Was bleibt

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„Die Ausstellung hängt.“, vermeldet der Kunst im Gefängnis e. V. am 4. Oktober. Die Rede ist von der überaus vielversprechenden Fotoausstellung „Was bleibt“, die bis Ende November in der Stadtbibliothek Dresden Neustadt zu sehen ist.

 Sie zeigt Arbeiten der Fotografen Ralf Menzel und Jörg Singer. Beide haben Insassen in sächsischen Haftanstalten porträtiert.

Fotoserie „Outlaws“. Fotos: Jörg Singer

Der Dresdner Künstler Ralf Menzel versteht sich auf Licht und Schatten wie ein flämischer Renaissancemaler. Sein Markenzeichen sind perfekt komponierte „Schnappschüsse“ in Schwarz-Weiß.

Der Leipziger Fotograf Jörg Singer hat normalerweise Models, Schauspieler und Opernsänger vor der Linse. Doch 2016 – er gab gerade Fotokurse für Inhaftierte – machte er erste Porträts von den Häftlingen. Eine Serie entstand. Es sind interessante Bilder: Die Gefangenen posieren, demonstrieren Stärke. Gelegentlich scheint Einsamkeit oder Melancholie durch den verkrusteten Panzer. Dem Fotografen entgeht das nicht, und er hält es fest mit einer Ästhetik, die sonst seiner Modefotografie vorbehalten ist.

Diese Serie ist nur der Anfang: In den vergangenen Jahren hat Singer immer wieder Insassen in sächsischen Haftanstalten porträtiert.

Neben den 42 Häftlingsporträts von Ralf Menzel und Jörg Singer zeigt die Ausstellung noch weitere Arbeiten der Künstler.

Fotoserie „Outlaws“. Fotos: Jörg Singer

Im Rahmen des Deradikalisierungsprogramms „Musik und Farbe hinter Gittern“ setzten sich Insassen mit der Frage auseinander: Wie werden sich Menschen nach dem Tod an dich erinnern? Es entstanden finstere Aufnahmen, ein harscher Kontrast zu den fröhlich-bunten Büchern in den Regalen. Ebenfalls gezeigt wird ein Foto-Projekt Ralf Menzels von 2015/2016, Selbstsicht-Fremdsicht. Dafür stellten Inhaftierte ikonische Gemälde der klassischen Kunst nach, beispielsweise Da Vincis „Das letzte Abendmahl“ und Goyas „Die Erschießung der Aufständischen“. Das Ergebnis ist ebenso verstörend wie sehenswert.

Doch so spannend die Arbeiten sind, so schwer ist es, etwas über die Ausstellung zu erfahren. Nicht einmal die Bibliothek selbst hat sie in ihrem Veranstaltungskalender gelistet. Kaum eine Zeitung berichtet darüber. Wer neugierig ist, muss sich also selbst einen Eindruck verschaffen!

„Was bleibt“ ist noch bis Ende November in der städtischen Bibliothek Neustadt, Königsbrücker Straße 26, Dresden zu sehen.

 

Jasper Backer

 

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Kunst im Gefängnis e.V.

ist ein Verein, der künstlerische und kunsttherapeutische Projekte v.a. in sächsischen Gefängnissen fördern und sichtbar machen möchte. Aus behandlerischer Sicht gibt es im Justizvollzug einen schier unbewältigbaren Bedarf an Auseinandersetzung:

Über Sucht, über Traumabewältigung, über Einsamkeit und Trauer, über psychische und soziale Probleme und darüber wie sich diese bewältigen lassen. Es geht aber auch um Strategien einer Gesellschaft, mit ehemaligen Inhaftierten umzugehen: Wohin mit denjenigen, denen immer wieder gezeigt wird, dass sie keiner haben will? Für die es scheinbar keinen Platz gibt? Justizvollzug ist ein Ort an dem das Scheitern ein Gesicht hat. Er sollte aber auch ein Ort für einen Neuanfang sein und wir alle sollten ein Interesse daran haben, dass dieser Neuanfang gelingen kann. „Wir sehen Kunst, Musik, Theater als ein wunderbares Medium, über welches wir miteinander kommunizieren können und über welches wir erleben können, dass es für die Hoffnung auf ein gelingendes Leben niemals zu spät ist.“

 

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