„Der Sohn“ im Doppelwiderstand

0

Der Cottbuser Oliver Bukowski gewinnt „Lausitzen 2019“ – und macht in Bautzen Lust auf die Senftenberger Uraufführung

„Ach, du Scheiße“, habe er bei der Information per Telefon über den Gewinn von „Lausitzen 2019“ geantwortet. So scherzt Manuel Soubeyrand, Ostberliner des Jahrgangs 1957, über Oliver Bukowski, Cottbuser des Jahrgangs 1961. Jener gewann mit zwei Szeneskizzen und einem Exposé unter fünf Juroren einstimmig den 2018 zum zweiten Mal ausgeschriebenen Dramatikerpreis, wobei die 21 eingereichten Arbeiten anonym zu bewerten waren und hinter dem Siegerdeal nicht nur zehn Riesen in Euro an Preisgeld, sondern als Abmachung auch inszenatorische Chefbehandlung steht.

Der Preis, als eine Art Biennale gemeinsam von den drei Lausitzer Bühnen, dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen, dem Staatstheater Cottbus und der Neuen Bühne Senftenberg, gemeinsam gestiftet, widmet sich ausdrücklich Ideen, die sich inhaltlich mit der Region Ober- und Niederlausitz, also Heimat und Identität in den beiden Lausitzen, auseinandersetzen. Zu den einhelligen Juroren gehören neben den Intendanten Lutz Hillmann und Manuel Soubeyrand der Cottbuser Schauspieldramaturg Lukas Pohlmann und Madleńka Šołćic als Beauftragte des Bautzener Intendanten für sorbisches Theater sowie Harald Müller, Verlagsleiter des Ostberliner Fachmagazins „Theater der Zeit“.

Das Ganze geschieht an einem Sonntagmorgen vor rund 70 Zuschauern im kleinen Saal des Bautzener Burgtheaters und mit sonnigem Frühlingsblick von der Ortenburg auf Friedensbrücke übers Spreetal samt Wasserturm und, ganz links außen, dem Sorbischen Nationalensemble. Den Rahmen bildet der mittlerweile 127. „Lausitzer Literatur vorMittag“, eine monatliche Lesereihe in gepflegtem Rahmen des bis dato ersten sächsischen Theaterneubaus nach der Wende, vor reichlich 15 Jahren mit eingebauten Rietschelgiebel, der auf „Die Orestie“ verweist, eröffnet und immer noch wie nagelneu wirkend. Vor just 25 Monaten, wo draußen herrliches Schneetreiben tobte, als „Lausitzen 2017“ als erste Edition prämiert ward, gewann hier der Leipziger Ralph Oehme mit „Lausitzer Quartiere oder Der Russe im Keller“ seine bis dato achte Bautzener Aufführung, die im letztem Frühjahr herauskam nun vor kurzem in Senftenberg gastierte und bald in Cottbus (28. März und 13. April) begeistert.

ah_BZ_Lausitzen2019_Bukowski03++

Nun war die anfängliche Offenbarung durch den Senftenberger Intendanten abgesprochen und erfolgte bei einer Preisverleihung, bei der es nur einen feuchten Bautzener Blumenstrauß gab, weil dieser die Urkunde vergessen hatte. Dafür erzählte er als Laudator mit Begeisterung über Werk mit Autor und begründete auch den ungewöhnlichen Freudenausdruck hinreichend: Denn Bukowski, generell als medienscheu geltend und bei jüngsten Uraufführungen, von denen die meisten direkt in der Lausitz waren, selten zu sehen, hat zur Zeit auch noch die Drehbücher für eine achtteilige Fernsehserie an Hals wie Feder.

Denn er ist ohne Zweifel der bekanntester Gegenwartsautor, der in der Lausitz seine (Theater-) Heimat hat und von dort aus schnell startete. Dabei war sein damaliges Cottbuser Staatstheater-Debüt namens „Londn-L.Ä.-Lübbenau“ (1993) bereits das fünfte Werk, die Karriere spätestens ab „Bis Denver“ (1996) eine steile, wobei mit „Nichts Schöneres“, „Allerseelen rot“ (2001 in Dresden uraufgeführt) sowie „Nach dem Kuss“ oder „Kritische Masse“ weitere Meilensteine, seine Verlagsseite bei Kiepenheuer verweist auf mittlerweile 35 Stücke. In den jüngsten Jahren widmete er sich vermehrt Hörspielen, war aber dennoch in den Lausitzer Theatern präsent. Der Uraufführung von „Birkenbiegen“ in Senftenberg folgte dessen obersorbische Premiere in Bautzen („Za brězami“), zuvor war er mit „Ich habe Bryan Adams geschreddert“ in Cottbus und der Uraufführung „Indianer“ in Zittau (2014) am Start.

