Trittfest – Teil 10: von Nord- nach Südzypern mit dem Fahrrad

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Auf der linken Straßenseite fahren wir zwar immer noch, doch ansonsten hat sich wieder einiges verändert – zum Beispiel bezahlen wir wieder mit dem Euro, verständigen uns in Englisch und treffen hier wieder viel mehr deutsche Touristen.

Ansonsten können wir in dem Beitrag zum Beispiel von einer sehr speziellen Begegnung – mit einem Naturisten, einer Strandsäuberungsaktion, einer Geisterstadt und einem unverhofft einfachen Grenzübergang berichten. Und jetzt in der langen Version:

Der goldene Strand

Beim Golden Beach hatten wir es uns gemütlich gemacht und sind gleich zwei Nächte geblieben – das hat sich sehr gelohnt! So einen schönen hotelfreien und menschenleeren Sandstrand bekommt man selten zu Gesicht und dann auch noch in der Verbindung mit einem unfassbar schönen Sternenhimmel. Zweites rührt daher, da dieser Teil der Insel sehr knapp besiedelt ist und die Natur immer noch weitestgehend unberührt. Somit bekommen wir Sternenbilder und -Konstellationen geboten, von denen man in Berlin nur träumen kann.

Bier trinken kann man natürlich trotzdem – unweit vom Strand entfernt, gibt es zwei Campingplätze und wenige Restaurants. Das nutzen wir natürlich und genehmigen uns ein bis zwei kühle Getränke und behalten dabei immer die Brandwunden im Blick. Diese brauchen immer noch eine Versorgung. Um diese sicherstellen zu können, planen wir unsere nächste Strecke hinzu einer Eczane/Apotheke und füllen den Medikamentenbeutel wieder auf. Mit wenigen Kilometern im Gepäck nähern wir uns dann allmählich wieder einem touristisch geprägterem Gebiet. 

Geschichtsstunde in der Ausgrabungsstätte

Da entschieden wir, es wird mal wieder Zeit für eine Begegnung und aktivierten dafür die besagten Plattformen, um uns mit Einheimischen und/oder anderen Reisenden zu treffen. Diesmal nehmen wir über die kostenlose Plattform Couchers mit Wolfgang, einem Österreicher, der sich auf Zypern niedergelassen hat, Kontakt auf. 

Wenig später stand ein Termin fest und er führte uns durch die Ausgrabungsstätte Salamis und konnte uns sogar noch einiges zu dessen Geschichte erzählen. Neben den Ruinen von altertümlichen Villen, einer ehemaligen Therme, die daran schuld ist, dass der Baumbestand von Zypern sehr ausgedünnt wurde (der lokale Baumbestand wurde verheizt), konnte man auch eine ehemalige Sportstätte und eine Gebetsstätte begehen. Allerdings wurde viel Raum für Interpretationen gelassen, da eine Beschilderung, wie sie vermutlich in Deutschland stattgefunden hätte, nicht vorhanden war.

Der Naturist

Worauf Wolfgang zum gemeinsamen Picknick dann unbedingt verzichten wollte, war seine Kleidung, denn als Naturist fühlte er sich spürbar wohler ohne den Ballast des Stoffes, den er vorher an sich trug. Für uns war das zwar ungewöhnlich, doch für ihn schien es eine Art Eisbrecher zu sein. Nachdem er sich nämlich seiner Kleidung entledigte, schien er auch interessierter und wir waren nun nicht mehr allein für die Struktur des Gesprächs verantwortlich.

So gab er uns im Naturistenoutfit den Tipp, dass sich unweit von uns regelmäßig eine kleine gemischte Gruppe von Freiwilligen trifft, um die Strände und Picknickplätze aufzuräumen und vom Müll zu befreien. Zu oft haben wir den Müll an den Küsten auf unserer bisherigen Reise mit Sorge betrachtet und zu klein waren unsere Müllbeutel gewesen, weshalb wir diese Chance ergreifen.

Morgens am Treffpunkt angekommen, bekam jeder ganz unkompliziert einfach eine Mülltüte in die Hände gedrückt und versuchte diese innerhalb einer Stunde mit dem Müll, der dort lag, zu füllen. Abschließend kamen dann alle nochmal zum gemeinsamen Tee und ein bisschen Gebäck zusammen – eine wertvolle Tradition, die sie hoffentlich lange weiter so durchführen. 

 

Gänsehaut in der Geisterstadt

Uns führte es an dem Tag dann auch noch in die Geisterstadt Varosha, die bis in die 70er Jahre, die Hauptanlaufstätte für Touristen war, dann aber mit der türkischen Invasion leer geräumt wurde und seither vom Militär besetzt ist. Heutzutage gilt sie als kostenloses Freilichtmuseum und Gedenkstätte. Justin und ich haben diese „Attraktion“ ganz unterschiedlich wahrgenommen. So war es für Justin eine interessante Sache durch die leeren Straßen zu fahren, da es im Gegensatz zur Ausgrabungsstätte Salamis moderne Geschichte zum Anfassen war. Gleichzeitig gab eesin diesem bizarren Bezirk viele Fotomotive. Währenddessen war der Anblick für mich primär erschreckend und „gänsehauterzeugend“.

