das große interview – Robert Skuppin und Volker Wieprecht

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Unsere Jahre beim Friseur – Kurzgeschichten“

Viele Radiohörer, die sich aus dem Sendegebiet Berlin/Brandenburg entfernen, stellen schnell fest, wie besonders die Radiolandschaft hierzulande ist. Viel dazu beigetragen haben Robert Skuppin und Volker Wieprecht mit ihren legendären Moderationen in Sendungen auf radioeins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) und vorher bei Radio Fritz. Die Beiden haben Berliner und Brandenburger Partygängern „Die Schöne Party“ beschert und inzwischen auch vier Bücher.

Die Wege von Robert Skuppin und Volker Wieprecht haben sich im Sender getrennt. Robert wurde radioeins-Programmchef, Volker blieb Moderator.  Im vergangenen Jahr feierte radioeins seinen 20. Geburtstag. Hermann traf sich mit dem Duo und sprach über Freundschaft, Bücherschreiben, Reformen und die Pläne für das neue Jahr.

„Der Tag“ oder „Die schöne Woche“ moderiert ihr schon seit fast sechs Jahren nicht mehr gemeinsam. Wie geht es euch damit?
VW:
Ich verzehre mich jeden Tag nach Robert. Ich schmachte nach ihm. Aber er hat gesagt, eines Tages gibt es noch mal ein Revival.
RS: Ja, das stimmt.

Ich höre heraus, es geht euch gut?
VW:
Ja. Ich moderiere gerne, Robert ist gerne Chef.
RS: Genau. Aber ich denke gerne an die Zeit zurück und freue mich auch immer, wenn wir zusammen arbeiten. Ich könnte mir auch mehr vorstellen, aber dann würde ich mein Pensum als Chef nicht schaffen. Das ist der eigentliche Grund. Wir hätten beide Lust. Aber ich weiß einfach nicht, wie wir das umsetzen sollen.

Ihr wirkt nach außen als das kongeniale Duo, es scheint so, als könnte der Eine auch die Arbeit des Anderen machen…
RS:
…vielleicht würde er es ja sogar besser machen als ich…
VW: Ich glaube, Robert ist schon als der Spiritus Rektor des Programms wichtiger als ich. Ich bin so etwas wie der Flussbettausheber, er aber gibt die Richtung vor. Die Jobverteilung ist schon gut so. Er könnte sicherlich meinen Job gut machen. Ich aber nicht seinen. Ich würde es auch nicht so gerne machen.
RS: Volker ist alleine besser als ich es wäre. Aber ich weiß nicht, wie er als Chef wäre.

Wer nicht genug von euch bekommen kann, kann in inzwischen vier Büchern (Fast) alles über euch erfahren. Ist ein fünftes geplant – vielleicht mit dem Titel „With Or Without You“?
VW:
Nein, im Moment nicht.
RS: In der Tat nicht…
VW: … vielleicht eins mit dem Titel: „Unsere Jahre beim Friseur – Kurzgeschichten“…
RS: …super Idee. Aber es liegt nichts an, derzeit. So wie ich uns kenne, würde ich es aber auch nicht ausschließen, dass es auch da mal wieder etwas geben kann. Man kann es hier auch mal ganz offen gestehen: Es ist ja auch nicht so, dass wir von Buch zu Buch erfolgreicher wurden. „Das Lexikon der verschwundenen Dinge“ war das erfolgreichste, die anderen nicht so. Genau das hat uns dann aber auch in unserem Tatendrang gebremst. Schließlich wollen wir bei den Dingen, die wir machen, auch immer das Gefühl haben, dass es gut läuft. Die Frage, braucht die Welt ein weiteres Buch von uns, beantwortet sich dann auch recht schnell.
VW: Klar, wenn es natürlich eine Petition gibt aus dem Internet und Hunderttausende unterschreiben, dann würden wir uns wahrscheinlich nicht lumpen lassen. Obwohl: Mir würde es reichen, wenn ich Robert einen Gefallen tun könnte.

Gibt es Pläne, wieder gemeinsame Sendungen zu machen?
VW:
Wir machen ja gemeinsame Sendungen. Auch in diesem Jahr gibt es die „Krippenshow“ am 24. Dezember. Die hat es 19 Jahre lang gegeben, da können wir die im 20. Jahr von radioeins nicht ausfallen lassen. Obwohl wir auch gerne mal Weihnachten feiern würden.
RS: Die Frage zielte ja eigentlich woanders hin. Auch hier gilt: Man weiß es nicht. Es ist nichts Konkretes geplant. Es gibt dafür kein Konzept. Wir stellen aber immer wieder fest, wenn wir etwas zusammen machen, haben wir auch immer Spaß dabei. Und solange das funktioniert, ist es immer vorstellbar, dass es auch wieder mehr wird.

