Das große Interview mit Andrea Stewig-Nitschke

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Wir sind ein Player in der Region
Interview mit Andrea Stewig-Nitschke, Pflegedirektorin des Carl-Thiem-Klinikums

Mit knapp 1.200 Betten und rund 2.300 Mitarbeitern und Auszubildenden ist die Carl-Thiem-Klinikum gGmbH der größte Arbeitgeber in Cottbus und gehört zu den größten und leistungsfähigsten Krankenhäusern in Deutschland. Andrea Stewig-Nitschke ist Pflegedirektorin des  Carl-Thiem-Klinikums und gehört neben Geschäftsführer Dr. med. Götz Brodermann und Verwaltungsdirektor Karsten Bepler zur Klinikumsleitung. Das Carl-Thiem-Klinikum war ihr erster Arbeitgeber und ist es bis heute geblieben. Cottbus, sagt sie, sei ihre Heimat. Das ist in ihrem Leben gleich geblieben. Das Klinikum dagegen ist einer ständigen Veränderung unterworfen. Inzwischen arbeiten Menschen aus über 30 Nationen am größten Krankenhaus in Südbrandenburg, zu dem die Patienten bis aus Bayern strömen.

Frau Stewig-Nitschke, wie sind Sie in die Lausitz gekommen?
Ich bin hier in Cottbus geboren, bin hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe hier den Beruf der Krankenschwester gelernt und arbeite am Carl-Thiem-Klinikum schon viele Jahre.

Warum sind Sie hier geblieben und haben nicht, wie manch anderer, Ihr Glück in der Ferne gesucht?
Cottbus ist meine Heimat. Es ist eine Stadt und eine Gegend, die mir sehr gut gefällt, in der  ich verankert bin und die ganz vielfältig ist – mit vielen Facetten. Gerade auch mein Arbeitsbereich ist etwas, das ständig lebt und sich weiterentwickelt. Ich finde es schon beeindruckend, was alles passiert ist, wenn man sich nur die vergangenen 25 Jahre an diesem Klinikum mal anschaut.

Waren Sie die gesamte Zeit am Klinikum?
Ja. Ich habe nach meiner Ausbildung zur Krankenschwester hier 1987 begonnen – allerdings in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Seit drei Jahren bin ich Pflegedirektorin am Klinikum.

Wie wird man Pflegedirektorin?
Das ist eine gute Frage. Der Posten der Pflegedirektorin ist ein sehr verantwortungsvoller Bereich. Hier am Klinikum gibt es mehr als 1.000 Mitarbeiter, die dahinterstehen – im Pflegedienst, im Funktionsdienst und in verschiedenen anderen Bereichen. Sicherlich gibt es ganz unterschiedliche Wege, um Pflegedirektorin zu werden. Meiner war einer, der sich über einen langen Erfahrungsweg entwickelt hat. Ich war zwar in diesem Haus viele Jahre tätig, aber immer in unterschiedlichen Bereichen und in unterschiedlichen Verantwortungen. Ich war Stationsleiterin, Bereichsleiterin, habe mich mit dem Thema Bildung beschäftigt, später mit dem Bereich Ambulanzen, Notfallversorgung und sektorübergreifender Versorgung. Neben meiner hauptberuflichen Tätigkeit habe ich fünf Jahre lang, von 2005 bis 2010, noch einmal studiert. Im ersten Studiengang habe ich Sozialmanagement in Berlin und im Masterstudiengang Management in Münster studiert. Durch dieses Studium sind mir ein paar Blickwinkel eröffnet worden, die ich bis dahin nicht hatte. Unter anderem auch, was ich an diesem Haus hier habe.

Ihr Arbeitsfeld ist breit gefächert. Was ist für Sie das Wichtigste an Ihrem Job?
Es sind einige Dinge wichtig. Unter Anderem muss sich in dieser Position immer verdeutlichen, dass man in diesem großen Unternehmen ein Team hat und ist. Gerade bei der Arbeit am und mit Menschen ist die Zusammenarbeit extrem erforderlich, um die unterschiedlichen Themen zu bewältigen. Die Organisationsspitze, auch bei uns im Hause, hat immer ihr Fundament bei den Mitarbeitern des Klinikums.