 

Heaven Surfhouse

Erfreulich hingegen war der darauffolgende Tag, an dem wir an einem Stück fast die gesamte Insel durchquert und damit endlich wieder einmal mehr Kilometer unter die Reifen gebracht hatten. Motiviert hat uns dabei die Aussicht auf eine Dusche auf dem Campingplatz Heaven Surfhouse (auch wenn es eine kalte Dusche war). Hier befindet sich, wie es am Namen schon zu hören ist, auch eine kleine Kite-Surfschule. Der Inhaber und seine Freundin sind diesbezüglich sehr bewandert und wir hatten dann am vorletzten Tag unseres Aufenthaltes auch die Möglichkeit, ihnen beim Wellenreiten zuzusehen. Wir haben auch an einem Tag auf dem Wasser gestanden, aber erstmal nur in Form von Stand-Up-Paddling. Das hat uns tatsächlich auch erstmal gereicht, denn es erfordert viel Übung und Balance bei den Wellen des Meeres nicht vom Board zu fallen.

 

Ich bin ebenfalls froh, dass Justin nach dem fiesen Biss einer herumstreunenden Katze nicht umgefallen ist und gewisse Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, um eben das zu verhindern. Den Angreifer haben wir die gesamte restliche Zeit jedenfalls aus der Küche verbannt, obwohl wir ihn anfangs öfters „unsere Katze – Alfredo“ nannten. 

 

Wie der Iran doch noch zu einem Teil unserer Reise wird

Eine weitere sehr schöne Begegnung hatten wir auf dem Campingplatz mit einem Studentenpaar aus dem Iran, die uns ihre Universität in Lefke zeigten und uns schließlich auch zu sich nach Hause zum Essen einluden. Neben dem Essen wurden hier definitiv auch unsere Pläne den Iran zu bereisen aufgewärmt. Wir waren begeistert vom Elan und Enthusiasmus, wie sie ihr Land vorstellten und hatten bis in die späten Abendstunden angeregte Unterhaltungen über unsere Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Den beiden angehenden Zahnärzten wünschen wir nur das Beste.

 

Für uns war es das Beste unseren 100. Tag der Weltreise noch auf dem Campingplatz zu verbringen, da sich ein Unwetter anbahnte. So verlängerten wir unseren Aufenthalt, bevor wir uns dann am nächsten Tag die Grenzüberfahrt nach Südzypern bzw. in die Republik Zypern vornahmen.

 

Die Grenzüberquerung war dann, ganz anders als gedacht, ein Klacks und die Beamten waren extrem gut gelaunt und tiefenentspannt. Bei uns war das nicht ganz der Fall, da noch ein kleiner Anstieg auf uns wartete. Dafür mussten wir uns allerdings weniger Gedanken um unsere Wasserversorgung machen, da die Südseite alle Vorkommnisse auf der Insel für sich beansprucht. 

Mythen und Märchen

Mit viel Zeit im Gepäck fuhren wir in den ersten Tagen nach Grenzübergang alles an, was nach Touristenattraktion aussah und bei drei nicht auf dem Baum war.

Wir starteten nach einem längeren Abschnitt an der Küste im Akamas Nationalpark kurz hinter Polis und besuchten die Bäder der Aphrodite. Hier, so sagt es die Legende, haben sich die Blicke der Göttin der Liebe und dem Gott der Schönheit Adonis das erste Mal getroffen. Justin nahm diesen Besuch zum Anlass mehr über die griechische Mythologie zu erfahren, die durch recht viel Gewalt, Rache und Inzest gekennzeichnet ist.

 

Nach ein paar Kilometern und vielen Höhenmetern später fanden wir uns dann in einer Marslandschaft, wie sie uns auch schon von der Halbinsel Karpaz bekannt war, wieder und wanderten in einen echt schönen Canyon hinein. Dieser war zum Teil künstlich als auch natürlich mit Wasser benetzt und zeigte wunderschöne Felsformationen, die uns in eine mystische märchenhafte Welt entführten. Wir entdeckten über unseren Köpfen auch einen großen Stein eingeklemmt zwischen den Felsspalten, der Justin sehr an die verfilmte Geschichte „127 Hours“ erinnerte. Nach einem Kletterunfall/Steinfall findet sich der Bergsteiger nämlich genau zwischen eben solch einem Stein und einer Felswand eingeklemmt wieder. Ohne Aussicht auf Hilfe griff er hier zu drastischen Maßnahmen und amputierte sich den eingeklemmten Arm selbst.

Gleichzeitig mussten wir aber immer mit den Gedanken in der Realität bleiben, da unsere Fahrräder, zwar angeschlossen, aber vollgepackt mit unseren Sachen, versteckt in den Büschen auf uns warteten, um mit uns in den Sonnenuntergang zu fahren.

 

Starker Sturm

Den Abend campierten wir dann direkt an der Küste vor Pegeia und begutachteten das 2011 in Havarie geratene Schiff „Edro III“. Einst als Frachtschiff im Norden Europas unterwegs,  dient es jetzt als beliebtes Fotomotiv, da eine Bergung wirtschaftlichen Kriterien nicht standhält.

Wie stark der Sturm gewesen sein musste, konnten wir in den darauffolgenden Tagen erahnen, denn der Himmel zog sich auch bei uns wieder einmal zu, der Wind rüttelte an den Palmen vor unserem Hotel und die Wellen klatschten mit viel Energie gegen die Steinküste von Paphos.

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