Trittfest – Teil 12: von Abu Dhabi nach Al-Ain mit dem Fahrrad

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In Abu Dhabi haben wir die ersten drei Nächte in einem kleinen Hostel verbracht, um uns zunächst einmal zu orientieren, Erledigungen zu machen und auch um ein paar Sehenswürdigkeiten mitzunehmen.

Ohne Jetlag und mit viel Tatendrang, erfüllten wir zuerst einen Wunsch von Justin, der sich sehr gerne mal wieder ein Fußballspiel anschauen wollte. Da das Wochenende vor der Tür stand und der nächste Spieltag in der UAE Pro League, der ersten Liga in den VAE, ausgetragen wurde, buchten wir uns also kurzerhand Tickets. Leider nur für den Auswärtsblock, da online alle Plätze auf der Heimtribüne anscheinend schon vergriffen waren.

Wir waren also darauf vorbereitet das gegnerische Team im Auswärtsblock zu unterstützen, doch bei unserer Ankunft wurden wir skeptisch beäugt, als wir nach dem entsprechenden Eingang gefragt hatten. Sogleich wurden uns kostenlose Karten für das Heimteam in die Hand gedrückt und nach der Sicherheitskontrolle konnten wir uns unsere Sitze aussuchen.

Nicht einmal ein Zehntel der mit 42.000 Sitzplätzen ausgestatteten Heimstätte des Al Jazira Club‘s war mit Zuschauern ausgelastet und die meiste Stimmung ging tatsächlich auch von den 15 – 20?! Fans der Gegenseite aus, die sich auf die Reise von Adschman nach Abu Dhabi gemacht haben.

Das war allerdings auch zum Teil dem Spielverlauf geschuldet, da das favorisierte Heimteam Al-Jazira nach 2 roten Karten die erste Halbzeit nur noch zu 9. ?! und mit 1:2 im Rückstand beendete und schlussendlich mit 1:5 verlor.

Trotz des für deutsche Verhältnisse maximal drittklassigen Kicks, der fehlenden Stimmung und der Heimpleite war es ein richtig authentisches Erlebnis und ein ganz anderes Gefühl als ein Stadionbesuch in Deutschland.

Hätte man doch in Deutschland in der Bundesliga in einem mehr oder weniger vollen Fußballstadion auf die nächste Bierdusche gewartet und sich mit 100 Dezibel mit seinem Nachbarn unterhalten, hatte man die besten Plätze 1 Meter vom Spielfeld entfernt und eine friedliche Grundstimmung.

In der Halbzeitpause wurden auch keine Interviews geführt, sondern die Dancecam angeworfen. Aufgrund der niedrigen Zuschauerzahl wurden wir natürlich auch aufgefordert zu tanzen und hatten 10 Sekunden Zeit unsere besten Moves auf der großen Videoleinwand vorzuführen. In bester Emirati-Manier wurde selbstverständlich auch noch ein neuer dicker 4×4 SUV verlost. Leider waren wir nicht unter den Gewinnern, sodass wir weiter Fahrrad fahren müssen.

Die Großzügigkeit der Emirati konnten wir allerdings auch hier schon deutlich spüren, denn wir wurden, fast schon wie selbstverständlich zu einem Sandwich und Popcorn eingeladen.

 

Nachdem Spiel entschieden wir uns kurzerhand dazu, einen wunderschönen Park, der mit vielen Lichterketten geschmückt wurde und generell auch im Dunkeln eine Attraktion war, zu besichtigen.

Unser weiterer Besuch war indes geprägt vom klassischen Sightseeing und Erledigungen. Zum Abschluss spazierten wir entspannt die noch vom 52’ten Jahrestag der VAE geschmückten Corniche Straße am Persischen Golf entlang und bewunderten die in der Nacht leuchtenden Wolkenkratzer.

Alles andere als entspannt war unsere Ausfahrt aus der Metropole und rein in die Wüstenlandschaft. Dadurch, dass Downtown Abu Dhabi eine Insel ist, gibt es zum Festland nur drei Bundesstraßenverbindungen, die den Verkehr mit mind. 5-6 Autostreifen pro Richtung lenken. Das hatten wir nach der entspannten Einfahrt unterschätzt. So richtig fahrradfreundlich (nicht) wird es dann auch immer erst bei einer Auffahrt einer Bundesstraße auf einen weiteren Highway. Hier treffen sich dann 6 stark befahrene Spuren, die geradeaus verlaufen mit weiteren 5 stark befahrenen Spuren die von rechts kommend auf den Highway Richtung Wüstenstadt Al-Ain führen.