Das CTK ist eine gemeinnützige GmbH in kommunaler Trägerschaft, sie gehört also der Stadt Cottbus. Was muss das CTK dafür leisten?
Das CTK hat einen Versorgungsauftrag als Gesundheitsunternehmen. Im Rahmen dieses Versorgungsauftrages sind wir ein schwerpunktversorgendes Klinikum und bedienen vielfältigste Bereiche in der medizinischen Versorgung. Wir sind ein Player in der Region. Das sehe ich sehr deutlich so. Es gibt andere Krankenhäuser in der Region, die auch die Versorgung mit uns sichern. Unser Klinikum bietet aber eine gewisse Bandbreite und damit auch eine besondere Stabilität in der medizinischen Leistung. Das hilft den Menschen in der Region. Wir sind ein akut versorgendes Haus und haben ambulante Versorger, Pflegeheime, Hauskrankenpflegen an unserer Seite, die in den Netzwerken mit uns gemeinsam arbeiten. Das Carl-Thiem-Klinikum, auch im Gedenken an Carl Thiem, um einmal den Bogen zu unserem Namensgeber zu spannen, hat auch die Aufgabe, die Versorgung hier zu sichern und für die Region da zu sein. Und das vertrete ich, auch aus dem Blickwinkel unserer Geschichte heraus.

Bis wohin geht für Sie die Region, von der Sie sprechen?
Ich möchte das gar nicht so fest machen. Gerade in der beschriebenen Spezialität in der Patientenversorgung geht sie auch manchmal über die Stadt- und Spree-Neiße-Grenzen hinaus, nach Südbrandenburg und Nordsachsen. Aber es ist auch so, dass sich heutzutage die Patienten umfassend informieren – über klinikbewertungen.de zum Beispiel – oder sich in der Familie, bei Bekannten und Freunden umhören. Da kam dann zum Beispiel auch mal eine Patientin, die aus Bayern unbedingt zu uns wollte, weil es ihr empfohlen wurde. Sie war dann auch sehr zufrieden. Man kann es schwer eingrenzen.

Das CTK hat im vergangenen Jahr einen Überschuss von 6,2 Millionen Euro erwirtschaftet, die unter anderem in eine neue Großküche und einen Betriebskindergarten investiert werden sollen. Warum muss ein Krankenhaus wie das Ihre Überschüsse erwirtschaften?
Die Finanzierung im Gesundheitssystem hat sich verändert. Sie erfolgt zum einen über medizinische Fallpauschalen für jeden Patienten. Damit werden zum Beispiel Personalkosten oder Arbeitsmaterialien finanziert. Notwendige Investitionen sollen separat über die Länder finanziert werden, das deckt aber unseren Bedarf nicht ab. Das heißt: Das Haus muss Gewinn machen, um die Entwicklung weiter mittragen zu können. Ob das jetzt bauliche oder medizintechnische Entwicklungen sind oder auch tarifliche Steigerungen – wir müssen Geld erwirtschaften. Im CTK steht Medizintechnik im Wert von 45 Millionen Euro, wir haben einen Investitionsbedarf von  15 bis 20 Millionen Euro pro Jahr. Wir bekommen vom Land etwa 4,8 Millionen Euro. Das ist eine gewaltige Lücke, die wir irgendwie schließen müssen.

Vor kurzem wurde der Eingangsbereich des CTK umgestaltet. Wir erinnern uns an die rege Diskussion, die dazu geführt wurde. Hat sich diese Maßnahme als richtig erwiesen?
Ja, die Maßnahme hat sich als richtig erwiesen. Wir hatten davor zwei Haupteingänge, jetzt nur noch einen. An dieser einen Anlaufstelle wurden Bushaltestelle, Parkhaus und der Eingangsbereich mit der CTK-Poliklinik zusammengeführt, sodass unsere Patienten und Besucher den Weg gut finden, aber nun auch ins Haus hinein kürzere Wege haben. Der Haupteingang liegt zentral. Neben dem sehenswerten baulichen Aufwand, der dort betrieben wurde, ist nun hier auch die Zentrale Anmeldung angesiedelt, davon hatten wir auch zwei. Das ist nun ein Bereich geworden. Es gibt einen Empfang mit zentralen Ansprechpartnern, die den Patienten und Begleitpersonen Fragen beantworten und mal den Weg weisen können. Auch für das leibliche Wohl ist hier gesorgt. Das Café Dreißig, das hier integriert ist, wird sehr gut angenommen.