Wann und wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt? Könnt ihr euch noch daran erinnern?
VW:
Natürlich! Das haben wir doch in einem unserer Bücher beschrieben, im allerersten. Aber wie in vielen Dingen, die uns angehen, haben wir das völlig unterschiedlich erfahren. Robert hat mich zuerst als Nervensäge kennengelernt. Und ich habe ihn aber gar nicht gesehen, weil er so viel geraucht hat…

…habe ich eben „Nervensäge“ verstanden? Das kann ich mir gar nicht vorstellen…
VW:
…ja! Nervensäge! Ist heute Bundesheucheltag? Ich galt als dominant, eigenartig, verschroben, Makrobiot, radikaler Vegetarierer…
RS: …Neonlichtgegner…
VW: …genau. Neonlichtgegner und darüber hinaus auch…
RS: …verbal stark, aber als Moderator überschätzt…
VW: …ja, genau. In politischen Fragen vor allem nicht systemkonform.

…klingt schwer suizidal…
VW:
…eigentlich eher ausreichend, um einem Erschießungskommando vorgeführt zu werden. Ich habe mich eher nicht für suizidal gehalten. Robert dagegen habe ich immer in seiner putzmunteren Aufmerksamkeit wahnsinnig geschätzt. Es war also ein wahnsinniges Gefälle zwischen uns. Er hat mich verachtet und ich habe ihn aufgebaut. So war es glaube ich, oder?
RS: Es ist auch immer ein Unterschied, zu sagen, wann haben wir uns kennengelernt und wann waren wir befreundet.

Wir könnten auch gern noch mal auf die Frage zurückkommen, wann habt ihr euch kennengelernt?
RS:
Das geht bis in die Zeit von Radio 4U (Anm. d. Autors: Radio 4U war das Jugendradio des Sender Freies Berlin (SFB). Es ging am 30. April 1990 auf Sendung) zurück. Ich war Aufnahmeleiter, Volker Moderator. Wir konnten damals auch schon etwas miteinander anfangen, aber ich würde da noch nicht das Wort Freundschaft nennen. Zwischen uns herrschte eine große Kollegialität. So verschroben mir Volker auch damals vorkam und wie legendär er auch damals schon war – um das mal deutlich zu machen: Er war damals schon einer der starken Moderatoren von Radio 4U! – empfand ich ihn als einen total spannenden Menschen und Persönlichkeit. Er hat mich viel stärker geprägt, als ich mir…
VW: …gewünscht habe…
RS: …ja. Das kann man so sagen. Wenn ich da an die Ernährung denke und was ich da übernommen habe. Auch in der Abgrenzung in vielen Diskussionen und wie wir uns dennoch gegenseitig beeinflusst haben… Über die konkrete Zusammenarbeit und unsere Moderationen ist auch die Freundschaft entstanden. Bei Doppelmoderationen muss man an einem Punkt viel miteinander anfangen können, sonst wird das auch nichts. Eine rein professionelle Doppelmoderation gibt es, meiner Ansicht nach, nicht. Das heißt nicht, dass man automatisch gut befreundet sein muss. Aber so etwas funktioniert dann extrem gut, wenn eine wirkliche Nähe da ist. Und bei uns ist die sehr intensiv auch da gewesen. Das führt aber auch zu anderen Problemen, wie es sie in Beziehungen so gibt. Man leidet dann in Sendungen. Wenn die Freundschaft gerade schwere Schatten wirft, ist die Sendung dann genauso. Man sagt zum Beispiel: Ich sage da mal jetzt gar nichts dazu. Das kann der mal schön alleine machen.

