Die Sache mit dem d.

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Wenn Sie das hier lesen können, sollten Sie sich glücklich schätzen. Scheinbar ist die Welt nun doch noch nicht untergegangen. Erstaunlich eigentlich, trifft man doch dieser Tage überall auf Endzeit-Apologeten. Gemeint sind dabei ausdrücklich nicht Jene, die uns auf tatsächliche Gefahren aufmerksam machen wollen. Sie wissen schon: Klimawandel, Artensterben, Plastikschwemme. Nur leider gehen diese Menschen im Geschrei der Endzeitler unter.

Eine Auswahl: Wahlweise sind es Juden oder Muslime, die finsterste Absichten verfolgen. Ist Deutschland denn nun eigentlich schon islamisiert oder nicht? Es fällt mir ehrlich schwer, den Überblick zu behalten. Auch unter den Top 3: Die Geschlechterforschung. Klingt harmlos? Klar, denn nur die englische Übersetzung lässt Halsschlagadern schlagartig pulsieren: Gender Studies. Auch Homosexualität bedroht nach Ansicht einiger Verwirrter unsere Gesellschaft. Sollten Sie bis hier hin noch immer nicht in eine Tüte atmen müssen, um sich zu beruhigen – es gibt eine neue Bedrohung. Eine, die ich nie als solche angesehen hätte. Das „d“.

Schreibt ein Unternehmen neue Stellen aus, steht dort neben den althergebrachten m (männlich) und w (weiblich) immer öfter auch das ominöse d – divers. Wir knicken ein vor den bösen Genderern, urteilen die selbst ernannten Experten am Stehtisch beim Fleischer. Dass es dafür eine einfache, biologische Erklärung gibt, interessiert nicht. Viele von uns müssten ständig kollektiv mit einem Knie am Boden schleifen, so oft wie wir angeblich vor irgendwas einknicken.

Wir sollten solchen Menschen viel öfter in aller Deutlichkeit sagen: Nehmt doch mal den Kopf aus der hinteren Körperöffnung. Niemand wird schwul, nur weil Vincent lieber an Jungs denkt. Der Muslim im Nebenaufgang trachtet dir in der Regel nicht nach dem Leben. Genauso wird es dir selbst nicht ein Stück schlechter gehen, nur weil jemand auf der Geburtsurkunde ein d zu stehen hat. Ganz im Gegenteil: Menschen, die mit sich  im Reinen sind, sich nicht verstecken müssen, können auch Anderen freundlicher begegnen. Leben und leben lassen, warum fällt das vielen so schwer? Es ist so einfach, sich irrationalen Ängsten hinzugeben und sich die Welt von Rattenfängern erklären zu lassen, anstatt zu hinterfragen: Ergibt das eigentlich Sinn? Eine ganz persönliche Bitte zum Schluss: Bald wird in Brandenburg gewählt. Bitte hinterfragen Sie. Beschäftigen Sie sich ausgiebig mit der Materie. Wählen Sie nicht aus Protest. Denn so irrational Endzeitler alleine auch wirken – treten sie geballt auf, behalten sie am Ende ironischerweise vielleicht doch recht.

Sebastian Schiller

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