Das Cottbuser Clubkonzert von Silbermond war im Nu ausverkauft
In zehn Minuten war das Clubkonzert von Silbermond am 25. Juli im Cottbuser Glad House ausverkauft. Klar, die Band ist eine nationale Größe, und sie ist fast aus der Gegend. Bautzen liegt ja nicht viel weiter als um die Ecke, nämlich auch im östlichsten Osten der Republik. Und genau darüber haben die vier Bandmitglieder jüngst einen Song veröffentlicht: „Mein Osten“.
Der hat natürlich schon mit seinem Titel für Aufsehen gesorgt, weil der Osten von bundesrepublikweit populären Popbands selten so explizit in einem Lied thematisiert wird. Man will schließlich auch nicht dem westlichen Teil der Republik als bekennende Ossis auf die Nerven gehen. Insofern haben Silbermond schon mal Mut bewiesen, und das gleich in doppelter Hinsicht, denn „Mein Osten“ ist zwar ein Heimat(pop)lied, aber keines, das absolut jedem im Osten gefallen dürfte. Frontfrau Stefanie Kloß steigt in den ersten neuen Song der Band seit dreieinhalb Jahren nicht nur mit der Zeile ein „Ich kenne dich gut, mein Osten. Verstehe zum Teil auch deine Wut, mein Osten“, singt danach aber weiter: „Wir werden reden müssen, streiten, um Kompromisse ringen müssen und so weiter, aber was nicht hilft, sind wir uns da einig: Ideen von 1933.“
Das mit dem Reden statt Schreien und dem auf Kompromisse ausgerichteten Streiten ist bekanntlich nicht jedermanns Ding momentan im Osten, inklusive Bautzen, wo sich Stefanie Kloß und ihre Musikerfreunde Johannes Stolle (Bass), Thomas Stolle (Gitarre, Klavier) und Andreas Nowak (Schlagzeug) 1998 zu einer Band zusammengeschlossen hatten. Kurz darauf war Silbermond im Eiltempo in die oberste Etage des Deutschpops aufgestiegen, dank Hits wie „Symphonie“ oder „Das Beste“. 2015 erschien mit „Leichtes Gepäck“ ihr fünftes und letztes Studioalbum.
Dass es überhaupt zustande kam, war keineswegs ausgemachte Sache. Die Band hatte es, wie so viele andere zuvor, erwischt. Sie war in existenzielle Grübeleien verfallen, wie Stefanie Kloß seinerzeit berichtete. „Die Band wurde mehr denn je in Frage gestellt. Das Schiff war echt am Wanken.“ Die Arbeit sei zur Gewohnheit und Belastung geworden, obwohl sich die Bandmitglieder keineswegs verstritten hätten. Nur habe sich ihre Musik plötzlich beschwert angefühlt, weil der gemeinsame Spaß und auch die musikalische Nähe zueinander etwas verloren gegangen seien. Um dahin zurückzufinden, haben Silbermond seinerzeit ein paar Strukturen geändert, sich unter anderem von ihren bisherigen Erfolgsproduzenten getrennt. „Diese Einsicht war sehr hart, aber es gab halt nur zwei Wege: Entweder uns zusammenzusetzen und durchaus schwere Entscheidungen für Veränderungen zu treffen oder zu sagen: Okay, wir lassen das alles. Es war schon ein schlimmer Moment, als plötzlich in Frage stand, was man immer als gesetzt gesehen hat.“ Stefanie Kloß’ damalige Beschreibung der künstlerischen Zwickmühle kann man in gewisser Hinsicht mit dem inneren Riss vergleichen, der momentan in den Köpfen der Musiker in Bezug auf ihre Heimat besteht und seinen Ausdruck im Song „Mein Osten“ findet. „Risse gehen durch Familien, und ein Riss geht auch durch mich“, singt Stefanie Kloß.
Natürlich wisse die Band, dass man mit einem Lied zwar das „aktuelle politische und emotionale Auseinanderdriften der Menschen im Osten“ thematisieren, aber nicht alle gesellschaftlichen Probleme in einen Drei-Minuten-Song packen könne, so die Sängerin. Sie seien ja auch keine Politiker. Allerdings, darum ist das Glad House ja auch in wenigen Minuten ausverkauft gewesen. Eine klar politische Meinung haben und die ruhig auch mal in einem Song rüberbringen, das können eben nur Musiker – und eine Band wie Silbermond.
Thomas Lietz