Vom Vermissen

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Corona und der Tierpark Cottbus

Tierparkdirektor Dr. med. vet. Jens Kämmerling

Es ist Anfang April und die Corona-Krise bestimmt die Nachrichten. Ob eine Lockerung der umfangreichen Maßnahmen nach den Osterferien möglich wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar. Als Schreiberling einer Kolumne über Sehenswertes in der Lausitz, stehe ich vor der Herausforderung: Was schreiben? Museen, Schlösser, Ausstellungen und ähnliche Ausflugsziele sind geschlossen. Landschaftliche Höhepunkte sind zwar erlaubt (mit den bekannten Kontaktbeschränkungen), aber machen mehr Spaß, wenn man nach dem Spaziergang irgendwo einkehren kann. In Zeiten von #StayAtHome ergibt das wenig Sinn.

Daher besuche ich eine Institution, bei der ich mich frage, welche Auswirkungen die pandemiebedingte Schließung auf seine Bewohner hat. Nämlich den Tierpark Cottbus. Es gab ja so einige Meldungen: Delphine schwimmen wieder in Italiens Häfen. Bedrohte Schildkröten-Babys schlüpfen ungestört an Brasiliens Stränden. Wilde Hirsche richten sich in Londons Vorstädten ein. Aber auch: Erster Tiger im New Yorker Zoo mit Corona infiziert.

Direktor Jens Kämmerling beim Füttern der Karpfen

Das Treffen mit Dr. Jens Kämmerling im Tierpark läuft gar nicht so ruhig ab, wie erwartet. Der Veterinärmediziner, der seit 2002 den Park leitet, zeigt mir den neu gestalteten Pfad in der Teichlandschaft. Seit zwei Stunden sind die Flamingos aus dem Winterquartier entlassen. Einen Tag zuvor durften die Pelikane raus. Über unseren Köpfen kreisen hunderte Lachmöwen. Graureiher basteln an ihren Nestern. Moorenten und Schellenten suchen nach Partnern auf dem Wasser. Es wird gebalzt, geschnattert, geflattert und es ist richtig laut.

Flamingo-Lagune

Den Tieren ist es egal, ob Besucher da sind oder nicht, sagt Jens Kämmerling. Im Gegensatz zu denwildlebenden Tieren draußen, haben Zootiere ihr festes Revier, welches sie nicht zurückerobern müssen, sobald der Mensch sich verzieht. Ob vor ihren Anlagen Besuchertrauben stehen, wird erst relevant, sollte ein Besucher auf die Idee kommen, über den Zaun zu klettern.

Ruhe im Streichelzoo

Aha. Und bei den Tieren im Streichelzoo? Gerade gab es Nachwuchs bei den Somali-Schafen, steht auf der Website. Vermissen die Tiere den Kontakt oder sind die froh, mal ihre Ruhe zu haben? Dr. Kämmerling sagt: „Man sollte Tiere nicht personifizieren.“ Diesen Satz wird er mehrmals während unserer Runde sagen. Die Ziegen und Schafe mögen das Bürsten sehr, das würden sie sozusagen „vermissen“. Bei Menschenaffen gäbe es durchaus intensive Beziehungen zu Stammbesuchern. Hier würde Kämmerling auch von „Vermissen“ sprechen, nur Menschenaffen gibt es im Tierpark Cottbus nicht.

Kein Schaufüttern heute

Aber Großkatzen gibt es. Was ist denn jetzt mit Corona und den Tigern, Herr Direktor? Auch bei dieser Antwort zeigt sich Jens Kämmerling entspannt. Er verweist auf die Untersuchungen des Friedrich-Löffler-Instituts (quasi das Robert-Koch-Institut für Tiere) und sagt, dass sich wahrscheinlich unter bestimmten Umständen katzenartige Tiere mit SARS-CoV-2 infizieren können. Es sei aber nicht bekannt, dass diese Tiere ernsthaft erkranken, oder das Virus untereinander weitergeben, geschweige denn auf Menschen übertragen. Solange es keine genauen Ergebnisse gibt, heißt es von den Großkatzen Abstand zu halten. Das fällt bei einem Tiger nicht schwer.    

Der neue Teichpfad ist fertig

Was ist eigentlich mit den Menschen, die im Tierpark arbeiten? Bisher gab es keine Corona-Fälle innerhalb der Belegschaft. Trotzdem wurden einige Schutzmaßnahmen ergriffen. Dazu gehört eine strenge Regelung der Pausen- und Umkleideräume sowie ein Zwei-Gruppendienstplan. Erst wenn Gruppe A nach Hause gegangen ist, beginnt Gruppe B mit der Schicht. Homeoffice geht in einem Tierpark natürlich nicht. Lieferengpässe für das Tierfutter habe es nicht gegeben. Außerdem arbeiten verschiedene Handwerker im Park. Das zentrale Abwasserpumpwerk im Bereich Kinderzoo stand ganz oben auf der Tagesordnung. Hierbei war es von Vorteil, dass keine Besucher da sind. Denn für einen Tag die Toiletten zu sperren, wäre im Normalfall heikel.

Warten auf Godot

Trotzdem. Was wäre der Tierpark ohne seine Gäste? Im Jahr 2019 verzeichneten Kämmerling und seine Belegschaft einen Besucherrekord von 177.433 Gästen. In den letzten zehn Jahren stieg der Besucheranteil um 70 Prozent. An einem guten Tag flanieren 3.000 Menschen zwischen den Gehegen. Die Prognosen für dieses Jahr stehen noch in der Glaskugel. Aber klar, die Einnahmen von März und April fehlen. Immerhin finanziert sich der Tierpark zu einem Drittel aus den Eintrittsgeldern. Für viele Familien gehört der Besuch im Tierpark zu einem wichtigen Programmpunkt am Wochenende. Besondere Veranstaltungen wie „Nachts im Tierpark“ sind beliebte Highlights. Auf die neuen Sitzbänke in der Flamingo-Lagune oder auf den neuen Pfad in der Teichlandschaft kann man sich freuen. Auf die ambitionierten Projekte, wie dem Neubau eines großflächigen Elefantenhauses, sowieso. Kurzum: Wir vermissen den Tierpark.

Daniel Ratthei

Mein Tipp: Die nächste Veranstaltung „Nachts im Tierpark“ ist am 29. Mai 2020. Der Park wird vom Cottbuser Lichtkünstler Jörn Hanitzsch nächtlich illuminiert. Noch ist die Veranstaltung abgesagt. Stand Anfang April.     

                          

 

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