In diesem Monat bringt Alexander Knappe sein neues Album heraus. „Knappe“ ist sein viertes Studioalbum – und sein erstes bei Sony Music. Hermann traf den charismatischen Sänger in Cottbus.
Erzähl uns mehr über dein neues Album!
Es wird wahrscheinlich die letzte CD der Welt werden und sicher die letzte bei Knappe. Denn inzwischen wird Musik ja meistens gestreamt.
Es sind 14 Songs drauf, das sind 14 Geschichten aus meinem Leben. Für mich ist es das bisher beste Knappe-Album, weil es so viele Facetten hat. Darauf sind Hymnen, sehr emotionale Songs. Einen Song habe ich für meine Mama geschrieben. Zu ihr habe ich ein sehr schwieriges Verhältnis, wir haben uns 15 Jahre nicht mehr gesehen. Und mit diesem Song reiche ich ihr jetzt die Hand. Das ist der emotionale Höhepunkt auf meinem Album.
Den Titel, „Alles gut“ habe ich Andy, einem meiner besten Freunde gewidmet, der vor zwei Jahren bei einem Autounfall tödlich verunglückt ist.
Darin heißt es: „Dein Plan war gut, doch das Leben plante anders.“ Denn man hat es manchmal nicht selbst in der Hand, das Leben. Das ist ein sehr emotionaler Song für mich, und ich habe lange gezögert, die Geschichte zu erzählen. Auch der „Mama“-Song liegt schon seit sechs Jahren rum, aber emotional habe ich es jetzt erst gepackt, ihn herauszubringen.
Ein Anti-Corona-Song
„Alles geht vorbei“ war die erste Single-Auskopplung. Die lief im Stream sehr gut. RTL und Vox haben das Video dann ausgewählt, um Sendungen damit anzutrailern. Diese RTL/Vox-Kampagne war sehr erfolgreich. Der Song passte einfach. „Alles geht vorbei“ ist ja quasi ein Anti-Corona-Song. Er vermittelt: Ey, alles hat seine Zeit. Das Gute ist vergänglich, aber auch schwere Momente gehen wieder vorbei – auch die Corona-Zeit mit ihren Einschränkungen.
Mit deiner Fernweh-Hymne „Tschau“ sprichst du sicher vielen aus der Seele, gerade jetzt…
Ja. Im besten Fall ist das ja so. Man schreibt einen Song für sich selbst und merkt dann: Das Gefühl, das ich ausdrücke, fühlen die anderen auch.
„Tschau“ ist aktuell mein erfolgreichster Radio-Song. Gerade sind wir auf Platz 3 der meistgespielten Songs – und das, obwohl deutsche Musik in Sachen Beliebtheit gerade auf dem Tiefpunkt ist.
Ansonsten sind auf dem Album viele Songs, die live sehr, sehr gut funktionieren werden. Ich schreibe so eine Platte auch immer mit Blick auf die Tour. Letztlich lebe und schreibe ich für die Live-Konzerte, das sind sozusagen die Bretter meiner Welt. Insofern ist diese Zeit, in der wir gerade leben, echt schwierig für mich. Und keiner weiß, wie es weitergeht…
Für den Februar ‘22 habt ihr endlich wieder eine Tour geplant.
Wir sind volles Risiko gefahren und haben diese Tour gebucht. Am 22. Februar ’22 werden wir übrigens in der Cottbuser Stadthalle auftreten. Der Vorverkauf hat schon begonnen.
Aber zurück zu deinem Album …
Wir haben mehrere Songs mit einem Gospelchor aufgenommen. Das war immer ein Traum von mir. Wir haben uns für zwei Tage zehn Sänger und Sängerinnen aus Berlin ausgeliehen, was angesichts der Coronapandemie gar nicht so einfach war. Doch dafür gibt’s jetzt auf vier Liedern diesen schönen, klassischen schwarzen Gospelgesang.
