für wenige Profis und Kaderathleten, wurde wieder untersagt.  Viele tausend aktive Sportler, hunderte Übungsleiter und Trainer, viele Vorstandsmitglieder und Vereinshelfer dürfen seit Monaten nicht ihrer Lieblingsbeschäftigung in der Freizeit nachgehen. Da gibt es natürlich auch trotz Vernunft und Einsicht sehr viel Frust und Ungeduld. Aber wir wissen, viele warten nur darauf, dass es wieder losgeht. Besonders groß ist unsere Sorge, dass wir viele Kinder und Gesundheitssportler verloren haben. Hier bedarf es großer Anstrengungen der Verantwortlichen in den Vereinen und von uns als Verband, durch gezielte Veranstaltungsformate die Sportler wieder abzuholen und zu begeistern. Für uns heißt das, lieber einen Termin verschieben, und diesen nicht komplett absagen.

Was sagen die aktuellen Zahlen zum Jahr 2020?

Der Start / der Sprung ins neue Sportjahr

OW: Die Mitgliederzahl ist um knapp 700 Sportler in Cottbus zurückgegangen. Besonders die Vereine mit Gesundheitssportangeboten verzeichnen starke Rückgänge. Dagegen haben fast alle Cottbuser Fußballvereine besonders im Vorschulbereich große Zuwächse erzielt und daher den Rückgang fast halbiert. So ist die übergroße Zahl der Vereine stabil geblieben. An dieser Stelle ein Lob an alle in der Cottbuser Sportfamilie für ihre Vernunft, Geduld und ihr Engagement. In der nächsten Statistik werden wir sehen, wie sich die Zahlen in der neuen Pandemie entwickeln. Ich hoffe nicht, dass Corona und die damit verbundenen Entscheidungen zu einem Trend führen, der die gesellschaftlich überaus wertvollen Leistungen und Errungenschaften der Sportfamilie, gerade in gesundheitlicher Hinsicht, dauerhaft gefährdet. Und wir hoffen zudem, dass wir in der Lage sein werden, eine Aufarbeitung der Geschehnisse zu leisten, die ihren Namen verdient. Da muss dann auch mal offen über Fehler gesprochen werden können. Denn es wird ja sicher nicht die letzte Pandemie sein, die uns alle beschäftigt. Zukünftig muss das besser laufen. Die Performance in dieser Pandemie war bis dato weder in der A-, noch in der B-Note überzeugend, wie ich meine. Und dies, obwohl wir ja in Deutschland doch berühmt berüchtigt für unser Organisationstalent sind.

TS: Da hat Olaf sicher Recht. Wir wissen ja von den Vereinen, wie unterschiedlich die Lage ist. Es gibt Vereine, die haben finanziell die Pandemie sogar mit einem Plus beendet, da Kosten für Hallennutzung, Wettkampf und -fahrten sowie Übungsleiterhonorare nicht angefallen sind. Anderen Sportvereinen, die ihre Sportstätten selbst betreiben, Pachtausfälle kompensieren müssen, Personal fest eingestellt haben, sind oft im Zusammenhang mit abgesagten Veranstaltungen wichtige Einnahmen weggefallen und die bangen nun um ihr finanzielles Überleben. Und einige große Vereine, die nicht über klassische Mitgliedschaften, sondern über Verordnungen im Präventions- und Rehabilitationsbereich hauptsächlich tätig sind, stehen unter enormen Sparzwang. Über unseren FC Energie Cottbus und seine prekäre Situation brauchen wir nichts weiter ausführen. Hier braucht es viel Zeit, Kraft und Finanzmittel, um aus der absoluten Schieflage herauszukommen. Aber da wir wissen, dass der Vereinssport und seine Verantwortlichen seit Jahren gelernt haben, aus wenig viel zu machen, glauben wir daran, dass die Sportfamilie diese Pandemie meistern kann und wird. Aber unter der Voraussetzung, dass die Mitglieder und Unterstützer den Vereinen treu bleiben und die öffentliche Hand den Sportvereinen entgegenkommt. Die Sportvereine und ihre Mitglieder brauchen den Lichtblick – wir alle brauchen den Wiedereinstieg in den Sport. Die Förderrichtlinie für den Sportstättenbau muss endlich vom Land kommen und umgesetzt werden. Ferner braucht es zusätzliche Programme und Anstrengungen in Richtung „Schwimmen lernen“, „Sport in und an Schule“ und eine Anpassung der Vergütungssätze für Gesundheitsvereine, die großartige Reha- und Präventionssportangebote anbieten. Es ist leider auf einigen verwaisten Schreibtischen viel liegen geblieben.