Hoffentlich war in solchen Fällen dann auch das Mikro aus..?
VW:
Na ja. Manchmal war das dabei auch an. Wir haben keine Show gemacht. Wir haben immer Eins zu Eins übertragen, was zwischen uns los war. Irgendwann, so nach drei oder vier Jahren, haben wir gemerkt, dass das relativ erfolgreich war. Am Anfang haben wir uns echt an einander abgearbeitet. Wir kamen schon aus unterschiedlichen Welten, Bewertungen und Systemen. Der grundlegende Unterschied zwischen mir und Robert war, das er alles systemisch erklärt hat und ich alles individuell. Für ihn war es das System, dass es abzuschaffen galt, politisch, inhaltlich, strukturell und ich kam immer mit dem Argument „Alles nur Chimären – hier gilt es Verantwortung zu übernehmen“. Das hat uns beide wahnsinnig gemacht. Man kann sich das die ganze Zeit um die Ohren hauen. Das sind zwei Killerargumente, mit denen wir uns dermaßen auf die Nerven gegangen sind…
RS: …aber mit gutem Ergebnis. Wir haben uns inzwischen gut angenähert. Ich sage, dass die Individualität einen großen Einfluss hat. Volker sagt, das System hat auch Einfluss.
VW: Wir wissen beide, was wir uns vorheucheln müssen, damit wir unsere Ruhe haben. Zwischen uns ist es so, wenn wir uns dann mal treffen, sind wir meistens die, die spät nachts in einer Ecke sitzen und uns unterhalten.
RS: Wir dürfen nicht zusammen sterben, es müsste jemand die Särge extra zumachen – wir würden sonst weiterreden.

Wie oft seht ihr euch?
VW:
Im Sender sehen wir uns häufig. Aber da ist Robert immer auf dem Weg zu einer Sitzung und ich bin immer auf dem Weg zu einer Voraufzeichnung, zu meinem Auto oder zu meiner nächsten Moderation. Wir sehen uns jeden dritten Tag. Sich mit einander ins Benehmen setzen, ein mal die Woche. Als Freunde ein bis zwei Mal im Monat.

Eurer Vita ist zu entnehmen, dass ihr beide eure Studien nicht beendet habt. Ist das hilfreich, ein guter Moderator zu werden?
VW:
Wo hast Du denn diese Info her..? – es ist der Stachel im Fleisch, der einen immer wieder anspornt. Es war am Anfang nicht absehbar. Wir sind beide in die Karriere reingerutscht. Es war keine Copy/Paste-Entscheidung. Irgendwann hatten wir einfach den Anschluss bei unserem Studium verloren. Ich glaube auch nicht, dass es heute noch die Möglichkeit gibt, beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk so einzusteigen, wie wir das damals sind.
RS: Es gibt diesen Quereinstieg, wie wir ihn damals erlebten heute nicht mehr. Damals war das Gang und Gebe. Es gab eine horrende Anzahl von Studienabbrechern. Wir wären beide allerdings, das unterstelle ich uns jetzt einfach einmal, intellektuell in der Lage gewesen, das Studium abzuschließen. Aber aus einfacher Doofheit stand bei uns: Mache ich jetzt den Beitrag oder dieses Projekt oder schreibe ich die Hausarbeit. Ich sah auch keinen Vorteil darin, diesen Abschluss zumachen, weil ich ja schon das machte, woran ich Spaß hatte und was ich machen wollte. Deshalb hatte ich auch gar nicht die Fantasie, dass es später mal sinnvoll sein könnte, ein abgeschlossenes Studium zu haben. Auf der anderen Seite war für mich das Studium auch die perfekte Vorbereitung auf das, was ich später gemacht habe.
VW: Ich war sogar vor zwei Jahren mal in der Uni im Immatrikulationsbüro und dachte, ich sitze das Studium auf einer Arschbacke ab, um es mir selber zu beweisen. Als ich dann aber gesehen habe, mit welchen Inhalten ich mich da hätte beschäftigen müssen, in meinem Germanistik- oder Philosophie-Studium und dann zusätzlich noch in einem zweiten Nebenfach, sagte ich mir: Och nee, das sechs Semester lang, das ist es mir nicht wert. Ich habe damit also die Entscheidung zweimal getroffen, es nicht zu beenden.

Was ist wichtig beim Moderieren?
VW:
Sein Sujet kennen. Davon auszugehen, dass man nicht nur das Naheliegende sagt. Eigentlich so, wie wir hier bei radioeins arbeiten: Dass die Fülle der Materialien so aufgearbeitet wird, dass sie am Ende für den Hörer verdaulich oder verständlich ist. Aber bei uns geht es auch darum, der ganzen Sache am Ende noch einmal einen Effet zu geben. Das heißt zum Beispiel, eine persönliche Note in der Ansprechhaltung, der Art und Weise, wie man die Themen aussucht, zu finden und möglichst in der kurzen Zeit eben kein Recherche-Interview zu führen – nach dem Motto, wer hat was, wann wie und warum gemacht, sondern die fünf, sechs Fakten schon zu nehmen und von vornherein ein konfrontatives Gespräch zu machen. Das ist zumindest mein Trachten.
RS: Eigentlich den Rat meiner Mutter nicht zu beachten: Robert, wenn Du keine Ahnung hast, halt die Klappe. Mit dieser Einstellung kommst du in der Moderation nicht weit. Ich will jetzt nicht sagen, dass Volker keine Ahnung hat, aber man kann daraus lernen, dass ein Moderator auch die Aufgabe hat, etwas zu sagen oder zu verbinden und er kann an diesem Punkt nicht immer alles wissen und dazu gehört auch eine Menge Mut. Man sollte sich vorher mit der Materie vertraut machen, aber wir wissen beide, dass wir immer wieder in Situationen kommen oder gekommen sind, auf die wir uns nicht vorbereiten können beziehungsweise konnten. Es ist dann auch authentischer, wenn man mal sagt, dass man etwas nicht weiß.

