Trittfest – Teil 7: von Istanbul nach Kappadokien mit dem Fahrrad

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Uiuiui wo sollen wir da nur anfangen – seit unserem letzten Bericht ist schon wieder so viel passiert. Mittlerweile befinden wir uns in dem schönen, aber sehr touristischem, Göreme in Kappadokien. 12 Tage haben wir gebraucht um hierher zu kommen. Zusammengefasst war es eine attraktionsreiche, stressige aber schöne Strecke, doch lest selbst.

 

Angefangen hat alles bei der Ausfahrt aus Istanbul. Wobei wir es uns hier leicht gemacht hatten und einfach mit der Marmaray bis nach Gebze fuhren, um uns den Großstadtverkehr zu ersparen. Leider hatten wir da das Wetter nicht ganz auf unserer Seite gehabt, weshalb wir uns gegen unseren vorherigen Plan – am schwarzen Meer entlang zu fahren – entschieden. So fuhren wir die ersten drei Tage nach Istanbul mehr oder weniger im Regen auf dem direkten Wege nach Kappadokien und durchquerten kleinere und größere Städte. 

Ein Ort, der uns dabei besonders im Gedächtnis bleiben wird und den wir gern noch einmal in Ruhe erkunden wollen, ist Sapanca. Neben der Tatsache, dass uns die Gegend und der Sapanca Gölü (Gölü=See) sehr gut gefallen hat, gab es noch eine Begegnung, die dazu beigetragen hat, dass wir uns hier so wohl gefühlt haben. Wir hatten an dem Tag schon vor dem Mittagessen über 60 km geschafft und wollten uns eben eine Pause gönnen (ich war schon etwas unruhig und wollte einfach nur etwas im Magen haben), da kreuzt er auf einmal auf: Omer – ein langer, schlanker Mann, der uns mir nichts, dir nichts zu sich ins Hotel einlädt. Darauf waren wir nicht vorbereitet und eigentlich hatten wir schon unser Essen aus den Taschen gekramt. Nach einer kurzen Abstimmung, entschieden wir uns dann aber dennoch dafür seinem Auto die 300 m hinterher zu fahren und sein Angebot anzunehmen. 

 

Unser Glück, denn ansonsten wäre uns ganz schön was entgangen, denn was wir da vorfanden, hat unsere Erwartungen weit überschritten. Als wir dreckig, schweißig und nicht schön anzusehen in das Tor seines Hotels einfuhren, fanden wir eine kleine Oase der Ruhe vor. Wir haben uns direkt wohlgefühlt, dabei hatten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal das Essen gesehen, was seine Köchin extra außerhalb der regulären Frühstückszeit für uns vorbereitete. 

Wir waren geflasht! Doch es wurde noch besser, denn als wir uns über den Wetterbericht der kommenden Tage informierten, schlug er uns kurzer Hand einfach vor, dass wir bei ihm übernachten dürfen. Wir wollten auch dieses Angebot erst wegen eines schlechten Gewissens ausschlagen, doch er versicherte uns mehrfach, dass es für ihn eine Freude wäre, wenn wir seine Gäste sind. So verbrachten wir die Nacht im Senler Butik Otel – dem schönsten Hotel unserer Reise bislang und kamen trocken durch die Nacht. 

 

Auch am nächsten Tag bot er uns an eine weitere Nacht in seinem Hotel zu verbringen, denn es schüttete weiterhin wie aus Eimern. Doch wir lehnten ab, denn wir waren mit einem Warmshowers-Host verabredet und wollten nicht unhöflich sein. Eine fragwürdige Entscheidung im Nachhinein, denn der Ort, den wir hätten erreichen wollen, war nicht der Selbe in dem wir an dem Abend ankamen – der Name war aber gleich. Klingt wie ein Fall für Sherlock, wenn ich mir das so durchlese. Ist es aber nicht. Wir hatten leider nicht die genaue Adresse unseres Hosts und so kam es, dass wir das falsche „Dedeler“ in unser Navigationssystem eingaben. 

 

Dass wir im falschen Dedeler waren, durften wir bereits bei der Einfahrt in das Dorf erfahren, denn niemand aus dem Dorf kannte unseren vermeintlichen Gastgeber. Doch der nichtvorhandene Schlafplatz wurde gar nicht erst zum Problem. Binnen Minuten fällte unser Retter Kaan die Entscheidung, uns zu sich nach Hause einzuladen und bot uns reichlich Essen und ein kleines Zimmer sowie eine warme Dusche an. Wow! Gerade waren wir noch durchnässt durch den Regen und frohren etwas mit dem Gedanken ans Zelt und schon fanden wir uns in einem warmen Wohnzimmer wieder. 

