Von Elsterwerda in die Berliner Waldbühne

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Nino Skrotzki war einst Sänger der bekannten Elsterwerdaer Band Virginia Jetzt! Dann gründete er den Berliner Kneipenchor, der viele Nachahmer fand und in dem er heute noch singt.

„Die Hölle ist voller Amateurmusiker.“ Da war sich der irische Weltliterat George Bernard Shaw sicher. Er mochte nicht nur keine Amateurmusiker, er mochte auch keinen Alkohol. Ein Laienchor mit Sängern, die selbst bei der Probe Flaschenbier trinken? Für Shaw wäre es frei nach Wolfgang Petry „Hölle, Hölle, Hölle“ gewesen. Den legendären Ballermann-Schlager singt der aus lauter Laien bestehende Berliner Kneipenchor nicht, dafür gern „Arschloch! Arschloch! Arschloch!“, das Die Ärzte in ihrem Popvolkslied „Schrei nach Liebe“ einer verirrten Naziseele widmen.

Nino Skrotzki singt im Kneipenchor nicht nur inbrünstig mit, er hat ihn auch 2011 gegründet, zusammen mit seinem Musikerkollegen Mathias Hielscher. Gemeinsam spielten sie in der 1999 in Elsterwerda gegründeten Band Virginia Jetzt!, die unter anderem 2005 für Brandenburg bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest antrat (achter Platz), ehe sie sich 2010 auflöste. Sänger Nino Skrotzki hatte damals nach einem poppigen Chor für sich gesucht, aber keinen gefunden. Also lud er mit seinem Ex-Kollegen Hielscher ein paar Freunde ein und stellte selber einen Chor zusammen. Der Name: Berliner Kneipenchor.

Der wurde schnell bekannt und teilweise berühmt, weil die Kombination von Repertoire und Auftrittsorten auch immer eine schöne Geschichte hergab. Poppiger Chorgesang im Kneipenambiente, quasi mehrstimmiger Alkopop, das war neu in Deutschland. „Damals verband man mit Chören in Deutschland noch eine etwas steifere Form des gemeinsamen Singens“, erinnert sich Nino. „Ein ehrwürdiger, toll singender Chor ist natürlich etwas Großartiges. Unser Fokus lag jedoch nie auf Perfektion und Disziplin, obwohl wir ebenfalls gut abliefern wollen und auch mal sechsstimmigen Gesang machen. Aber wir geben halt nicht die letzten 20 Prozent. Da sind uns gute Laune und Spaß wichtiger, und den hat man beim gemeinsamen Singen. Das befreit ungemein, gerade nach einem stressigen Arbeitstag. Man trifft Freunde beim Bierchen und singt frische Lieder, ohne dabei extrem diszipliniert zu sein.“

Was nicht heißt, dass man nicht ambitioniert wäre. Zumal die Nachfrage hoch ist, erst recht, seit der Chor auch von Herbert Grönemeyer entdeckt wurde, dessen Song „Männer“ zum ständigen Repertoire gehört. 2019 traten die Laienmusiker sogar an der Seite von Grönemeyer in der Berliner Waldbühne auf.

Der Normalfall als Location sind allerdings weiterhin Orte der Trunkenheit, wo sie Popklassiker singen: Vom Beach Boys-Hit „Get Around“ bis „Ohne dich“ von der Münchner Freiheit. Erfolg, Medienaufmerksamkeit und Nachahmer ließen nicht lange auf sich warten. „Jetzt gibt es mindestens zehn Kneipenchöre im ganzen Land, von München bis Köln. Manchmal bekommen wir von Neugründern sogar Anfragen nach den Arrangements unserer Songs“, erzählt Nino.

Mit dem Dresdner Kneipenchor sind sie sogar befreundet. Letztes Jahr machten sie eine gemeinsame Kneipentour durch die Hauptstadt. Und mit dem Wiener Schmusechor, auch so eine Art Partnerchor, sind sie ebenfalls schon umhergezogen.

Auch in Erlangen gibt es inzwischen einen Kneipenchor. Der lud vergangenen Herbst sogar zum ersten Kneipenchor-Festival Deutschlands ein. Unter dem Motto „Die lauteste Kneipe“ traten mehrere Laienensembles auf Bühnen und Plätzen der fränkischen Stadt auf. Gemeinsam Popsongs singen und auf das Leben anstoßen, auch so wird das etwas angestaubte Image von Chören aufpoliert.

In der Lausitz gibt es zwar noch keinen Kneipenchor, aber das kann ja noch kommen. Nino würde dann sicher nicht dabei sein, da er in Berlin fest verankert ist. Er ist im Musikmanagement, in der Tourbegleitung und in der Partyorganisation tätig. Bleibt die Frage, ob in seinem Kneipenchor auch ein Titel seiner einstigen Band Virginia Jetzt! gesungen wird. „Tatsächlich hatte der Chor zu meinem 40. Geburtstag das Lied ,Von guten Eltern‘ einstudiert und als Überraschung präsentiert. Ins Repertoire übernommen haben wir es aber nicht.“

Thomas Lietz

 

 

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