„Ich war der erste deutsche Rockschocker“

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Frank Zander brachte in den Siebzigerjahren den schwarzen Humor in den deutschen Schlager. Normalerweise wäre er jetzt wieder auf Tour auch im MDR-Gebiet, aber die aktuelle Lage hindert ihn noch daran. Deshalb ein Gespräch über Geisterauftritte und sein Engagement für Obdachlose

Sie wären jetzt normalerweise auf Tour, wie sehr trifft Sie die aktuelle Situation?

Etliche Konzerte sind ausgefallen, Festivals wurden abgesagt. Mir bleibt nur abzuwarten. Wir in der Tanzbranche sind es gewohnt, alles auf uns zukommen zu lassen. 

Für freischaffende Künstler in der Unterhaltungsbranche gehören Unwägbarkeiten zum Joballtag. Führt das zu mehr oder zu weniger Gelassenheit?

Es ist schon ein echter Tiefschlag. Ich merke auch in meinem Alter, wie sehr ich das Publikum brauche. Vielleicht kann man sich mal damit abfinden, vor Autos zu spielen, aber das ist schon irgendwie… hach Gott, es ist ein Geisterauftritt. Die Leute hupen dann, wenn sie sich freuen und drücken auf die Autolichter? So richtig weiß ich auch nicht, wie das gehen soll. Gut, wenn nichts anderes möglich ist, würde ich das auch mal machen.  

Sie sind 1942 geboren, aufgewachsen als Nachkriegskind. Gab es in Ihrem Hinterkopf noch einen Platz für den Gedanken, dass so ein Tiefschlag, der jeden trifft, irgendwann kommen könnte?

Nein, überhaupt nicht. Worüber ich mir hin und wieder Gedanken gemacht hatte, war dieses noch größer, noch höher, das die Menschen betreiben. Zum Beispiel diese Riesendampfer, die die Kreuzfahrttouristen über die Meere schippern. Was die an Essen und Energie verballern, das gefällt mir gar nicht. Als Wassermann habe ich ja oft so eine Zukunftsahnung und sehe, dass wir irgendwann sehr unter unserem jetzigen Verhalten leiden werden. Vor allem unsere Kindeskinder.

Hier und da gibt es die Hoffnung, dass sich die Menschen durch die Erfahrung der aktuellen Krise ändern würden. Glauben Sie daran?

Nee, daran glaube ich nicht. Leider muss der Mensch immer was auf den Deckel kriegen, damit er ein bisschen nachdenklich wird. Aber dann schält sich der Egoismus wieder raus. Die Geldmenschen fangen wieder an durchzudrehen.

„Und schlägt auch der Blitz ein, wir checken im Ritz ein“, singen sie in Ihrem neuen Song „Kopf oben“. Eine Prise Galgenhumor gibt’s bei Ihnen immer?

Na klar, ich habe den schwarzen Humor ja auch ein bisschen mit in den deutschen Schlager gebracht. „Frankenstein“ oder „Nick-Nack-Man“, solche Lieder kannte man hier in den Siebzigern gar nicht.

Wie sind Sie damals darauf kommen, etwas schwarze Farbe in den deutschen Schlager zu bringen?

Ich habe viel AFN gehört, den amerikanischen Armeesender. Da gab es den Moderator Friendly Undertaker mit so einer tiefen Stimme, die mich faszinierte. Irgendwann hat sich meine Stimme selbst in die Richtung entwickelt. Ich bin mit meiner Band, den Gloomy-Moon-Singers, getingelt und habe dabei meine Stimmbänder ramponiert, als ich eine Mandelentzündung nicht auskurierte. So wurde meine tiefe, zerkratzte Stimme auf der Bühne geboren.

Mit ihren Texten und dem fürs biedere Schlagerpublikum unseriösen Auftreten wirkten Sie wie ein Exot. Hatten Sie die Marktlücke erkannt?

Ich war der erste deutsche Rockschocker. Eine Schallplatte mit einem Totenkopf auf dem Cover wie bei „Nick-Nack-Man“, das fanden viele zuerst gar nicht lustig.

2004 haben Sie das Album „Rabenschwarz“ produziert, auf dem Sie deutsche Schlagerhits von Peter Maffay bis Marianne Rosenberg in Rammsteinmanier verrockten. Lange bevor Heino die ähnliche Masche entdeckte.

Heino hat später so was Ähnliches gemacht, aber wir waren nicht nur eher, sondern lauter. Bei den Metalfans kam das gut an, die Schlagerschnulzen mal so richtig aufzudrehen.

Seit vielen Jahren organisieren Sie für tausende Obdachlose in Berlin vor Weihnachten ein großes Gänseessen, bei dem prominente Kollegen helfen, zu denen auch der verstorbene Achim Mentzel gehörte. Woher rührt dieses Engagement?

Ich kann es gar nicht sagen, ich bin einfach sehr sozial eingestellt. Es ist, als hätte ich eine Pille geschluckt, die mich Ungerechtigkeiten erkennen lässt. Das schüttelt mich dann richtig. Die Obdachlosen tun mir total Leid, denn sie sind wirklich hinten angestellt. Wir haben zum Glück etwas Geld zur Verfügung, weil uns einige Menschen etwas vererbt haben. Wir wollen mit dem Geld versuchen, ein Heim mit Schlafplätzen zu eröffnen. Ich wünsche mir, dass mehr für die Obdachlosen getan wird. Es gibt ja Leute, zum Beispiel in Potsdam, die viel Geld für goldene Türme spenden. Ich wünschte mir, dass man mehr für die Menschen geben würde.

 

Interview: Thomas Lietz

 

 

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