In der Wüste wird das Unmögliche möglich gemacht. So fanden wir unweit unseres Schlafplatzes ein Festival mit einer schönen Lichtshow in der Nacht vor sowie einen 1A Fahrradrundweg mit öffentlicher Dusche, die nicht nur warm, sondern auch sauber war. Der Besitzer des Fahrradladens entlang dieser publiken Fahrradstraße war verwundert, dass „ich als Frau die Reise meines Mannes mitmache“ und schenkte uns prompt eine Dose Datteln. Nachdem unsere Räder dann einige Meter auf dem sechsspurigen Fahrradweg nur so dahin rollten, kamen wir an einem öffentlichen Campingplatz vorbei. Wir entschieden uns hier zu verweilen. Zu schön war die Oase mit Pavillons, Grillplätzen und sanitären Einrichtungen. Das erkannten auch die Emirati und so war der Campingplatz selbst unter der Woche gut besetzt.

Als kleine Randnotiz sei hier gesagt, dass die künstliche und kostenfreie Oase/Campingplatz auffällig viel mit Security und Aufräumpersonal bestückt war. Generell haben wir den Eindruck, dass es oft mehr Personal als nötig gibt. So sehen wir viele Arbeitende, die sich um Dinge kümmern, die sich in unserer Wahrnehmung eher weniger rentieren. Beispielsweise wird in einer Arbeiterkette der Bordstein abgeschliffen damit der Letzte diesen per Hand neu bepinseln kann, um den Grauton wieder zwei Nuancen heller zu gestalten. Oder wir sehen Bademeister an Gewässern sitzen, die nicht für den Schwimmbetrieb freigegeben sind.

Die dadurch entstehenden Jobmöglichkeiten und recht hohen Löhne ziehen viele ausländische Arbeitskräfte an, sodass die eigentlichen Emirati nur etwa 15% der Gesamtbevölkerung repräsentieren. Auch sind die Arbeitenden fast ausschließlich Männer, die durch Schilder mit der Aufschrift „Men at work“ angekündigt werden.

Wir haben uns öfters dabei erwischt darüber nachzudenken, wie sich die VAE die ganzen Personalkosten sowie die Instandhaltung öffentlicher Einrichtungen ohne Eintritt leisten kann. Die Antwort scheint vorwiegend immer ganz einfach: Erdöl. Das Hauptexportgut ist hier maßgeblich mitverantwortlich für den hohen Lebensstandard, den die Emirati besitzen.

Deutlich wurde das auch durch ein Gespräch am nächsten Tag. Als wir von der Oase aufbrechen wollten, lud uns ein Emirati zum Tee ein. Neben anderen Dingen, die wir fast nicht zu glauben vermochten, erzählte er uns von den staatlichen Leistungen zur Heirat. Heiratende Emirati würden nämlich vom Staat als „Startkapital“ 70.000 Dirham (etwa 17.000€), ein Auto sowie ein Haus bekommen. Ehesubventionen mal anders. Unser Tee fand durch das Erstaunen fast den Weg in den Wüstensand. Unser Tag, der auf jeden Fall in Erinnerung bleibt, hatte aber gerade erst begonnen und wird hier im Folgenden näher beschrieben.

 

Nach ein paar Kilometern machten wir halt an einem kleinen pakistanischen Restaurant entlang der Bundesstraße. Es gab keine Menükarte, weshalb der nette pakistanische Inhaber Justin direkt in die Küche lotste und die Tagesgerichte durch Zeigen des Inhalts in den Töpfen präsentierte. Auch ich bekam einen exklusiven Einblick. Als ich fragte, wo es eine Toilette gibt, ließ er mich sogar auf seine private Toilette gehen, die andere sei nicht gut. So habe ich einen kurzen Einblick in das Leben eines augenscheinlich unterbezahlten Expats bekommen, der sich mit dem Restaurant hier an der Bundesstraße das Leben finanziert. Dieses stand im krassen Gegensatz zu unseren deutschen Verhältnissen aber auch zu den von den Emiratis, die mit ihren polierten SUV’s und Sportwagen in hoher Frequenz an uns vorbeifahren.

 

Nach weiteren Kilometern fanden wir uns in einem kleinen improvisierten Büro von indischen und pakistanischen Bauarbeitern wieder und tranken gemeinsam Kaffee. Eigentlich wollte ich an einer Tankstelle, die sich im Bau befand, nur auf Toilette gehen. Als ich wieder rauskam, wurde Justin wie selbstverständlich und ohne wiederworte in das Büro geführt. Der Ingenieur höchstpersönlich ordnete 2 Tassen Kaffee an, die wir dann unter einigen Fragen und interessierten Blicken tranken.

Gefordert von den vielen Eindrücken des Tages und der sozialen Interaktion freuten wir uns auf das Wildcampen und hielten am Seitenstreifen an, um einen Platz ausfindig zu machen. Ein Tesla fuhr an uns vorbei, wurde langsamer, blieb stehen, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr zu uns. Zayed ließ lässig das Fenster runter und fragte, ob wir Hilfe brauchen. Wir entgegneten nur, dass wir auf der Suche nach einem Campingplatz sind und überlegen einfach weiter links neben der Straße unser Zelt aufzuschlagen. Für ihn war das unverständlich, wie man mitten in der Wüste campen möchte – ohne sanitäre Einrichtungen. Seine Conclusio: er lud uns zu der Farm seines Vaters ein, um dort zu nächtigen.