Das Album heißt „Knappe“. Und ich heiße jetzt auch nur noch „Knappe“, nicht mehr Alexander. Das ist so knackiger, griffiger. Es ist mein erstes Album mit Sony Music. Auch insofern ist es gerade eine spannende Zeit. Jetzt habe ich ein neues, größeres Team, ein neues Management und gehe auch neue Wege. Du musst die Dinge um dich herum immer verändern, damit du dich auch selbst veränderst. Ich brauchte dringend neuen Input, sonst hätte ich mich nur noch wiederholt. Darum habe ich auch mit vielen verschiedenen Songwritern zusammengearbeitet. Dieses neue Album ist für mich wie ein Neuanfang – aber ohne die Heimat zu verlassen, ohne meine Wurzeln zu kappen.
Trotz der Pandemie bist du wahnsinnig aktiv…
Ja, ich hab in den vergangenen Monaten richtig Gas gegeben. Ich habe auch in diesem Jahr wieder das Lausitzer Autokino-Festival in Cottbus mit auf die Beine gestellt. Das war unfassbar aufwändig, aber auch ungemein erfolgreich. Die Einnahmen gehen an das Albert Schweitzer-Familienwerk. Ich habe 5.000 Euro für Lenny gesammelt (ein junger Sportler, der an Blutkrebs erkrankt ist, Anm. d. A.). Und 2020, während der ersten Pandemiephase, habe ich dem Betreiber des Böhmischen Rasthofs in Hänchen zwei Wohnzimmerkonzerte geschenkt. Die Termine mussten wir allerdings auf dieses Jahr verschieben: Die Konzerte werden am 14. und 15. August stattfinden.
Und im Frühjahr 2021 hast du dich auf Ebay versteigert?
Ja, ich fand die Idee ganz gut, dass ich mich selbst versteigere und der Gewinner kann dann mit mir einen Tag lang machen, was er will. Sexuelles ist natürlich verboten. Klar, da hab ich etwas gepokert und gehofft, dass es nicht heißt: Du putzt jetzt mit mir den ganzen Tag meine Fenster. Aber es hat gut funktioniert: Den Zuschlag bekam ein Unternehmer, Ralph Pechmann von ESP, das war auch ein Sponsor vom Lausitzer Autokino. Der hat sich ein Gartenkonzert gewünscht. Und die Aktion hat 2.500 Euro für Lenny gebracht.
Der Musiker sieht versonnen aus dem Fenster. Er erinnert sich:
Da unten am Brunnen auf dem Altmarkt hat alles angefangen. Als Schüler war ich ja bei Hertha BSC. Doch nach einem Kreuzbandriss mit 18 war es vorbei mit der Profikarriere. Hertha hat meinen Vertrag aufgelöst. Dadurch war ich während des Abis psychisch sehr angeschlagen. Vorher hatte ich richtig gute Noten, aber in einer Klausur schrieb ich dann null Punkte. Damit galt mein Abi als nicht bestanden. An diesem Tag bin ich zu meiner Oma nach Cottbus gefahren und humpelte hier mit meinen Krücken über den Altmarkt. Dort fand gerade ein Radio-Casting statt. Da habe ich ganz spontan teilgenommen, einfach so aus Spaß, hab irgendeinen Song gesungen. Und ich habe sogar gewonnen. In der Jury saß der Musik-Produzent Martin de Vries, der meinte: Komm in mein Studio in Berlin. Nun, eine Woche später war ich da – und da hat meine Musikkarriere angefangen. Aber meinen ersten Plattenvertrag hab ich erst mit 28 unterschrieben. Bis dahin hab ich alles erlebt gemacht: Moderation, Strip-Shows; ich hab bei Burger King und in Geisterbahnen gearbeitet, wirklich jeden Job der Welt gemacht. Ich bin sehr dankbar dafür, was ich seitdem erreicht habe.
Jasper Backer