Die Wolfsschlucht liegt im Pückler-Park

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Durch wiedergefundene  „verlorene Orte“ verändert sich der Pückler-Park ständig

„Wanderer, kommst du nach Spa…“ heißt der Titel einer Kurzgeschichte von Heinrich Böll, der auf einer kriegerischen Begebenheit in der antiken griechischen Geschichte und auf einem Schiller-Gedicht fußt. Wir erlauben uns den Tausch von zwei Buchstaben und sagen: Wanderer, kommst du nach Bra… Während Ersteres Sparta meint, laden wir nach Branitz ein. Aus Überzeugung und in der Gewissheit, dass es um friedlichere Dinge geht, nicht um Zerstörung, sondern – im Gegenteil –  um Wiederfinden, Sanierung, Rekonstruktion. Wir reden von den „Verlorenen Orten“.

Wir reden mit Parkleiter Claudius Wecke, mit Bernhard Neisener, dem Vorsitzenden des Fördervereins Fürst Pückler in Branitz e.V.,  und Anja Rolland, Vorstandsmitglied im gleichen Verein.  Warum aber über Verlorenes reden, über verlorene Orte?, steigen wir ein. Oder ist vielleicht nicht ganz verloren, was uns nicht bekannt oder zugänglich ist? Damit sind wir auf dem richtigen Pfad. Claudius Wecke erklärt: „Verlorene Orte sind Orte, die im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung verloren gegangen sind. Es gab ja einschneidende Daten wie den Tod des Fürsten 1871 und den Erbantritt des Reichsgrafen gleichen Namens  oder das Jahr 1945. Da ist vieles verloren gegangen oder aus dem Bewusstsein geraten. Doch es gibt ja Archive, Karten, Pläne, Aufschriften, Aufzeichnungen, Notizzettel, Rechnungen, die an Vergessenes erinnern und beim Wiederfinden und Rekonstruieren helfen können. Darum geht es uns.“

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Der Schmiedegarten. © C. Wecke

Wer den Branitzer Park schätzt, weil er zu jeder Tages- und Jahreszeit anders aussieht, bei Sonnenuntergang nicht dem Park gleicht, der er bei Sonnenaufgang ist, wer den Park als eine einzige grüne Gedichtsammlung empfindet, der erfährt, dass er auch eine Art Detektivgeschichte ist. Der Parkleiter: „Ja, ein bisschen sind wir bei Sherlock Holmes in die Schule gegangen. Jeder neue Hinweis ist ein Puzzleteilchen auf dem Wege, einen Fall zu lösen.“ Bei der Führung zu Verlorenen Orten am Tag des offenen Denkmal sprach Wecke sogar von möglicherweise tausend verlorenen Orten. Dem stehen zehn gegenüber, die wiederhergestellt sind. Jeder einzelne verändert den Park, wie wir ihn gegenwärtig kennen, stellt Vergangenheit wieder her und zeugt von einer Zukunft des Parks.

Das ist ein Verdienst des Fördervereins Fürst Pückler in Branitz e.V., der sich 2005 nach seiner Gründung als ein Organ bürgerschaftlichen Engagements für dieses Landschaftskleinod bald  an die Wiedererweckung der verlorenen Orte machte. Bernhard Neisener ist seit 2015 sein Vorsitzender. Für ihn sind die Verlorenen Orte in diesem genialen Gartenkunstwerk eine Chance für Besucher, sich der Pücklerschen Ideenwelt von der emotionalen Seite her zu nähern. „Es ist wissenschaftlich viel über das Werk des Fürsten gearbeitet worden. Besonders hat sich darum Prof. Helmut Rippl verdient gemacht. Der Park weckt Ehrfurcht und bei manchem aber auch die Scheu: Verstehe ich richtig, was der Park mir zeigt? Die Verlorenen Orte öffnen emotional manches Tor in Pücklers Gedankengebäude.“ Neisener hebt die Verdienste seiner Vorgängerin Heidemarie Konzack hervor, der der Park eine Herzensangelegenheit war und auch noch ist. Unter ihrer Leitung erhielt der Park immense Zuwendung.  Anja Rolland, Parkmitarbeiterin, studierte Biologin und kamerabewehrte Beobachterin des Wachsenes und Gedeihens, erzählt darüber, wie der Förderverein für die Parklandschaft tätig wurde: „Werkzeuge dafür waren einerseits Münzen, Scheine, Schecks, aber andererseits auch Hacke und Spaten, das heißt die Vereinsmitglieder warben Spenden ein und  legten – unterstützt von vielen weiteren Parkfans – selbst Hand an, die wiedergefundenen Orte in Arbeitseinsätzen zu bepflanzen, zu hegen und zu pflegen.“

