Bundestagsqual

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Man kennt das, der absolute Klassiker bei Bewerbungsgesprächen: „Der Job ist weiterhin vakant, welche Qualifikationen bringen Sie denn mit?“ – „Sie kennen mich.“ Schwups, eingestellt.

Nun ist der Job der deutschen Kanzlerin nicht direkt mit jedem x-beliebigen Perspektivwechsel zu vergleichen, verdeutlicht aber das Dilemma in dem wir stecken. Umfragen zeigen es derzeit: Die ewige Kanzlerin wird aller Voraussicht nach weiter regieren. Ältere Leser können das vielleicht nicht nachvollziehen, aber für das Demokratieverständnis der heutigen Mittzwanziger ist das ein mittelgroßes Desaster. Wir kennen nur diese eine Kanzlerin.

Für Schröder waren wir noch zu jung, echte Alternativen hat es in den letzten 12 Jahren nicht gegeben. Wir sind die Generation Merkel. Daran wird auch der eigentlich urdemokratischste aller Prozesse nicht viel ändern. Wir haben die spannende Wahl: Wählen wir die Partei mit den netten runden Gesichtern auf den Plakaten oder doch die mit den Wahlslogans in bester Rosamunde-Pilcher-Manier? Oder vielleicht die Partei, die ihre Plakate im Luftschutzbunker gefunden hat? Wie fruchtbar ist der Schoß noch? Ich unverbesserlicher Gutmensch dachte tatsächlich, die Wahl wird mit Inhalten entschieden. Stattdessen machen wir uns über die 8 Prozent auf der einen Seite Sorgen und verlieren die 92 Prozent auf der anderen Seite aus den Augen. Stattdessen versuchen sich die Roten aus Verzweiflung zaghaft an Konzepten, während das technokratische Schweigen der Kanzlerin nahezu ohrenbetäubend laut in den Ohren klingelt. Und stattdessen fotografieren die Gelb-Bunten ihren Vorsitzenden im Minutentakt im Unterhemd beim Bocki-essen.

Weckt mal bitte jemand die Grünen auf? Gerade jetzt wäre ein entschiedeneres Vorgehen der Parteien so wichtig, echte Auseinandersetzungen, der Kampf für die jeweils als gerecht empfundene Sache. Demokratie braucht Demokraten und die wiederum fallen nicht vom Himmel. Dafür 5 Euro ins Phrasenschwein. Es ist doch bezeichnend, dass Stefan Raabs „King of Kotelett“ so ziemlich das Einzige ist, an dass wir uns mit Blick auf die Wahlkämpfe der letzten Jahre erinnern können. Verstehen Sie das hier als Plädoyer für mehr Demokratie, nicht für weniger. Diese Wahl wird eine historische, die Fragestellungen sind gigantisch: Wollen wir offen und liberal sein oder uns der Zukunft verschließen? Wollen wir mehr oder weniger soziale Gerechtigkeit und wie viel Freiheit wollen wir noch gegen vermeintliche Sicherheit eintauschen? Oder ganz einfach: Braucht auch dieses Land einen Perspektivwechsel?

Sebastian Schiller

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