Ankunft in Branitz

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Der neue Stiftungsdirektor Dr. Stefan Körner im Gespräch porträtiert

 Die Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz hat seit dem Beginn des Jahres 2020 einen neuen Vorstand und Direktor. Am 1. Januar nahm der Kunsthistoriker, Publizist und Kommunikationswissenschaftler Dr. Stefan Körner sein Amt als Nachfolger von Gert Streidt auf, der in den Ruhestand trat, aber sich auch in Zukunft in unterschiedliche Projekte einbringen will. Wer ist der Neue, und was für ein Gespann bildet er mit dem Fürsten Pückler? Hermann war mit ihm im Gespräch.

Dr. Stefan Koerner, fotografiert in Branitz am 09.01.2020, **Foto: SFPM / Andreas Franke**

 Zweimal Ankunft in Branitz im Vergleich. Stefan Körner (41) schwärmt: „Es ist für mich faszinierend, frühmorgens am Branitzer Park entlangzuradeln, wenn die Sonne über den Pyramiden oder über der Parkschmiede, wo der Innen- in den Außenpark übergeht, aufsteigt. Das ist ein magisches Bild, das motiviert. Vor allem auch dadurch, dass ich dann mit Menschen zusammentreffe, deren Herzen für das Pücklersche Kulturgut schlagen. Das Schloss, die geniale Parklandschaft, die Sammlungen, die vielen Parkbauten – mich erfüllen Dankbarkeit für dieses Lebenswerk und große Achtung für alle Beteiligten, die diesen Schatz über Jahrzehnte erhalten und weiterentwickelt haben und weiterentwickeln werden. Ich bin glücklich dabei zu sein.”

Welch Unterschied zu der anderen Ankunft! Als der damals 61-jährige Pückler am 11. November 1846 in Branitz eintraf, war nichts mit eitel Sonnenschein. Was er vorfand, konnte nur missmutig und griesgrämig machen: ein heruntergewirtschaftetes Herrenhaus mit angeschlossenem Gutshof und Schweinestall, eine bügelbrettflache Landschaft mit einem Sandboden, der ihn an seine Wüstenabenteuer erinnerte. Er ätzte und klagte nicht lange, sondern krempelte die Arme hoch und mit nimmermüder Tatkraft entstand seine neue Parkschöpfung mit Wegen, Wiesen, Teichen, Sichtachsen, Pyramiden, Hügeln und Baumgruppen, die so inszeniert sind, dass man in Abwandlung eines Wortes von Heraklit sagen kann: „Man kann nicht zweimal den gleichen Branitzer Park betreten.” Zu jeder Jahres- und Tageszeit, bei Bewölkung und starker oder weniger starker Sonneneinstrahlung, bei jedem Wetter und jeder Stimmungslage wirkt er anders. Ein Gesamtkunstwerk mit tausenderlei Facetten. Auch von Pückler haben wir ein Originalzitat: „Die elende Kottbuser Gegend und die noch elendere Race Menschen, welche sie bewohnen, werden mir einst viel Dank schuldig sein.”

Er hat das gut vorausgesehen; Stefan Körner sagte es ja ein paar Zeilen weiter oben. Als Pückler das Branitzer Kleinod in den Jahren nach 1846 anzulegen begann, konnte er auf immense Erfahrungen aus Bad Muskau zurückgreifen. Dort war der größte mitteleuropäische Landschaftspark im englischen Stil entstanden. Klar, dass auch Stefan Körner 170 Jahre später nicht „ohne Gepäck” in die Niederlausitz kam. Wenn man danach sucht, was ihn von Kindheit an umtrieb, scheint es, als wiesen seine Lebenslinien direkt nach Branitz. Was ihn für Geschichte, Kunst und Kultur aufschloss, bezeichnet er so: „Der Urknall war gewissermaßen das Potsdam-Gen. Dabei gehörten Potsdam und Cottbus für mich immer zusammen, Pückler und Lenné, die beiden größten Garten- und Parkgestalter des 19. Jahrhunderts, waren für mich stets ein Tandem. Der Ruf Brandenburgs (bis hin zum ostsächsischen Bad Muskau) als Gartenland von europäischer Bedeutung ist hauptsächlich ihnen zu verdanken.”

