Heiße Nacht am Kühlhaus Görlitz

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Walpurgiszauber klingt natürlich besser als Hexenfeuer. Dieses brennt – weil nur noch auserwählte Experten der Arbeiterklasse am 1. Mai, der diesmal montags ruft, früh zur Kampftagsdemo müssen –  am Abend zuvor. Die so genannte Walpurgisnacht  ist vom Brocken, dem alten Blocksberg,  überallhin geschwappt, am meisten in den Südosten der Republik. 

Das heiße Treiben gibt es nun auch schon seit 2010 am Kühlhaus Görlitz, einer der interessantesten Subkulturoasen der ganzen Oberlausitz. Denn seit 2008 werkeln dort die Enthusiasten um Heiko Mantel und Danilo Kuscher nebenberuflich, wobei die ersten fünf Jahre mit reiner Beräumung draufgingen. Dort wächst mählich ein nahezu unsubventionierter Kreativ- und Kulturtreff, wobei Arbeit und Freizeit Hand in Hand gehen und bei dem klar ist, dass niemals der gesamte Riesenwürfel im Stadtteil Weinhübel, direkt an der Bahnstrecke gelegen, wieder genutzt werden kann.
Die schicke Homepage der von der Bosch-Stiftung ausgezeichneten Neulandgewinner anno 2015 zeigt die Bausteine an, die auch kulturell fern jeden Mainstreams daherkommen: So Ende Juni die zweiten Görlitzer Urbansketchingtage. Oder am 31. März ein Konzert von Me and Oceans in der naheliegenden Sternwarte Görlitz (19.30 Uhr). Dies nennt sich „MIR – Briefe an Juri” und soll eine „Live-Hörspiel-Performance-Songwriting-Sensation“ werden.
Dazwischen wartet nun der siebte Jahrgang Hexenfeuer – jüngst mit 1.500 bis 2.000 Besuchern ein echter Stadthöhepunkt der unter 40-Jährigen – als erstmaliger „Walpurgiszauber“. „Bei uns werden keine Hexen auf einem Scheiterhaufen verbrannt“, erklärt Danilo Kuscher die Konzeptschärfung. „Wir feiern mit dem Feuer eher deren gemeinsames Vertreiben des Winters“, wobei die Kultur im Mittelpunkt steht. Er kündigt ein großes Familienfest an, dass bereits 17 Uhr mit einem Kinderfeuer beginnt und dann mit einem Gastspiel des Gerhart-Hauptmann-Theaters bereits den ersten Höhepunkt hat. „Eine Party für den Berggeist“ ist ein nagelneues mobiles Kinderstück rings um den Rübezahlgeburtstag – fast schon ein Musical mit Schauspielern und Liedern aus den drei Eckländern.
Kurz vor Neun geht dann eine Feuershow über in Feuer, um auf der Außenbühne die Konzerte der Bands Pool und Wedge mit Rockmusik bis Mitternacht zu illuminieren. Der Spaß kostet für Erwachsene ab 16 Jahren drei Euro Eintritt – inklusive aller Kultur und vor allem der Aftershowparty im Maschinenhaus, die ab 22 Uhr einen gediegenen Querbeet-Musikmix anbietet und fein elektronisch erst im Morgengrauen endet.

Hexenfeuer in der Oberlausitz

Angeblich brennen ringsherum noch Hunderte anderer Feuer in der sogenannten Walpurgisnacht. Und glaubt man der Deutschen Presseagentur, sind die Oberlausitzer darin führend. Die meisten treiben es allerdings anders als in Görlitz: Konservenmusik mit Bierwagen plus eine brennende Winterhexe aus Stroh. Ein bekannter Ort dafür ist Mengelsdorf bei Görlitz, wo der Jugendverein sogar eigens einen Galgen bastelt, dessen Schatten dank Größe des Brandes vom Oybin bis zu den Boxberger Kühltürmen zu sehen sein dürften.
Die größte Veranstaltung im Landkreis Bautzen wird der Gemeinda Göda, just 1011 Jahre alt, zugeschrieben, wo auch schon Schauspieler des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters Bautzen den knapp eintausend Dorfbewohnern geholfen haben, die Hexe zum „Scheiterhaufen“ zu tragen. Dort, rings um ursorbisches Kerngebiet, ist es immer noch Jungmännerbrauch, Maibäume aufzustellen (und anderen zu stiebitzen) sowie das Tanz- neben dem Standbein zu schwingen – so zum Beispiel in Baschütz, Doberschau und Kubschütz.
Vielleicht schafft es ja die zuständige Marketinggesellschaft Oberlausitz dieses Jahr erstmalig, all diese Termine in ihrem Kulturraum zu sammeln, um sie als Tourismusfaktor zumindest als Übersicht zu veröffentlichen. Die Chancen dazu stehen allerdings derzeit schlecht: Die jüngste aktuelle Kulturnachricht auf deren Netzpräsenz stammt bei Redaktionsschluss vom 17. Juno 2016.

Andreas Herrmann
Foto: Die heißeste Neißenacht ist jene vorm ersten Mai am Kühlhaus Görlitz. Die siebte heißt nun erstmals  „Walpurgiszauber“ und hat Rübezahl und Wedge zu Gast. © Kühlhaus Görlitz / Jörg Gläscher

Netzinfos
www.kuehlhaus-goerlitz.de
www.oberlausitz.com

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Ein Kommentar

  1. Leider hat der Berggeist für dieses Jahr abgesagt.
    Allerdings wird eine polnische Kindertanzgruppe zur Darbietung kommen und das wohl kleinste Kino der Welt seine Pforten am Kühlhaus öffnen. Ein umgebauter Wohnwagen lädt Groß und Klein zu Kurzfilmen ein, um die Walpurgisnacht noch zauberhafter werden zu lassen.

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