So erläuterte Bukowski kurz nach der Preisverleihung im witzigen wie theaterreifen Dialog mit seinem künftigen Regisseur kurz und prägnant den Anlass und gab auch das Credo, was er als Dramaprof seinen Studenten (derzeit in Ludwigsburg und Graz) mitgibt, preis: „Klappe halten und schreiben!“

Beide werden nun, so ist bei der Preisverleihung schon zu spüren, viel Freude bei der Entwicklung von Stoff und Stück haben, dessen Uraufführung an der Neuen Bühne im März 2020 erfolgen soll, obwohl „Der Sohn“ schon harte Probleme anspricht. Denn jener 16-Jährige befindet sich im doppelten Widerstand: gegen seinen laschen Vater, der sich vom System übertölpeln lassen hat und nunmehr nur im Strom mitschwimmt – und hart gegen das System. Denn wenn man als Ossi nur als Gefahr ernst genommen wird, dann eben auch als Extremist. Dabei hat er nicht nur mit Dr. Brenner einen verständnisvollen Onkel, der gern mit identitären Impulsen spielt, ohne sich dabei rhetorisch festnageln zu lassen, zu tun. Sondern auch mit seiner gutmenschelnden liberalen Familie, die seine Gesinnung gern vor der sie umgebenden Bürgerlichkeit verstecken möchte und ihn daher – per gemeinsamen Familienexil in einer Art Klosterzelle – auf den rechten, also auf einen linken Weg bringen will …

Bukowski schreibt, das zeigen auch die zwei gelesenen Szenen, für die sich Soubeyrand mit Tilo Esche, Marianne Helene Jordan, Friedrich Rößiger und Catharina Struwe vier seiner Schauspieler mitbrachte, also das Stück zur Stunde – just in einem heißen politischen Sommer, der die drei Bühnen aus Ostsachsen wie Südbrandenburg, also aus Ober- wie Niederlausitz, terminlich parallel zusätzlich vereint. Diese trennt zwar eine Landesgrenze und damit das System der Theaterfinanzierung, aber es eint das Sorbische, deren Siedlungsgebiet sich schräg durch die Region zieht – durchaus mit Einfluss auf das kulturelle Leben, nicht nur dank Finanzierung des Preises. So gibt es deutschlandweit kein vergleichbares Beispiel für einen Stückewettbewerb, bei dem drei Theater gemeinsam einen Preis ausloben.

Daher verwundert, dass sich (ebenso wie beim Startaufruf im Sommer 2016) nur insgesamt 21 Autoren beteiligten. Zum Vergleich: Bei der zeitgleichen Ausschreibung eines dreifachen Dichterexils im Dreiländereck, mit ganz ähnlichen Bedingungen wie „Lausitzen 2017“ ausgelobt, beteiligten sich 197 Autoren.

Einen Förderpreis, so als 2000-Euro-Impuls zur Weiterarbeit am Werk, gab es zudem: Ulrike Müller, wie Bukowski in Cottbus geboren und nun in Berlin lebend und in Dresden von 2001 bis 2005 als Staatsschauspielerin aktiv, gewann ihn für „Jay“. Die Lesung dessen zeigte – anders als vor zwei Jahren – eine klare Differenz zum verdienten Sieger. Damals ward Carla Niewöhner mit „Das leere Haus“ geehrt – das kriminalistische Familienmosaik feiert nun am 9. März seine Uraufführung in Regie von Esther Undisz in Bautzen. Zuerst als „Wopušćeny dom“, also auf Obersorbisch, später erfolgt die deutsche Premiere. Für die dritte Edition namens „Lausitzen 2021 geht der Staffelstab der Organisation dann in zwei Jahren gen Cottbus.

Andreas Herrmann
Titelfoto: Senftenbergs Intendant Manuel Soubeyrand freut auf Oliver Bukowskis „Sohn“, dessen Uraufführung er im Frühjahr 2020 inszenieren wird. Fotos: Andreas Herrmann

 

 

 

Teilen.

Kommentarfunktion ist deaktiviert.