„Vom Publikum kommt so viel Dankbarkeit zurück“

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Monika Ehrhardt-Lakomy über ihre neue CD mit Kinderpoesie und ihre Herz für die Cottbuser Reinhard-Lakomy-Schule 

Im unteren Teil Ihres Hauses, in dem früher das große Tonstudio Ihres Mannes Reinhard Lakomy war, befindet sich jetzt eine „Reinhard Lakomy“-Kita. Wie kommt das denn?

Nachdem mein Mann 2013 starb, habe ich in seinem großen Studio einen Kindergarten für zehn Kinder mit zwei Erzieherinnen eingerichtet. Das war sein Wunsch. Lacky war über 50 Jahre Musiker und hier, wo so viel wunderbare Musik für Kinder entstanden ist, spielen nun Kinder, und sie nutzen auch den Garten hinterm Haus.

 Es gibt in einigen ostdeutschen Städten Schulen und Kitas, die den Namen von Reinhard Lakomy tragen. Darunter auch im Cottbuser Ortsteil Groß Gaglow. Das ist eine ungewöhnliche Ehre für einen deutschen Musiker.   

Lacky war ein populärer, beliebter Künstler, der großartige Musik machte, von Jazz über elektronische experimentelle Musik, er schrieb Film- und Ballettmusiken, war ein Grenzgänger zwischen ernster und unterhaltender Musik. Und all sein Können nahm er mit in die Musik für Kinder,  für die ich die Texte schrieb. Mit der sind viele Kinder in der DDR aufgewachsen. Deshalb benannten sich nach der Wende Schulen nach Lacky, zum Beispiel in Halberstadt eine Schule für geistig behinderte Kinder und in Cottbus eine Grundschule. Aber auch Kitas heißen nach den Figuren aus unseren Geschichtenliedern: Moosmutzel oder Waldwuffel. Es gibt auch eine Grundschule Wolkenstein und eine Grundschule Traumzauberbaum. 

Haben Sie auch stetigen Kontakt zur Reinhard-Lakomy-Schule in Cottbus?

Die Cottbuser machen jedes Jahr ein Stück auf der Grundlage unserer Geschichten. Ich fahre dann auch immer hin zur Aufführung. Ich bedanke mich auch gern beim Publikum, und merke, da kommt so viel Dankbarkeit zurück. Ich bin immer ganz begeistert, dass ich die Stücke in die Welt gegeben habe und ihnen dann dort wieder begegne. So wie man Kindern begegnet, die erwachsen geworden sind. 

Gerade haben Sie in Ihrem kleinen Tonstudio am Haus eine neue CD produziert und veröffentlicht: „Mama Tresore und die Kanalrattenbande“.

Ja, es ist eine Doppel-CD vollständig mit Lackys Musik. Die Musik ist zum Teil 30 Jahre alt, es handelt sich um Film- und Ballettmusik von Lacky, die vor allem André Gensicke bearbeitet hat. Darauf habe ich dann die Liedtexte geschrieben. Früher war es umgekehrt, da vertonte Lacky meine Texte. Eingesprochen und – gesungen wurde die neue CD von auserlesenen Künstlern wie Franziska Troegner, Boris Aljinovic, Oliver Kalkofe, Josephin Busch, Thomas Nicolai,  Angelika Mann, Ilja Richter und vielen mehr. 

Am Traumzauberbaum. Foto: TL

Worum geht es in der Geschichte?

Mama Tresore ist eine Stadtratte. Sie lebt mit ihren beiden Söhnen in ihrer Knopfwerkstatt und verkauft bunte Knöpfe an die Stadtbewohner, die Tiere der Stadt.  Es kommen fremde Tiere, die Waldländer in die Stadt, ihr Waldbach ist verschwunden. Die Quelle soll sich unter einer alten Linde im Stadtpark befinden. Da erhält Mama Tresore einen merkwürdigen Knöpfe-Großauftrag für Uniformhosen vom Kanalrattenboss Toxico aus dem Kanalrattenreich unter dem Stadtpark. Mehr verrate ich nicht.