Außerdem durften wir fast seine gesamte Familie kennenlernen, beziehungsweise wurden direkt in die Familie aufgenommen und allen vorgestellt. 

Am Morgen durften wir dann noch das beste Frühstück mit ihnen zusammen einnehmen und ich verliebte mich direkt in die mit Melasse gefüllten Brötchen.

 

Was wir vermutlich aber nie lieben lernen werden sind die Höhenmeter – von denen wir aber an dem Tag einige abbekamen. Das blieb auch in den darauffolgenden Tagen der Fall, denn wir durchqueren mal wieder ein Gebirge – das Pontusgebirge. 

Als wir dann also dabei waren langsam aber sicher „Meter zu machen“, bekamen wir erneut unvorhersehbaren Besuch. Und zwar fuhr auf einmal unser vorher angesprochener Warmshowers-Host (aus dem anderen Dedeler) an uns heran und erkundigte sich dann doch nochmal nach unserem Wohlbefinden. Wir empfanden seinen Besuch als nicht besonders angenehm, da er uns nun zum zweiten Mal die 100%ige Schuld dafür gab, dass wir das „richtige“ Dedeler nicht erreicht haben. 

Was wir allerdings schnell erreichten, war ein Vegetationswechsel von grünen Landstrichen hin zur Steppe, der für uns spannend anzusehen war. Die ganze Spannung, Anstrengung und unvorhergesehenen Situationen entfachte dann aber in uns den Wunsch, mal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen. Hinzu kam die dreckige Wäsche sowie die Tatsache, dass Justins Reifen schon wieder einen Platten hatte. Beyparazi durchquerten wir so oder so, weshalb wir hier einen Zwischenstop einlegten. Bevor wir in dieser schon sehr alten Stadt, die besonders bekannt für ihr Mineralwasser und den Anbau von Möhren und Reis ist, dann endlich ankamen, mussten wir noch eine sehr lieb gemeinte Essens-Einladung ablehnen. Schade! Wir hätten das Angebot sehr gerne angenommen, aber wir mussten weiter, denn das Hotelzimmer war nicht stornierbar. 

Am Abend in Beyparazi gönnten wir uns dann endlich die langersehnte türkische Spezialität Gözleme (ein würzig gefülltes Fladenbrot aus Yufka-Teig) in 3 verschiedenen Sorten, die uns sehr mundeten. 

Gut gestärkt und mit der Aussicht auf das nächste Hotelzimmer im touristischem Kappadokien (was kann bei einem täglichen Ziel von 62 km schon schief gehen), kommen wir dann am Folgetag hervorragend voran. Unseren Vorsprung konnten wird allerdings nach der Mittagspause nicht weiter ausbauen, da ein bestimmter tierischer Besuch zu einer Trittfest-Mission wurde. Und zwar hatten wir es uns zur Aufgabe gemacht, einen am Ohr verletzten Hund, der uns an einer Wasserstelle zugelaufen ist, zu unterstützen. Dies taten wir erst in Form von Essen und infolgedessen versuchten wir dann auch den besagten Hund zu einem Tierarzt zu lotsen. Dies stellte sich allerdings als gar nicht so leicht dar, denn immer wieder wurde unser Hund von anderen Straßenhunden attackiert, während er sich kaum wehren konnte. Letztlich war unsere Mission aber erfolgreich und irgendwie brachten wir dann Tier und Tierarzt zusammen. Ein großer Erfolg für uns, welcher jedoch gefolgt wurde von der Angst, dass wir der Zeit wieder einmal nicht gerecht werden können.

Das Spiel mit der Zeit führten wir dann die nächsten Tage weiter fort. Mal kamen wir so schnell voran, dass wir den Rückschritt beinahe aufholten und dann kam doch wieder etwas dazwischen, wodurch wir unsere Route fast täglich anpassen mussten. 

Einmal war es die Schafsherde, die uns für knapp eine halbe Stunde den Weg blockierte und dann waren es doch die menschlichen Begegnungen, die uns entweder bereicherten oder das Leben etwas erschwerten.