Die Verlorenen Orte erzählen Geschichte und Geschichten. Bernhard Neisener: „Wir leben mit diesen Geschichten, und, sofern nötig, beleben wir sie und vermitteln sie weiter, weil sie das Bild von unserem Park bereichern.“ Anja Rolland, immer mit einem Texthinweis zur Stelle, zitiert den Fürsten. Er schrieb in einem Brief an Ludmilla Assing: „Sie wissen aber, dass ich mit meinen 77 Jahren ein märchengläubiges Kind bin, in welch glückliche Region ich mich so gerne aus der rauen und monotonen Wirklichkeit flüchte.“ Von diesem Geist ist Pückler und sind viele seiner Hinterlassenschaften.

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Die Mondstele auf den Mondbergen. © Anja Rolland

Die Mondstele auf den Mondbergen mit dem stählernen Halbmond erinnert an Pücklers Orientreise und verkündet  wohl auch eine Stimmung ihres Urhebers – im Mondlicht sieht alles unwirklicher aus als am Tage, veränderlich und trügerisch ist die Welt. Ein Denkmal für seine letzte Stute Adschumej setzte Pückler mit einer Grabplatte für das Pferd, das er als „brav, schön, klug“ bezeichnete. Zwischen Seepyramide und Tierpark befindet sich an der Rehtränke eine Steinsitzgruppe, an der der exotisch inspirierte Pückler sicher seine Freude hätte, grüßen doch aus ihrem Gehege heute die Elefanten herüber. Den Branitzer Parkeingang ziert heute wieder ein historisches Schild. Den Park verschönerten zu Pücklers Zeiten und an vielen Stellen jetzt  wieder, jenen Jahren nachempfunden,  Pflanzungen, Blumenständer und Kandelaber. Auf dem Heiligen Berg steht ein Kruzifix, einen Abgrund beschwörend, der „Wolfsschlucht“ genannt wird. Ja, es gibt eine Wolfsschlucht im Branitzer Park. „Der Freischütz“ war Pücklers Lieblingsoper und soll dort auch einmal aufgeführt worden sein.

Noch steht die Wolfsschlucht nicht in der Liste der (wiedergefundenen) Verlorenen Orte. Claudius Wecke: „Wir wissen einiges, aber noch nicht genug. Es gibt noch viel zu erforschen.“ Es könnte ja sein, dass noch 990 Entdeckungen warten. Wanderer, kommst du nach Bra….“, suche die Verlorenen Orte auf –  vielleicht kommt dir etwas in den Sinn, was interessant ist. Anja Rolland bemerkt: „Der eine oder andere Cottbuser kann ja richtig mitwirken: Alte Postkarten, leer oder beschrieben (vielleicht sind sogar im Grußtext wertvolle Hinweise), Briefe, Fotos aus dem Familienalbum, alte Gegenstände – alles kann uns weiterhelfen.“

Klaus Wilke

Kontakt: Fürst Pückler in Branitz e.V., Robinienweg 5, 03042 Cottbus; vorstand@fuerstpuecklerinbranitz.de, Fon 0151 29701296 oder 0176 22949953

Titelbild: Das Heilige Kreuz auf dem Heiligen Berg. (© Anja Rolland)


Verlorene Orte und das Jahr ihres Wiedergewinns

2007         Mondstele auf den Mondbergen
2008         Kreuz auf dem Heiligen Berg
2009          Rosenbeet mit Hochtammrosen
2010          Historisches Parkschild am Branitzer Torhaus
2011          Historischer Kandelaber an der Schlossbrücke
2012          Vergoldete Blumenständer
2013          Steinbank am Vergrabenen Bauern
2013          Steinsitzgruppe an der Rehtränke
2013          Grabplatte des Pferdegrabes
2016          Schmiedezaun undHistorischer Garten an der Parkschmiede
2016          Cottbuser Torhaus; Kandelaber und Schalen

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