„Was macht einen Mann zum Mann?”

0

Mein Bücherbord

Claassen, 464 Seiten, 24 EUR

Mann, schreibt der. Wie ein Weltmeister. Oder bleiben wir in der Branche: Wie ein Nobelpreisträger für Literatur von Ayad Akhtar ist die Rede. Noch nie von ihm gehört. Ist ein US-Amerikaner mit pakistanischen Eltern. Sein Roman „Homeland Elegien” (Claassen, 464 Seiten, 24 EUR) lebt von tiefer kritischer Kenntnis beider Kulturen, der christlichen und der muslimischen, und beider Länder, der USA und Pakistans. Stark autobiografisch gefärbt, erzählt er über eine Familie von Einwanderern, die er in ganz unterschiedliche Alltags- und Besonderheitssituationen stellt. So beleuchtet er sowohl den legendären amerikanischen Traum, von dem er selbst profitiert, als auch  amerikanische Albträume, die frühzeitig, noch vor der Wahl von 2016, auch mit Donald Trump zusammenhängen. Seinen Aufstieg in Vorstände und obere Einkommensklassen verdankt er Riaz, einem Hedgefonds-Manager, der ihm wohlwill und ihm die Welt zeigt, wie er sie kennt. Und es wäre kein Buch aus Amerika, wenn die Erotik nicht einen wichtigen Platz zugewiesen bekäme.

Blumenbar, 223 Seiten, 18 EUR

Der Madison Square Garden ist das Mekka des amerikanischen Boxsports. Hier boxt an einem Tag im Jahr 2015 ein Mann Anfang der Dreißiger gegen einen anderen und fragt sich: Was tue ich hier? Warum tue ich es? Fragen, die nicht verwundern, wenn man weiß, dass dieser Thomas Page McBee der erste trans Mann im Boxring an diesem heiligen Ort ist. In „Amateur. Mein neues Leben als Mann” (Blumenbar, 223 Seiten, 18 EUR) lässt er uns an seiner Mannwerdung teilhaben. Im Körper eines Mädchens geboren, sich, sobald er denken konnte, immer als Junge fühlend, hat er sich als Erwachsener entschlossen, den Irrtum der Natur zu korrigieren. Nun begleiten ihn Fragen, die er sich selbst stellt, und solche, die ihm andere stellen oder als Zweifel und Skepsis fühlen lassen. Im  „falschen” Geschlecht aufgewachsen, fragt er sich zum Beispiel: „Was macht einen Mann zum Mann?” Ist es das Boxen? Muss er zuhauen, bis der andere umkippt? Die Skepsis, die ihm zuweilen entgegenschlägt, ist das Vorurteil gegen das Anderssein, auch wenn der Andere sich längst nicht mehr anders fühlt. Ein bewegendes Buch, das viel Stoff zum Nachdenken enthält.

Aufbau, 186 Seiten, 18 EUR

Der Publizist und Literaturkritiker Volker Weidermann hat mit „Brennendes Licht. Anna Seghers in Mexiko” (Aufbau, 186 Seiten, 18 EUR) einen bedeutenden Lebensabschnitt der Dichterin ins Visier genommen. Das Buch macht mich glücklich, weil ich die Seghers für die wichtigste  deutschsprachige Schriftstellerin des 20 Jahrhunderts halte und an ihr bewundere, mit welcher Gewandtheit sie vom Thriller („Das siebte Kreuz” ist dies par excellence) über den Flüchtlingsroman („Transit”) bis zum Märchen („Räuber Wojnok”) bis zur Science Fiction („Sagen von Unirdischen”) alle Genres beherrscht. Genug von Seghers, nun zu Weidermann: Mit Sachkenntnis, Literaturbegeisterung und Einfühlung begleitet er die Autorin durch schwere Jahre. Man staunt über das Netzwerk der Begegnungen (Neruda, Riviera, Kahlo, Reinerova u.a.), aber auch darüber, wie Antifaschisten einander bespitzeln und zu Feinen werden und über die Nachwirkungen bis in die DDR-Zeit hinein. Ein Sachbuch, das sich wie ein Roman liest.

Eulenspiegel, 128 Seiten, 12 EUR

Zum Schluss ein Büchlein, das besonders in Cottbus  interessieren sollte und sich durch seine Häppchen-Reichung für das schnelle Lesen, vor allem in den Abend- und Vorschlafstunden eignet: „Fürst Pückler. Ein Lebensbild in Anekdoten” (Eulenspiegel, 128 Seiten, 12 EUR). Der berühmte Charles Dickens nennt Pückler nach einer Abendgesellschaft Graf Smorltork und macht ihn als solchen zu einer Romanfigur. Selbst eine Art Entertainer, sorgt er mit Lebenslauf und -weise dafür, dass noch Generationen nach ihm viel Spaß am Smalltalk auch über Pückler haben. Die wichtigsten Anekdoten, alle voller Saft und Kraft, hat Dorothee Nolte gesammelt.

Klaus Wilke

 

Teilen.

Hinterlasse eine Antwort