Das Phänomen der grauen Herren

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Ariadne Pabst spielt die Titelrolle in Jörg Steinbergs „Momo”- Inszenierung im Staatstheater

Am 26. November hatte im Staatstheater Cottbus das Schauspielmärchen „Momo” nach dem Roman von Michael Ende Premiere. Gespielt wird eine Fassung von Jörg Steinberg, der auch Regie führt. Wer ist denn nun diese Momo? Wenn Sie sich ein Bild machen wollen, geben Sie ihr die Gestalt der Schauspielerin Ariadne Pabst. Denn sie spielt die Momo.

Sie weiß über sie Bescheid, als wäre sie Momo selbst. Wer mit der seit 2008 in Cottbus wirkenden Schauspielerin (und bekanntlich auch ausgebildeten Bühnentänzerin) im Umkreis ihrer Rollen in „Nora”, „Nathans Kinder” oder „Hexenjagd” gesprochen hat, weiß, dass sie ganz eins mit ihren Figuren werden und die Zuschauer nahe und näher an diese heranlassen kann.

Wir sprachen miteinander in einer relativ frühen Probenphase, aber da war sie schon Momo.  „Momo”, erzählte sie, „kann etwas, was wenige können: zuhören. Sie nimmt sich Zeit; denn sie interessiert sich für Menschen.” Momo ist ja sicherlich ein Kind. Aber wie alt ist sie? „Momo kennt keine Zahlen, weiß nicht, ob sie zwei, drei oder acht Jahre alt ist.” Aber sie muss doch irgendwo hergekommen sein?. „Auch das weiß keiner. Sie meint, sie war schon immer da. Vielleicht ist sie aus einem Kinderheim ausgerückt, weil es ihr zu eng, steril, fremdbestimmt wurde. Oder sollte sie gar vor 102 Jahren auf die Erde gekommen sein, um die Menschheit zu retten? Dafür spricht auch, dass sie nächtelang in den Himmel starren oder aus dem Nichts ein ganzes Universum zaubern kann. Sie hat auch eine fantastische Fantasie, aus der Geschichten und Spiele entstehen. Die Kinder lieben sie und scharen sich um sie.”

Aber wo bleibt da das Drama, das die Geschichte bühnenrelevant macht? „Es entsteht durch eine ganzen Formation von unheimlichen grauen Herren, die den Menschen auflauern und ihnen die Zeit stehlen. Die Folge sind Unruhe, hektische Betriebsamkeit, Jagden von Ort zu Ort, von Termin zu Termin, Nachdenken, wie man mit noch größerer Geschwindigkeit durchs Leben eilen kann. Ihre Kinder dürfen nicht mehr mit Momo spielen, weil die ja noch ,Zeit hat’ und dadurch anders ist.  Stattdessen stellen sie sie mit Computerspielen und dergleichen still. Es ist eine trübe Welt der Atemlosigkeit geworden. Als Momo eine Demo gegen die grauen Herren organisiert, geht so gut wie keiner hin; denn sie haben keine Zeit.” Hat Momo nun keine Freunde mehr?  „Doch: den fidelen Straßenmusiker Gigi und den ruhigen, überlegten Straßenfeger Beppo. Und dann taucht da plötzlich eine Schildkröte auf, aber ob vielleicht die beiden zusammen  das Phänomen der grauen Herren besiegen können, will ich nicht verraten.”

Was die 2015 mit dem Max-Grünebaum-Preis ausgezeichnete Schauspielerin aber verrät, ist, dass sie sich dank dieser Produktion intensiv  mit Michael Ende und besonders seinem Buch „Momo” befasst hat.  Sie erzählt von dessen Kindheit, die von seinem Vater Edgar Ende, einem surrealistischen Maler, geprägt wurde. Seine Bilder, in einer Dunkelkammer in einem Zustand zwischen Schlafen und Wachen skizziert, fänden sich ähnlich, sprachlich reproduziert, in den Büchern seines Sohnes wieder. Aber abgesehen von aller Mystik seien wertvolle Botschaften nicht zu übersehen. So sei auch das Schauspielmärchen „Momo” ein Stück für die ganze Familie über unbeschwerte Kindheit und mögliche Bedrohungen sowie über den Umgang mit der Zeit, diesem seltsamen Stoff, den man sich nicht stehlen lassen dürfe.

Klaus Wilke
Titelfoto: Momo (Ariadne Pabst) und die Schildkröte Kassiopeia, Foto: Marlies Kross

Termine
Vorstellungen im Dezember: 4. bis 8. und 15., jeweils 10 Uhr; 21. und 26., 11 Uhr; 9. und 30., 18 Uhr; 6., 19 Uhr, im Großen Haus

 

 

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