Das Heimatmuseum in Dissen

0

In 100 Minuten durch 1000 Jahre

Ich sag mal so: In Ermangelung zwar erträumter, technisch aber in absehbarer Zeit nicht realisierbarer Zeitreisemaschinen hat der Mensch Museen eingerichtet. Und das ist gut so, so wahr ich Hermann Wanderer bin. Das stelle ich fest, nachdem ich mir nach vielen anderen Museumserlebnissen  das Heimatmuseum im Storchendorf Dissen erwandert habe. Eine alte Dorfschule von 1899, seit 1982 Museum.

Babette Zenker ist seit 1993 die Chefin hier. In Anklang an den berühmten Herrn der Ringe sucht man nach ähnlicher Benennung, die ihr gerecht wird und gendermäßig in Ordnung geht, vielleicht so: Frau aller Zeiten und Dinge.  Denn über die verfügt sie, genau wie ihre Kollegen. Das ist aus ihren Worten zu schließen: „Wir vermitteln Geschichte zum Anfassen, die mit allen Sinnen zu begreifen, also zu erleben ist.“ Zeitreise eben.

„Die jüngsten 200 Jahre spielen sich im Haus ab“, erklärt die Leiterin. „Dafür haben wir sechs Räume, die thematisch unterschiedlich ausgestattet sind.“ Im ersten erfährt man von den Arbeitstraditionen und Trachten, begleitet die Vorfahren auf den Markt und auf das Feld und kann Erstaunliches darüber erfahren, was es mit dem heute so genannten „Blauen Montag“ auf sich hat und dass das Rumpelstilzchen-märchenhafte Goldspinnen aus Stroh eine reale Grundlage hat. Der zweite Raum eröffnet den Blick auf sorbisch-wendische Bräuche und Festtrachten. Der dritte richtet sich an den Gaumen, verrät Geheimnisse der bäuerlichen Küche. Die Spinnstube ist die vierte Station. Babette Zenker: „Das müssen wir uns als den Jugendklub vor hundert, zweihundert Jahren vorstellen. Hier blühten die Volkslieder und wurden weitergegeben.“ Ein weiterer Raum ist den Märchen und Sagen, vorbehalten. Dass die „Mittagsfrau“ mit ihren Mahnungen zur Einhaltung von Arbeits- und Pausenzeiten eine Art Gewerkschaftsfunktion ausgeübt hat, war Hermann dem Wanderer wirklich neu. Der sechste Raum gibt Einblicke in das Kinderleben um 1900.

„Ich habe die glücklichste Arbeit der Welt“, erklärt Babette Zenker. „Natürlich geht das nur, weil ich an meiner Seite einen starken Förderverein und viele ehrenamtliche Helfer weiß, denen solche ,Zeitreisen‘ am Herzen liegen.“ Sagt’s und führt uns weiter zurück zu ihren Zeiten und  Dingen, hinter das Haus, in das Museumsdorf „Stary lud“ (Das alte Volk). Fünf Grubenhäuser, 1000 Jahre alt, erwecken durch rauchende Feuerstellen, trocknende Wäsche, einen eingespannten Webstuhl den Eindruck von Lebendigkeit, von nur kurzer Abwesenheit ihrer Bewohner. Zur Saisoneröffnung am 14./15.05. und am 28./29.Mai zum Fest des slawischen Mittelalters kann man hier Männer, Frauen und Kinder in einfachen Leinen- und Wollkleidern beobachten, wie sie  kochen, nähen, spinnen, töpfern, schmieden, schnitzen, aber auch spielen und singen. Alles mit Handwerkszeug und Gerätschaft jener Zeit. 1000 Jahre zurück für vielleicht hundert Minuten.

Das Museum hat ein reichhaltiges Veranstaltungsprogramm. Daraus zwei Tipps. Am 05.03. und den drei folgenden Samstagen findet von 14-17 Uhr sorbisches Ostereierverzieren für Jedermann statt. Gegenwärtig wird eine Ausstellung „Heimspiele“ mit Fotografien von Gerald Große gezeigt. Ab 17.04. ist Malerei und Grafik von Bettina Winkler zu sehen.

Dissen ist jedenfalls eine Wanderung wert, zu Fuß, per Auto oder Bus. Man kann damit wunderbar in die Zeiten reisen.

Hermann Wanderer

 

 

Teilen.

Hinterlasse eine Antwort