„Dass ich ein guter Entertainer bin, kann jeder bestätigen, der schon mal mit mir in einer Kneipe gesessen hat“

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Stefan Stoppok gehört seit Jahrzehnten zu den besten deutschen Songwritern, weil er einfache Musik über die einfachen Dinge des Lebens schreibt. Und außerdem ist er ein obercooler Typ. Hermann sprach mit ihm.

Du hast dich 1999, als Du bereits 20 Jahre im Popgeschäft warst, selbst so besungen: „Ich bin immer noch derselbe“. Gilt das heute immer noch?
Mehr denn je. Das ist ja das Sensationelle und Schöne am Älterwerden, wenn man sieht, dass das, was man macht und erzählt, auch wirklich wahr ist. Ich kenne ja auch viele, die im Laufe der Zeit ganz anders draufkommen und ihre Meinungen ändern. Das ist bei mir nicht der Fall.

Ich zitiere Dich jetzt einfach mal aus einem Interview vor vielen Jahren, in dem Du mir gesagt hast: „Entertainment ist für mich: Dasitzen und mir erlauben können zu sagen, was mir gerade durch den Kopf schießt.“ In dem Sinne bist Du ja ein begnadeter Entertainer, oder?
Äh, jo, könnte man so sagen, aber nicht im klassischen Sinne. Ich bin kein mit der Unterhaltungsindustrie kompatibler Entertainer. Die, die kompatibel sind, sind für mich eher keine guten Entertainer. Dass ich ein guter Entertainer bin, kann übrigens jeder bestätigen, der schon mal mit mir in einer Kneipe gesessen hat.

Mit dem Begriff Entertainment wird ja oft eine bestimmte Art der Unterhaltung verbunden: Abschalten vom Alltag und so. Das scheint nicht Deine Vorstellung von Entertainment zu sein?
Nö, es gibt ja diesen schönen Spruch, ich weiß gar nicht, von wem: Im Begriff Unterhaltung steckt im Prinzip alles drin: Haltung, Unter-Haltung ist dann eher was ohne Haltung. Deshalb müsste es bei mir eher Oberhaltung heißen. Gerade in den letzten zwanzig Jahren ist es immer extremer geworden ist, dass viele Künstler populistisches Entertainment machen, ihr Fähnchen nach dem Publikum in den Wind hängen und sich dann wundern, wenn der Populismus weiter blüht. Viele Künstler drehen und wenden sich und gucken, was ihnen einen Vorteil bringt.

Gerade seit der Bundestagswahl wird zuweilen debattiert, ob das die Künstler noch dürfen: einfach nur mal so unterhalten. Oder ob sie nicht das Gewicht ihrer Popularität in die Waagschale werfen sollten zum Beispiel für die Demokratie. Was meinst Du?
Das sind genauso diese zwei Paar Schuh. Natürlich darfst du nur unterhalten. Nur-Unterhaltung kann die Leute auch zu etwas Gutem bewegen, ohne dass du ein politisches Statement abgibst. Dann nämlich, wenn die Unterhaltung echt ist. Wenn jeder Mensch echt und ganz bei sich wäre, den Leuten nichts vorgaukelt, dann wären wir gar nicht so weit gekommen wie jetzt. Nach meiner Ansicht nützt es überhaupt nichts, wenn einer in seiner Kunst nicht ehrlich ist und nur, weil er bekannt ist, ein politisches Statement abgibt.

Das heißt, Du kannst auf ein Statement von Helene Fischer zur Demokratieverteidigung verzichten?
Auf jeden Fall. Ich glaube auch nicht, dass es das Publikum erreichen würde, denn sie macht keine ehrliche Kunst. Das ist einfach nur Bullshit, irgendwie.

Aber dem Publikum was vormachen und eine große Show abzuziehen, ist doch nicht ganz dasselbe?
Ja, das ist natürlich nicht so schwarz-weiß. Es geht darum, den Leuten nichts vorzuspielen. Und es gibt natürlich Künstler, die ehrlich was inszenieren können. Manche haben das Talent dazu, sie können ganz groß was machen und sind trotzdem echt dabei. Nur besteht natürlich die Gefahr, dass es immer schwieriger wird, je größer das wird und je mehr Leute du in deinem Umfeld hast. Es gibt nur wenige Künstler, die das Ganze dann noch steuern können.

Du bespielst ja große und kleine Orte quer durchs Land. Wie stehst Du eigentlich zur Provinz?
Ich finde, dass wir von der Provinz vor allem Negatives hören, dass sich da Leute verloren fühlen und deshalb AfD wählen. Aber ich kriege ja als Künstler mit, dass es gerade in der Provinz in Ost wie in West viel Eigeninitiative in Richtung Kultur gibt. Viele Kulturvereine mit Ehrenamtlichen laden da Künstler ein, die sie gut finden und die nicht bei großen Agenturen sind. Über solche guten Dinge und Initiativen wird viel zu wenig berichtet.

Spielst Du gern abseits der Großstädte?
Zunächst: Ich spiele absolut immer gerne. Das nimmt sogar nach Tausenden Konzerten noch zu. Wo ich spiele, ist mir wirklich egal, denn zu mir kommen nette, aufgeweckte Leute. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Provinz und Großstadt.

Machst Du Dir manchmal Gedanken über dein Publikum, wer wohl so kommt?
Nö, das ist ja nicht kalkulierbar, zumal ich auch kein klar definiertes Publikum habe. Deshalb haben sich ja die Marketingleute von all meinen bisherigen Plattenfirmen die Zähne ausgebissen, weil meine Zielgruppe nicht klar erkennbar war. Mein Publikum ist total gemischt, von 8 bis 80 alles dabei, vom Punk bis Rock’n’Roller und Metal-Typ. Das ist ja das Tolle und macht jedes Konzert spannend.

Kann Dich das Publikum auch mal überraschen?
Ja, wenn so Sachen passieren wie beim Lied „Friss den Fisch“. Da fingen die an, ich weiß gar nicht wo, das als Echo mitzusingen. Ich habe mich schon geärgert, dass ich da auf bei der Plattenproduktion nicht selber drauf gekommen bin. Jedenfalls habe ich das jetzt übernommen.

Du hast jüngst einen Gundermann-Song gecovert….
Ja, „Keine Zeit“. Den Song finde ich grandios.

Gundi hat als Baggerfahrer malocht und nebenher professionell Musik gemacht. Wäre das für Dich was?
Ne, das würden meine Finger nicht mitmachen und ich hätte auch keine Zeit dafür. Mir reicht schon, wenn ich Rasen mähen muss, bevor ich einen Gig habe. Ich scheue keine körperliche Arbeit, aber als 20-Jähriger habe ich das letzte Mal auf dem Bau richtig gearbeitet und damals beschlossen, ich mach das nicht mehr, weil das Risiko einfach zu groß ist, dass ich mir auf die Finger kloppe. Zum Glück brauche ich es auch nicht, weil ich von meiner Musik leben kann, ohne dass ich mich zum Affen machen muss in irgendeiner Fernsehsendung. Das ist ja das Tolle, das wird mir wirklich mit jedem Tag bewusster, und dafür bin ich so dankbar.

Interview: Thomas Lietz
Titelfoto: pr

Termin
30. November, 20 Uhr, im Bebel in Cottbus

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