Als andere Jungen in seinem Alter – 15, 16, 17 – am Straßenrand standen und schnellen Autos nachschauten,  widmete er sich lieber fröhlich Parks, Schlössern und Museen. Er staunte, wie Gemälde, Kunstgegenstände, Mobiliar, architektonische Besonderheiten Erinnerungen aufbewahrten und damit die Lebenszeit von Menschen, die diese hervorgebracht haben, scheinbar verlängerten. Und nicht nur das: Hinterlassenschaft, Historie, Herkunft wurden sichtbar und gaben Impulse für die Zukunft.

Interessante Begegnung, damals, in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts: „Ich war begeistert von Ausgrabungen im Babelsberger Park, als dort Skulpturen, in Bombenkrater geschüttet, an das Tageslicht kamen, die alle überraschten und deren Geschichte zu erkunden so ungeheuer reizvoll war. Als Mitglied des Kinder- und Jugendklubs Sanssouci fühlte ich, wie lebendig Vergangenheit sein kann. Dabei war auch ein Museumspädagoge der damaligen Schlösserverwaltung, der sein ,Handwerk‘ verstand, Interessen weckte und diese zu entwickeln wusste. Er hieß … Gert Streidt.”

Das lässt Kontinuität erwarten, zumal Ministerinnenwort beim Abschied von Stefan Körners Vorgänger bescheinigte, dass Gert Streidt „mit seinem hervorragenden Engagement und verantwortungsvollen beruflichen Positionen in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte und der Branitzer Pückler-Stiftung … nicht nur dazu beigetragen (hat), wertvolles kulturelles Erbe von den Preußen bis zu Pückler zu bewahren, sondern es erfolgreich nach außen zu vermitteln.”

Stefan Körner hat durch sein Studium der Kunstgeschichte in Berlin, Venedig und Wien wichtige Voraussetzungen erworben, in große Fußstapfen zu treten. Seine Erfahrung: „Venedig anzusehen ist spannend und lustig. Faszinierend seine Zeugnisse aus der Geschichte – zum Beispiel Markusplatz, Dogenpalast, Seufzerbrücke. Dabei hat Faszination ihre Gefahren. Die Stadt stöhnt gequält unter Massentourismus und immer stärkerem Hochwasser, denn das Land um die Lagune ist stetig mehr versiegelt worden. Was für eine stille Oase ist dagegen Branitz! Venedig ist eine europäische Stadt, die wie kaum eine andere ganz eng mit dem Orient verbunden ist. Was für einen Austausch an Kunst und Architektur hat es da gegeben! Zugleich ist diese Stadt eine Aufforderung dazu, Überliefertes zu bewahren.”

In Wien wurde er in die Leitung der berühmten Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten der Fürsten Esterházy berufen. Eine Zeitlang galt er als der jüngste Kustos in Europa. „Was für eine Ehre! Und welcher Erfahrungsschatz, der sich mir da darbot, diese Verantwortung, mit kompetenten Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten.” Aber Kompetenz hatte er sich selbst in nicht geringem Maße angeeignet. In dieser Zeit schrieb er seine Dissertation über einen prominenten Vertreter der Esterházy-Fürsten. Und was selten geschieht: Diese Dissertation wurde als ein dickleibiger, aber gut anzuschauender, wunderbarer Kunstband herausgegeben: „Nikolaus II Esterházy und die Kunst”. Dieser Mann, der von 1765 bis 1833 gelebt hat (Pückler und er kannten sich aus London!), war Kunstsammler, Gestalter von Palästen, Gärten und Galerien und darin rastlos, obwohl er immer wieder an den Rand des Bankrotts geriet. Gewisse Parallelen zu dem brandenburgischen „Erdbändiger” sind nicht zu übersehen. Und der junge Wissenschaftler zeichnete sich dadurch aus, wie ein begeisterter Rezensent schrieb, dass er „Material bietet, das wohl kein normaler Leser je gesehen hat und diese Objekte perfekt zum Text zuordnet.”