Das CTK ist das größte Krankenhaus im Süden Brandenburgs und der größte Arbeitgeber in Cottbus. Dennoch war jüngst zu lesen und hören, dass eine Personalnot im Krankenhaus herrsche, die die Patientenversorgung gefährde. Ist das so? Wie sehen Sie das?
Wichtig ist in dieser Hinsicht zu wissen, dass sich der sogenannte Patientenflow in seiner Geschwindigkeit verändert hat. Hat vor einiger Zeit ein Patient noch sieben Tage von der Diagnose bis zur Entlassung im Krankenhaus gelegen, hat sich das nun vielleicht auf drei Tage verringert. Um es deutlicher zu sagen: In der selben Zeit belegen nun zwei Patienten ein Bett. Auch der Schweregrad der Erkrankungen hat sich verändert. Menschen werden heute älter – das ist gut so. Es gibt Menschen, die bei guter Gesundheit sind, aber auch viele, die komplexe Mehrfacherkrankungen haben. Damit haben sich die Anforderungen und unser Aufwand im Prozess für die Patienten erhöht. Die bestehenden Förderprogramme haben wir bereits umgesetzt. Für mich als Pflegedirektorin ist es auch immer wieder ein Thema, die Vielfältigkeit der Pflege im Krankenhaus aufzuzeigen. Wir haben hier so viele unterschiedliche Bereiche, Ambulanzen, Normalpflege, Kinderkrankenpflege, den Highcare-Bereich mit der IMC, der Intensivstation und der Zentralen Notaufnahme. Neben dem OP und der Anästhesie gibt es noch Funktionsdienste. Die Akutversorgung dreht sich neben dem Pflege-Versorgungs-Prozess auch ganz viel um Organisation. Hier sind wir regelmäßig dabei unsere Abläufe zu verbessern. Wir haben hier am Klinikum Pflegende mit einem sehr hohen Fachbezug und breitem Erfahrungswissen. Am Klinikum angesiedelt ist die größte medizinische Schule im Land Brandenburg und wir sind da in der glücklichen Lage, junge Leute in der Region und für die Region auszubilden. In diesem Ausbildungsjahr wurden die Klassen verstärkt und die Ausbildung erweitert, um damit auch perspektivisch das nötige Fachpersonal zu sichern.

Sie sind zum zweiten Mal bei der am 2. und 3. März stattfindenden Cottbuser Pflegemesse als Premiumpartner dabei. Warum ist die Messe für das CTK so wichtig?
Das CTK und die Mitarbeiter sehen sich hier als Partner der Initiatoren und Veranstalter. Insbesondere für die Bürger der Stadt und die Menschen der Region ist auch hier unser Gesundheitscampus da. In der beschriebenen Bandbreite und in dem, was hier an Personal und Kompetenz vorhanden ist, sehen wir uns als jemand, der eine solche Messe sehr gut unterstützen kann. So etwas können wir aber nicht alleine machen, sondern eben mit vielfältigen Partnern. Da hat sich in Hinsicht auf die erste Pflegemesse schon wieder etwas getan. Wir werden mit mehr Ausstellern zu rechnen haben, die unter anderem auch aus der klinischen und ambulanten Versorgung kommen, aber auch aus der Krankenpflege. Wir sehen uns als Beteiligter der Pflegemesse, aber auch als großen fachlichen Partner für die Themen, um die es da geht. Wir wollen bestehende Netzwerke weiter ausbauen und haben deshalb gleichzeitig einen ersten Fachtag organisiert. Das Thema „Fachpersonal“ ist für uns darüber hinaus übrigens ein wichtiger Schwerpunkt auf der 2. Cottbuser Pflegemesse. Wir wollen uns Fachkräfte sichern, sie entwickeln und bei jungen Menschen für unseren Beruf Begeisterung entfachen.

Cottbus erfährt derzeit eine große mediale Aufmerksamkeit. Hat sich am CTK etwas für die hier arbeitenden ausländischen Ärzte oder Pflegekräfte verändert? Schlägt die gespaltene Stimmung in der Stadt auf das Miteinander im Krankenhaus durch?
Das kann ich so nicht bestätigen. Es ist aber in der Mitarbeiterschaft wie bei allen Bürgern ein Thema. Wir haben Mitarbeiter aus über 30 Nationen.  Für uns ist wesentlich, dass wir ausländische Mitarbeiter gut integrieren. Es gibt am Klinikum für den ärztlichen Bereich ein Integrationsprogramm mit Sprachförderung. Für die Pflege haben wir im Bereich der medizinischen Schule viele Auszubildende, die aus unterschiedlichen Ländern kommen und dafür seit längerer Zeit mehrere Modelle, wie wir unterstützen und fördern können. Perspektivisch ist es für die Region schon so, dass wir darauf achten müssen, dass wir die Ausbildungsstellen, die wir zur Verfügung haben, auch wirklich füllen. Da sind wir unterwegs, die vielfältigen und interessanten Berufe entsprechend darzustellen. Dahin gehend ist auch unsere Zusammenarbeit mit der BTU zu betrachten. Dort gibt es die bestehenden Studiengänge Pflegewissenschaft, Therapiewissenschaften und die Medizinpädagogik. Aber auch nach einer absolvierten Berufsausbildung ist es für unsere Mitarbeiter möglich, sich vielfältig weiterzuentwickeln.

Interview: Heiko Portale

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