„Mama Tresore“ bewegt sich im Traumzauberbaum-Universum, das sich seit 1980 über Millionen Tonträger ausgebreitet hat. Inzwischen auch in Richtung Westen?

Im Osten sind Generationen mit diesen Geschichten aufgewachsen. Im Westen sind die kaum bekannt. Als wir mit unserem Traumzauberbaum-Musical zum Tag der Deutschen Einheit in Hannover gastierten, kamen aber die Leute von überall angereist. Ich glaube fest daran, dass sich Qualität durchsetzt. Die meisten Schulinszenierungen meiner Geschichten fanden übrigens in den letzten drei Jahren im Westen satt. 

Kindermusik wird von Erwachsenen oft belächelt.

Im Osten war das nicht so. Ich will niemandem zu Nahe treten, aber die meisten Kindermusiken, die ich aus den alten Bundesländern kannte, begnügten sich mit „Stube, Kammer, Küche“ und drei Griffen auf der Gitarre. Das Thema Musik für Kinder war im Westen unterbelichtet. Lacky und ich machten seit 1978 Poesie für Kinder, anspruchsvoll in Wort und Musik. Das gab es dort so nicht, das hat sich erst in letzten Jahren gerappelt. Im Osten wurde Kunst für Kinder sehr ernst genommen. Anerkannte Schriftsteller und Komponisten bemühten sich darum. Natürlich mache ich immer weiter mit Musikmärchen und Hörspielen mit Musik von anderen guten Komponisten. Das nächste Projekt habe ich schon im Kopf.

Worum wird es gehen?

Das will ich noch nicht sagen. Aber wie stets steckt in meinen Geschichten eine tiefere Moral, ohne Zeigefinger. Mein Credo lautet: Von vorne für Kinder, von hinten für Erwachsene. Es ärgert mich immer wieder, wie viel Mist an angeblicher Unterhaltung Kindern heute zugemutet wird.

Wie sehr behindert Corona aktuell Ihre Arbeit?

Meinem Reinhard-Lakomy-Ensemble sind seit März über 40 ausverkaufte „Traumzauberbaum“-Shows weggebrochen. Die erneute Schließung der Theater halte ich nicht für sinnvoll. Corona hat gezeigt, dass Kultur den Menschen ein Bedürfnis ist wie das tägliche Brot. Kein Video kann eine Livevorstellung ersetzen, die gemeinsame Energie von Bühne und Publikum ist belebend und beglückend. Die Theater können die Corona-Regeln umsetzen, wenn man das wirklich will. Kultur ist ja auch ein Wirtschaftsfaktor, da werden andere „Wirtschaftsfaktoren“ ungleich besser unterstützt als die Kulturschaffenden. Wir schaffen ideelle Werte, die der Mensch braucht für seine geistige Hygiene.

Reinhard Lakomy wäre im Januar 2021 75 Jahre alt geworden. Sie haben letztes Jahr in Ihrem Musikverlag aus seinem musikalischen Archiv zwei neue CDs veröffentlicht: „Zwischen der Stille“ und „Jazztronics“. Planen Sie weitere Veröffentlichungen?

Es gibt noch eine Menge unveröffentlichter Musik auf einer Terrabyte-Festplatte mit Archivmaterial von ihm, unter anderem die Musik „Gralssuche“, deren Aufführung Ende der 80er im Palast der Republik geplant war. In der Performance mit dem Ballett der Komischen Oper ging es auch um gesichtslose Menschen. Vielleicht störte die Funktionäre die Assoziation mit dem Realsozialismus in der DDR, jedenfalls landete das Projekt plötzlich im Eisschrank. Ich würde gerne auch das Stück „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ aktivieren, für das Lacky beim Elektronikmusik-Festival im französischen Bourges 1987 einen Preis erhielt.

Interview: Thomas Lietz

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