„Ich will keinen Jahrhunderthit schreiben“

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Die Beatsteaks haben sich in der Vergangenheit regelmäßig in Cottbus blicken gelassen, um für ihre auch hier zahlreichen Fans aufzuspielen. Momentan machen sie sich daran, an neuen Songs zu arbeiten. Konzerte sind für die Berliner Band jedoch aktuell nicht auf dem Plan. Wir nutzten deshalb die Chance, mit Schlagzeuger Thomas Götz über sein Nebenprojekt Tomatenplatten zu sprechen.

Die Beatsteaks waren in den vergangenen Jahren öfters in Cottbus. Überlegt ihr euch bewusst: Jetzt gehen wir auch mal in die nicht so hippen Städte?

Wir gehen auf jeden Fall nicht nach der Devise vor: Wir spielen nur in hippen Städten. Zu Cottbus haben wir einige emotionale Bindungen, zum einen natürlich zum Gladhouse. Wenn ich mich recht entsinne, bin ich da zum ersten Mal 1989 aufgetreten. Zum anderen mögen wir sehr die Menschen vom Scandale, in dem wir 2018 auftraten. Und auch das „Laut gegen Nazis“-Open Air 2018 fanden wir toll und wichtig! 

Im Cottbuser Club Scandale habt ihr 2018 ein Geheimkonzert gegeben. Ist so etwas künftig noch mal denkbar?  

Konzerte in kleinen Clubs, wo auch immer die sich befinden, machen wir immer wieder gerne. So etwas ist jederzeit denkbar. Solange wir uns in der luxuriösen Situation befinden, alle möglichen Kapazitäten von Veranstaltungssälen zu spielen, wollen wir das auch weiterhin tun. Groß oder klein, draußen oder drinnen, hip oder square – egal.

Du bist nicht nur Drummer der Beatsteaks, aber auch Betreiber eines kleinen Vinyl-Labels. Weil Du nicht ausgelastet bist?

Doch, das bin ich schon.

Was hat Dich 2012 zu dem Nebenjob getrieben?

Ein Zufall. Ich wollte wissen, wie Schallplatten gepresst werden und habe in einem Presswerk in Karlsruhe angerufen, ob ich es mal besuchen könnte. Okay, sagten die, dann bring doch eine Musik mit und wir pressen zusammen eine Platte. Also habe ich alte Beatstaks-Demos durchgehört, zwei Lieder gefunden und die gepresst. 

Warst Du schon immer ein Vinylfreak?

Zu meiner Jugendzeit gab es ja nichts anderes als Vinyl.

Und die Liebe zum Vinyl ist geblieben?

Ach, das ist jetzt kein Fetisch. Ich höre gern Schallplatten, aber genauso gern Streamingdienst. Die Musik ist mir wichtiger als der Tonträger. Vinyl ist für mich kein Sammelobjekt wie ein Gartenzwerg. Ich bin kein Sammler.

Was ist Dein Hobby?

Ich trinke gern Kaffee. Also der Akt des Trinkens und dazu reden. Mir geht es nicht um die geile Kaffeemaschine.

Warum hast Du Dein Label dann nicht Kaffee Records genannt, sondern Tomatenplatten?

Meine erste Freundin hat mich immer Tomate genannt. Das ist irgendwie kleben geblieben. Es musste ja auch alles sehr schnell gehen, als ich die erste Single gepresst habe und einen Namen fürs Label brauchte. 

Auf dem Label erschienen jüngst drei Folgen der 7inch-Single Serie „Four Track Mind“. Was ist das Besondere an der Serie?

Das ist eine Single-Serie mit 4-Spur-Aufnahmen. Als ich jung war, hat man Demos mit 4-Spur-Kassettenrekordern gemacht. Da hatte man auf Kassetten vier Spuren zur Auswahl, für Gitarre, Schlagzeug etc. und die zusammengemischt. Für meine Single-Serie habe ich Bands eingeladen, auf diese Art aufzunehmen, die französisch-deutsche Band Mir Express, die Berliner Band 13 Year Cicada  und die Notorious Black Heino.

Nach welchen Kriterien wählst Du die Künstler für dein Label aus?

Sie müssen mir einfach gefallen, musikalisch und als Menschen. Ich habe auch eine Platte von einer Band heraus gebracht, Tics aus Köln, die ich nur vom Telefon kannte, aber sympathisch und cool fand. Oder den vor  mir verehrten Knarf Rellöm (eigentlich Frank Möller/d.R.), der unter dem Pseudonym Dubby King Knarf seine erste Dub-Single auf Tomatenplatten veröffentlichen wird.

Immerhin hast Du auch schon eine Platte veröffentlicht, an der Du selbst unmittelbar beteiligt warst.

Ja, ich habe mit meinem Projekt Einerbande eine Art Tourtagebuch von der letzten Beatsteaks-Tour 2017 gemacht. Auf der Tournee habe ich Musiker und Bands, die uns begleiteten, gefragt, ob sie Lust hätten, von mir vorbereitete Backing Tracks einzusingen oder mit mir einzuspielen. Ich hatte Songs geschrieben, die wir dann manchmal noch nach den Shows backstage oder am freien Tag aufnahmen. Zum Beispiele mit dem Sänger von Turbostaat oder einem Trompeter, der mit auf Tournee war. Mir ging es einfach darum, den Moment festzuhalten. Ich bin sehr interessiert an Momentaufnahmen. Ich will keinen Jahrhunderthit schreiben und den durchgeplant im Studio einspielen, sondern mich interessiert, was einem unterwegs einfällt. Wenn dabei etwas Spannendes herauskommt, finde ich das total schön.

Wann ist etwas für Dich spannend?

Wenn es irgendeinen Haken hat und mich anspricht. Dabei ist es wurscht, ob es mit Geigen, Schlagzeug oder Synthesizern gemacht ist und welchem Genre es zugeordnet ist. Ich habe Gefühl, dass diese Genrefixiertheit eher so eine Sache meiner Generation ist. Wenn man früher Punk sein wollte, dürfte man natürlich nicht Disco hören. Die richtigen geilen Musiker haben sich für solche Abgrenzungen allerdings nie interessiert. Warum denn nicht CRASS (Anarchopunk/d.R.) und Phil Collins hören?!

Vielleicht wäre es ein Problem, wenn man vom Verkauf leben müsste.

Nach meiner Ansicht hat der Verkauf von Musik nichts mit Genres zu tun. Ich finde es auch verhängnisvoll, dass die Playlisten auf Spotify strikt nach Genres geordnet sind. Da müsste mehr von Freaks kuratiert werden, damit man als Crust Punk-Fan auch mal einen Salsa-Titel vorgeschlagen bekommt. Das Schöne ist doch die Überraschung. 

Vor allem ohne wirtschaftlichen Druck kann man machen, was man will.

Ich bin auch nicht frei von wirtschaftlichen Zwängen. Ich will keine Miesen machen.

Liegt das an Deiner schwäbischen Herkunft?

Nein, es macht einfach keinen Sinn. Zu sagen, das leiste ich mir jetzt, finde ich eine arrogante Haltung. Das Label als kleines Spielzeug für den gut verdienenden Musiker, das taugt nicht.

Interview: Thomas Lietz

 

 

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