Seit einiger Zeit läuft eine Strukturreform in eurem Sender, an der Du, Robert, starken Anteil hast. Wo soll die Reform hinführen?
RS:
Ich persönlich glaube, dass Radio das Wechselspiel von Veränderung und Kontinuität ist. Wie in den meisten Medien wohl auch. Natürlich muss die Tagesschau aussehen, wie die Tagesschau aussieht. Sie muss aber auch aufpassen, dass sie nicht irgendwann veraltet, weil sie sich nicht verändert. Wie Tageszeitungen, die immer mal ihr Layout verändern. Im Rundfunk ist es natürlich genauso. Ein Programm muss im besten Falle immer wieder so klingen, wie es ist, damit man es identifizieren kann, aber es muss eben aufpassen, dass es nicht irgendwann oll oder überholt klingt. Ich glaube, dass radioeins zwischendurch auch mal eine Phase hatte, in der zu wenig passiert ist – obwohl es sicher auch Phasen gab, in denen zu viel passiert ist, wo wir nicht richtig temperiert haben. Eigentlich glaube ich daran, dass sich Medien ständig verändern müssen. Es bringt nichts, zu sagen: Jetzt machen wir mal zwei Jahre nichts. Man muss die ganze Zeit am Programm arbeiten. Da geht es um Inhalte, um Moderatoren, Musik. Man darf allerdings auch nicht die Hörer überlasten. Die sind empfindlich, gerade, was ihr Radioprogramm anbelangt. Das ist wie ihr Wohnzimmer, wenn da die Couch oder der Fernseher umgestellt wird, sind sie natürlich auch sauer. Deshalb muss so etwas auch immer mit einer gewissen Vorsichtigkeit passieren. Aber manchmal sind die Gründe für Veränderungen auch ganz pragmatische. Da werden Menschen älter und scheiden aus, sie müssen ersetzt werden. Wir müssen junge Leute aufbauen, die in Zukunft die Arbeit übernehmen müssen. Es gibt neue Musikstile, die berücksichtigt werden müssen. Rubriken oder Formate, die sich verbraucht haben, müssen ausgetauscht werden. Das alles gehört dazu. Das alles ist aber auch ein Prozess, der nicht aufhören wird. Im besten Falle sollen die Hören aber davon wenig mitbekommen, damit nicht der Eindruck entsteht, dass der Sender eine ständige Baustelle ist.

Radioeins feierte 2017 seinen 20. Geburtstag. Welches Resümee würdet ihr ziehen?
VW:
Das Programm ist für mich alternativlos – in der Spezifik, mit der wir das hier aufgebaut haben und immer noch aufbauen. Ich darf mich nie mit Robert streiten, wo sollte ich sonst arbeiten? Auf Gedeih und Verderb… Aber es ist auch so, ich fahre auch ab und zu mit dem Auto durch die Bundesrepublik, um auf Deine Eingangsfrage zurückzukommen, das Programm ist ein Unikum. Es ist nicht austauschbar und das bekommt man sonst nirgends.
RS: Wir wissen, über unseren Online-Stream, dass inzwischen mehr als 20.000 Menschen außerhalb von Berlin/Brandenburg unseren Sender hören. Wir wissen auch, dass wir, neben der Medienanalyse, die gern zu Messzwecken herangezogen wird und bei der wir nicht unter den Top-Drei sind, eine Relevanz erreicht haben, die erheblich ist. Radioeins ist eine starke Marke. Natürlich sind wir kein Mainstream-Programm, aber selbst Leute, die andere Sender hören, wissen, das wir anders funktionieren und einen anderen Wert auf Qualität legen. Bei uns dauern die Interviews auch mal länger und die Musik ist nicht unbedingt aus den Charts. Wer sich auf so etwas einlassen kann, macht vielleicht auch andere Sachen anders.

Interview: Heiko Portale
Titelfoto: TSPV

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