 

Eine Begegnung die uns leider nicht positiv in Erinnerung geblieben ist, glich fast schon einer Verfolgungsjagd, die aber ursprünglich in dem Wunsch uns zu helfen gegründet wurde. Ali, ein Mann mittleren Alters, fuhr mit seinem Auto an uns vorbei, um uns anzuhalten und uns seine Hilfe anzubieten. Dabei drücken wir das noch recht harmlos aus, denn er bot sie uns nicht an, vielmehr zwängte er uns seine Hilfe auf und ließ nach mehreren Versuchen ihn abzuwimmeln auch nicht von uns ab. Eventuell war der Versuch von Justin seine Hilfsbereitschaft zu stillen, indem er ihm eine Frage zu unserem Weg stellte, der Auslöser für seine penetrante Wegweisung. Er versuchte nämlich 3 Stunden lang uns den Weg zu weisen, indem er mit dem Auto voraus fuhr und dann hinter dem nächsten Hügel oder in der nächsten Stadt auf uns wartete. Er konnte beziehungsweise wollte nicht verstehen, dass wir seine Hilfe nicht benötigten, da wir ja nach einem GPS-Navigationssystem fahren, dass uns sehr zuverlässig auf dem Weg begleitet. Er ging sogar soweit, dass er, nachdem er uns länger nicht mehr gesehen hatte, umdrehte, um nach uns zu sehen und das, obwohl wir ihm sogar in türkisch persönlich und am Telefon mitteilten, dass wir gern getrennte Wege gehen würden. 

Wir ergriffen die erste Chance der Flucht und verschwanden schnell über ein paar Berge auf der nächst größeren Straße im erhöhten Tempo und mit ständigem Blick in den Rückspiegel. Die nächste sieben Anrufe von ihm ignorierten wir gekonnt. 

Ein verrückter Tag! Sowas ist uns bislang noch nie passiert.

 

Es blieb aber weiterhin auch nicht langweilig, denn am nächsten Tag tangierten wir auf unserer Route den Tuz Gölü, einer der salzhaltigsten Seen der Welt und der gleichzeitig auch der zweitgrößte See der Türkei ist (wobei wir uns hier fragen wie das sein kann, denn viel Wasser haben wir nicht gesehen). Dennoch ist dieser See ein schönes Naturschauspiel, welches wir uns auf gar keinen Fall entgehen lassen wollten. So gaben wir auch vor der Kamera alles (ich meine wer kann schon von sich behaupten eine Brücke auf einem See gemacht zu haben).

Und auch unseren Reifen blieb anscheinend beim Anblick des Sees die Luft weg. 3 von 4 Reifen wollten mit 11! Löchern uns nicht mehr weiterfahren lassen und mussten geflickt werden. Zunächst ließen wir uns davon nicht einschüchtern, denn Reifen flicken kann ja Justin seit der Reise einwandfrei, aber als sich bei der Öffnung der Werkzeugtasche ein weiterer Verlust ankündigte, kippte die Stimmung schnell, denn ein für unser Fahrrad sehr wichtiges Öl war komplett ausgelaufen und überzog nun jeden anderen Gegenstand in der Tasche. Uns war bewusst, dass wir so schnell nicht da weg kommen würden. Eine Aufmunterung musste her – wir entschieden uns dazu in der nächsten Stadt im Hotel zu übernachten, dort wollten wir weitere Mängel beheben. 

 

Leider sind wir keine Fahrradmechaniker und mussten uns professionelle Hilfe suchen, wodurch wir weitere Zeit verloren. Mittlerweile standen wir im Zeitplan so dar, dass wir zusätzlich zu einigen Höhenmetern auch noch 160 km bis Kappadokien in knapp zwei Tagen meistern sollten. Das haben wir trotz des extremen Gegenwinds geschafft und erreichten Göreme und unser Hotel noch zu einer humanen Zeit. Und dass obwohl uns einmal ein LKW fast streifte oder ein anderes Mal ein großes Holzbrett, was vom Laster fiel, uns fast erschlagen hätte. Wir sind zwei Glückspilze, denken wir oft, doch einfach ist auch unser Weg nicht. Wäre ja auch langweilig. 

Wir sind gespannt von wo wir uns das nächste Mal bei euch melden, denn gerade planen wir unsere nächsten „Schritte“. Seid gespannt, es könnte Änderungen im Fahrplan geben.

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