Zukunftsgestaltung im Einklang

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Für ein frisches Hoyerswerda: Familienregion und Wirtschaftsförderung arbeiten doppelt gemeinsam am Wandel

„Wir lieben Ideen“ lautet der Werbeclaim der Stadt, groß hinter dem alten Rathaus an die Wand gepinnt. Hoyerswerda genießt in Sachsens Hauptstadt einen guten Ruf und steht für gelungenen Stadtumbau, dem deklarierten Cluster „schrumpfende Stadt“ zum Trotz. HoyWoy genießt im Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien eine gewisse Sonderstellung, die Kulturfabrik ist als einer von vier Ankern der Sozialkultur ein Leuchtturm, der mit Anspruch und Wirkung in regionaler Breite überzeugt. Hoyerswerda liegt mitten im Lausitzer Seenland, einem Bade- und Radlerparadies, während am Horizont noch drei Kraftwerke dampfen, die einen Wandel nötig und möglich machen. 

Mit Konrad Zuse, Franziska Linkerhand und Gerhard Gundermann gibt es zudem moderne Heldenfiguren – und mit Krabat einen sagenhaften Schutzgeist. Nun schwappt sogar Hoyerswerdas Vision vom Zuse-Campus nach Dresden, dessen TU-Fakultät in Sachen Informatik in der ersten Euroliga verortet werden kann. Auch das hängt an Vermittlung, Vernetzung und Logistik, dem Wandel eben. So treffen wir zwei junge Zukunftsgestalter, ganz frisch in Amt wie Würden. Unten, im alten Ratssaal aus Zeiten, als Mitbestimmung auf wenige Ratsherren beschränkt war, erzählen beide über ihre erste Begegnung.

Wärmewende und Arbeitswandel

„Gamechanger gesucht“ stand in der Ausschreibung des neuen Marketingvereins „Familienregion HOY“, die Madeleine Matschke gewann. Als Leiterin Stadtmarketing macht sie seither ordentlich Wirbel im Sinne der Vereinsgründung. Mit gezielten Schachzügen rund um eine integrierte Kommunikation greift die PR-Frau ambitioniert ins Spielgeschehen ein. Gemeinsam mit Citymanagement und Wirtschaftsförderung der Stadt Hoyerswerda wollen sie den „vermeintlichen Schrumpfungsprozess der Stadt siegreich vereiteln.“

Es gilt, erstens das Leben hier als lebenswert anzupreisen, zweitens die Jugend als künftige Fachkräfte auszubilden und hier zu halten, drittens Gründer zu motivieren. Ein familienfreundliches Image soll Rückkehrer ebenso von Hoyerswerda begeistern wie Fachleute. Mit Vorteilen wie preiswertem Wohnen, einem hohen Freizeitwert und Raum für Ideen sollte dies gelingen.

Die zweifache Mutter ist Weißwasseranerin, Jahrgang 1983. Madeleine Matschke kehrte 2012 mit Mann und Kind zurück, um die energetische Heimat voranzubringen. Alexander Kühne begegnete sie im neuen Job noch im Lausitzer Technologiezentrum (Lautech) – dem vorherigen Arbeitgeber von Kühne. Dieser ist Original-HoyWoyer, Jahrgang 1985 („WK 8 – der kinderreichste Block“), studierte in Bautzen an der Berufsakademie und mittlerweile auch Vater. Seit April leitet er die Stabsstelle Wirtschaftsförderung – und leistete erst einmal Krisenbewältigung. Er ist direkt beim Oberbürgermeister angestellt, sein Arbeitsgebiet teilt sich in sechs Kernbereiche und 20 Projekte.

Erreichbarkeit als A und O  

Fast alle hängen mit dem Strukturwandel zusammen – und sind erst seit Sommer mit dem „Strukturstärkungsgesetz“ in trockenen Tüchern. Über viele muss er noch schweigen, zwei sind durchaus spruchreif: Das Projekt „Kommunale Wärmewende“ behandelt die Versorgung der Stadt Hoyerswerda nach dem Aus von Schwarze Pumpe als Kraftwerk. Von dort kommen Strom, Fernwärme und das Trinkwasser. „Das ist wichtig, sonst wird es hier dunkel, trocken und kalt“, meint Kühne und denkt an grünen Wasserstoff und Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut. 

Das andere ist ein Zentrum Bauen und Wohnen für künftiges, modulares Bauen – mit neuen Verbundstoffen statt Beton oder Holz auf Grundlage von Klärschlamm. Dies sei geplant mit einem Netzwerk aus Forschung und Firmen – und stehe ab 2021 mit rund 20 Partnern in den Startlöchern. Für beide Projekte werden acht bis zehn Jahre bis zur Reifeprüfung vergehen, mehrere hundert Arbeitsplätze sollen aber durchaus entstehen.

Ganz wichtig ist die Anbindung in alle vier Richtungen, nachdem zumindest die Bahnstrecke von Breslau nach Leipzig zweigleisig und elektrifiziert daher und hier vorbeikommt. Die schnelle Schienenanbindung über Kamenz nach Dresden und die Straßenquerverbindung von Weißwasser bis Leipzig samt Anbindung Ruhland an die A13, sind die nächsten Logistikprojekte für die Region. Auch die B96 und die B97 nach Bautzen und Dresden bedürfen eines Ausbaus. Kühne begründet das alles nicht aus Sicht des Lokalpatrioten: „Wir sind die Kernregion im Strukturwandel, wir müssen die Region von Schwarzheide und Senftenberg über HoyWoy und Spremberg bis Weißwasser zusammen denken.“

Ideenliebe und Jugendkraft

Beide eint das Schwärmen für ihre Stadt und die Hoffnung auf eine gute Zukunft, die sie als Eltern gern in Familie erleben. Dabei verweisen sie jeweils auf ihre glückliche Kindheit in der Platte. Und die lebhafte Schilderung des künftigen Zuse-Campus am Scheibesee, kürzlich von Madeleine Matschke im MDR-Fernsehen gepriesen. Leben und Lernen von zig Studenten – mit nächtlichem Shuttlebus in die City: HoyWoy als echte Unistadt – derzeit noch Vision, doch die Entwicklung hier im Ex-DDR-Industrieherz – mit Akkuwerken, Wasserstoff und anderen Energiespeichern im Gespräch, bedarf sehr wohl Künstlicher Intelligenz. Es gibt dahin zwei Wege, so Kühne: Hard- oder Soft-Opening. Er plädiert für den schnelleren, dafür mählichen Aufbau. 

Reine Ideenliebe bringt noch nichts. Sie müssen auch umgesetzt werden. Aber durch wen, wenn nicht durch junge, familiär verwurzelte Leute, die ihre Herkunft nicht verleugnen? Beide vermitteln mit Verve, Humor und Authentizität die Vorzüge von Stadt und Region – jenseits der Strukturmillionen: die Landschaft, die Seen, die Stadt. Und sie vernetzen: Gemeinsam wuppten sie den Auftakt der Event-Serie „Idee sucht Gründer“. Der Verein lädt ein, der Wirtschaftsförderer moderiert – und Kühnes Ex-Chefin, Lautech-Geschäftsführerin Kathrin Schlesinger, berät die Leute in Sachen Unternehmungsgründung. Die Fortsetzung wartet für Rückkehrer wie Gründer: am 13. November 2020 (19 Uhr). 

Andreas Herrmann

 

Netzinfos:

www.hoyerswerda.de/wirtschaft/
www.familienregion-hoy.de

 

 

 

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