 

Dabei war der Begriff „Farm“ aber stark untertrieben. Ein Streichelzoo mit drei Beschäftigten würde es besser beschreiben. Kurzerhand wurden uns von der Familie alle Tiere vorgestellt: von Hasen über Pferde, Ziegen, Schafe, Papageien, Gazellen, Hühner und diverse Vogelarten bis hin zu Sträußen (?!) war alles dabei. Wir waren geflasht. Aber natürlich gab es noch mehr Überraschungen und es wurde noch verrückter, denn sowohl Pferd als auch Strauß sollten wir reiten. Wie bitte?! Weder haben wir Kenntnisse im Pferdereiten, die über dem Ponyritt mit 3 Jahren hinausgehen noch im Reiten von einem, ich wiederhole es gerne nochmal, Strauß?! Ein nein wurde natürlich nicht akzeptiert. Wir konnten es aber auf das Pferd runterhandeln. Hier traf es sich gut, dass das Familienoberhaupt in seinen aktiven Jahren Coach war.

Wir kamen aus dem Staunen gar nicht mehr hinaus. Währenddessen wir mit dem Pferd und dem „nicht runterfallen“ beschäftigt waren, wurde die nächste Attraktion schon vorbereitet. Zu der Farm gehörte auch viel Land mit Sand. Und wie nutzt man viel Sand und Land auf Emirati-Art? Natürlich mit viel Benzin und lauten Motorengeräuschen, die Justin auf dem Quad nach dem Reiten ausspielte. Was für ein verrückter Tag!

Am Abend führten wir dann unseren Mägen unser am Vorabend vorbereitetes Essen zu. Justins Portion war nicht mehr ganz so frisch, dennoch siegte der Hunger am Ende. Was wir allerdings noch nicht wussten: die pakistanischen Arbeitskräfte der Farm hatten uns auch ein Mahl zubereitet, was wir ebenfalls noch brav verschlangen. Beim vollen Mageninhalt blieb es aber nicht, da sich Justins Magen in der Nacht einmal umkrempelte, sodass er seines gesamten Mageninhalts überdrüssig wurde und damit das Ende dieses skurrilen Tages einleitete.

Am nächsten Morgen musste ich dann allein das pakistanische Essen zu mir nehmen. Justin war erst am Nachmittag wieder bereit für feste Nahrung. In Anbetracht der Tatsache schädigten wir unsere geschundenen Körper nicht noch mehr und entschieden uns für eine sanfte Tour à 40km.

Am Zielort angekommen gingen wir bewusst sozialer Interaktion aus dem Weg und versteckten uns beim Zeltaufbau, so gut es ging, hinter den Büschen des ausgetrockneten Zakher Sees.

Unsere nächsten Besucher, ein Emirati (Ali) und ein Niederländer (Johann), ließen sich von unserem Versuch unbemerkt zu bleiben aber nicht beeindrucken und fuhren mit einem weiteren dicken 4×4 SUV vor. Die schiere Größe des Autos beeindruckte uns. Zum Vergleich gibt’s ein Bild des Reifenprofils mit Justins Schuhprofil (Gr. 43). Ali, der Fahrer, Geschäftsmann, Besitzer von 2 Häusern und zweifacher Ehemann wollte uns unbedingt zu sich nach Hause einladen. Mit dem Angebot, dass wir unsere Wäsche bei ihm waschen dürfen, hätte er uns auch fast überredet.

Ein kurzer Blickaustausch zwischen Justin und mir machte aber schnell klar, dass wir Zeit für uns haben wollen und brauchen. Auch das verlockende Barbeque schlugen wir aus. So ganz abschütteln ließ sich Ali aber nicht und so tauchte er 2h später mit einem typischen arabischen Abendessen, Tee und Kaffee wieder bei uns auf. Wir nutzen die Zeit, um uns mit ihm und Johann, der ebenfalls mit seiner Frau und ihren beiden Fahrrädern unterwegs ist, an unserem Zelt auszutauschen.

Kurz bevor Johann und Ali wieder fahren wollten, wurde Justin dann noch mit der traditionellen Kopfbedeckung eingekleidet und es wurde eine Uhrzeit festgelegt, zu der Ali uns dann auch Frühstück vorbeibrachte.

Tatsächlich starteten wir am nächsten Morgen dann mit einem reichhaltigen arabischen Frühstück und weiteren Konversationen in den Tag, um dann unseren Weg nach Al-Ain an der omanischen Grenze anzutreten.

Kein besonders langer Weg, aber lang genug, um die nächste Einladung aus dem Auto zugesprochen, 2 Packungen Datteln und einen Beutel Mandarinen zu bekommen.

Wie wir den Weg in Richtung des Omans antreten, erfahrt ihr dann in unserem nächsten Beitrag.

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