Der Wiedereinstieg des Sports ist überlebenswichtig, wie lautet eure zentrale Forderung?

Los geht’s ins neue Sportjahr

OW: Ein Sportverein und seine Mitglieder haben sich gegründet, um Sport in der Gemeinschaft treiben. Das ist das Wesen eines Sportvereins. Tobias hat richtigerweise einige Probleme beschrieben. Aber ein Sportverein, der keinen Sport organisieren kann, wird auf Dauer nicht überleben.

TS: Der Sport ist notwendig und wichtig. Die Menschen wollen und brauchen ihn. Sport hilft gerade in diesen Zeiten. Wir sind nicht die Ursache des Problems, sondern können vielmehr ein wichtiger Aspekt der Lösung sein. Digital ist der Sport seit geraumer Zeit unterwegs, hat aufgeholt und sich geöffnet. Auch die digitale Woche der Bewegung war ein Erfolg. Onlineseminare, Vorstandssitzungen oder die Mitgliederversammlung am PC gehen schon mal. Aber Sport, Begegnung und Emotionen, all das gibt es nur live und in „echt“.

Was glauben Sie, wann gibt es wieder Sport und vor allem Sportveranstaltungen?

TS: Das lässt sich nicht so genau sagen. In unseren eigenen Planungen gehen wir von März sowohl für den Trainingsbetrieb und für die ersten Fort- und Weiterbildungen aus. Veranstaltungen werden wegen mancher Auflage zwar noch nicht in gewohnter der Art und Weise stattfinden. Aber ab April sollten weitere Lockerungen eintreten. Wer daran nicht glaubt und dafür nicht kämpft, hat schon verloren. Da bin ich nicht unvorsichtig, sondern sehe es als Pflicht an, als Verbandsvertreter lautstark dafür einzutreten.

OW: Der Vorstand des Stadtsportbundes unterstützt da das Hauptamt vollends. Sport ist notwendiger denn je.  Es ist einfach zu lange alles verboten worden, ohne die Möglichkeit von regionalen Ausnahmen, ohne wirkliche Expertengespräche und ohne hinreichende Würdigung der Anstrengungen der Sportfamilie. Wir hoffen und planen mit unseren Partnern und Helfern den „AOK City Run & Bike“ am 8. Mai im Puschkinpark genauso durchzuführen, wie die „OSTSEE Sportspiele 2021“ vom 11. bis 13. Juni in Willmersdorf. Wir wollen die sportlichen Vergleiche durchführen, obwohl die Auflagen einen Rahmen mit Publikum und Show wohl kaum ermöglichen. Unser Sportkalender füllt sich derzeit mit Terminen, ihn legen wir kostenlos für die Cottbuser aus.

Abschließend will ich anfragen, worauf Sie sich im Sportjahr 2021 freuen?

OW: In erster Linie auf den Tag, ab dem alle wieder Sport treiben können. Hoffentlich können wir uns auf Olympische und Paralympische Spiele in Tokio mit vielen Cottbuser Teilnehmern freuen. Ich selbst will wieder gern, den ein oder anderen Startschuss geben und freue mich besonders auf die Deutschen U20 Meisterschaften im Volleyball im Juni 2021 in Cottbus, organisiert vom SV Energie und dem BVV. Wir wünschen uns für dieses Jahr bei den Vereinen den Mut, trotz großer Ungewissheit, wieder Etwas organisieren zu wollen. Und wir wünschen den politischen Entscheidern den Mut, den Menschen eben dies zuzutrauen.

TS: Wir werden die Ärmel hochkrempeln und loslegen, am Planen sind wir längst. Einige sind zwar etwas müde und bequem geworden, aber das wird. Das Fußballtraining wird starten, die Fitnessstudios öffnen, die Turnhallen öffnen unter Auflagen. So finden Jung und Alt wieder im Sportverein ihren wöchentlichen Anlaufpunkt. Ich freue mich auf die Organisations-Sitzungen für die OSTSEE Sportspiele genauso wie auf unser Seniorensportfest, aber auch auf die Trainerausbildung. Genau freue mich auch auf das Tennisspielen und natürlich auch auf das ein oder andere isotonische Getränk nach dem Sport. Es wird nämlich wirklich Zeit, dass es nun bald wieder losgeht.

Interview: Georg Zielonkowski

 

 

                                           

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