Finden und perfekt zuordnen, vermitteln – das ist für Stefan Körner ein wichtiges Arbeitsprinzip. „Es braucht viel Gespür zum Entdecken alter Kostbarkeiten”, sagt er. „Natürlich sind ausreichend kunsthistorisches und theoretisches Wissen nötig. Aber oft helfen noch mehr Instinkt und Gefühl. Man muss viel sehen, anfassen und riechen. Historischer Dreck riecht nämlich anders als neuer.” Man darf also in diesem Beruf gegen Staub nicht allergisch sein; denn in alten Sammlungen und Archiven zu wühlen, kommt des Öfteren vor. So kam er der Herkunft einer Büste der legendären Königin Luise auf die Spur, eine lange verschollen geglaubte Hinterlassenschaft des Bildhauers Christian David Rauch. Ein aus einer süddeutschen Sammlung stammendes Funeralwappen (Totenwappen) konnte er, in Tausenden Schriftstücken kramend, an Hand von Rechnungen und Verträgen eindeutig in Brandenburg verorten. Diese beiden Exponate gehörten zu den zahlreichen Objekten, die er seit 2012 als Auktionator in Deutschlands größtem Auktionshaus Grisebach in Berlin an die Interessenten brachte. Eine weitere Erfahrung in Stefan Körners Werdegang: „Der Kunst einen Preis geben können. Leidenschaft und Kennerschaft ansprechen und wecken. Käufer finden, die nicht nur mit dem Konto und dem Portemonnaie, sondern auch mit den Augen und dem Herzen sehen. Am besten: Man muss besitzen wollen und dies mit einer breiten Öffentlichkeit teilen wollen. Diese Mäzene tragen dann Schätze weiter. Deshalb ist es wichtig für die Bewahrung des kulturellen Erbes, dass staatliche Stiftungen mit Privateigentümern zusammenwirken.” Was heute Branitzer Alltag ist: „Wir arbeiten sehr eng mit allen relevanten Mitgliedern der gräflichen Familie Pückler zusammen. Sie sind unsere größten Leihgeber, und ich sehe viele gemeinsame Aufgaben für die Zukunft.”

„Verrückte” Kulturmarke

Ankunft in Branitz also. Es sind noch keine hundert Tage in der Tätigkeit des neuen Stiftungschefs vergangen, der von sich in den vergangenen Wochen sagte, er wolle jetzt erst mal zuhören. Aber so viel stehe fest: „Fürst Pückler ist für Brandenburg gewiss die verrückteste Kulturmarke. Diese Persönlichkeit wirkte auch fast anderthalb Jahrhunderte nach ihrem Tode als ein Ideengenerator für die gesamte Lausitz. Dieses Gesamtkunstwerk aus Park, Schloss und Kunstsammlungen besitzt nicht nur enorme Anziehungskraft für die Cottbuser und Touristen von nah und fern und ganz, ganz fern, sondern ist zugleich ein Katalysator für den Strukturwandel und alle nötigen Maßnahmen angesichts der Klimaveränderungen. Um Pücklers Werk breitet sich ein wahres Ideenreich aus, und ideenreich sollten sich alle Lausitzer davon inspirieren lassen.”

Es ist das Wort vom Weiterentwickeln gefallen. Kann man Pückler „weiterentwickeln”? „Natürlich muss Pückler Pückler bleiben. Dafür gilt es, die von ihm geschaffenen Anlagen zu bewahren und sie für die Öffentlichkeit zugänglich und erlebbar zu halten. Der Fürst war aber auch zutiefst ein Innovator. Da anzusetzen heißt die Landschaft des Strukturwandels zu schaffen. Dafür Ideen zu entwickeln ist jetzt Auftrag. Im Sinne Pücklers ist es, den Außenpark zu bewahren, zu entwickeln und nicht zu bebauen. Wir wollen doch unsere Aussicht behalten. Die Wiedereröffnung des Cavalierhauses und die Sanierung des Schlosses stehen ebenfalls an.”

Stefan Körner schließt sich den in Cottbus kursierenden Visionen an: „Die Stadt bewirbt sich um die Bundesgartenschau 2033. Vielleicht könnte es bis dahin gelingen, in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen zu werden? Wenn dann die Verbindung zwischen dem Landschaftsgarten und dem Ostsee hergestellt ist – was willst du, Lausitzer und Pückler-Nachfahre, mehr? Die Verbindung zum Ostsee ist groß gedacht und eröffnet der Stadt neue Horizonte. Außerdem: Fürst Pückler wäre begeistert gewesen, einen Landschaftsgarten am ,Meer‘ anzulegen.”

 

Klaus Wilke

 

 

 

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