Die Lausitz als Dramatikoase

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Die Lausitz kommt als Theaterthema so selten nicht vor: Oliver Bukowski und auch Jurij Koch erlebten kürzlich erst vielbeachtete Aufführungen in Cottbus, Zittau, Bautzen und Senftenberg. Dabei ging es fast immer um relevante Probleme wie Einwohnerschwund, Last versus Lust an der Braunkohle oder – wie jüngst bei Bukowskis „Birkenbiegen“ (derzeit in Senftenberg, ab 11. März  auf Obersorbisch in Bautzen) – um die Rückkehr von einst in den Westen Geflüchteten in ihr Heimatrevier.

Nun erfährt die Region als Sujet noch einen ganz neuen Drall – denn mit „Lausitzen“ (nicht Laus- oder gar Aussitzen!) wartet eine im deutschen Vergleich recht üppig dotierte Dramatiker-Biennale, um mit neuen Stoffen den Fokus auf die Region zu legen. Insgesamt zwölftausend Euro ist es den drei beteiligten Bühnen – dem Staatstheater Cottbus, der Neuen Bühne Senftenberg und dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen – wert, aller zwei Jahre eine umlaufende Uraufführung zu generieren, die dann mehrfach in den anderen Häusern gastiert. Dabei ist Bedingung, dass sich die Stückideen inhaltlich mit der Region Ober- und Niederlausitz auseinandersetzen, was bei der ersten Auflage 21 Autoren aus der ganzen Republik beherzigten.

Juroren treffen Sieger im Bautzener Burgtheater und erhalten einen Schlussapplaus nach dem Festakt: Harald Müller, Martin Schüler, Clara Niewöhner, Ralph Oehme, Christian Schneider und Lutz Hillmann (v. l.). Foto: Andreas Herrmann

Die Lausitzer Premierensieger verkündete die Ostberliner Monatsfachzeitschrift „Theater der Zeit“ Anfang des Jahres als erstes, ist doch deren Redaktionsleiter Harald Müller neben den drei Intendanten ebenso Jurymitglied wie Jurij Koch, der jüngst das Nachwort für Christian Schneiders Roman „Das Ende vom Paradies“ schrieb. Jener heißt als obersorbischer Schriftsteller Křesćan Krawc, ist 1938 in Lömischau geboren und lebt in Grubschütz. Nach dem Journalistik- und Agrarstudium war er Chefredakteur der obersorbischen Kinderzeitschrift „Płomjo“, ist dem Domowina-Verlag eng verbunden und verfasste auch mehrere Kinderbücher. Nun gewann er ebenso einen Förderpreis wie die aus Bremen stammende und in Köln lebende Theaterwissenschaftlerin und Regisseurin Carla Niewöhner – tausend Euro als „einmaliges Preisgeld zur Ermutigung, um weiter an den jeweiligen Stückideen zu arbeiten“, direkt aus der Hand des Cottbuser Intendanten Martin Schüler. Denn Niewöhner siedelte ihr Stück „Das leere Haus“ östlich von Cottbus, dicht an der Grenze zum Lebuser Land an.

Ein Unikat für deutsche Bühnen

Die Krone von „Lausitzen 2017“, im vergangenen Sommer als Stückewettbewerb erstmals ausgeschrieben, ist garniert mit zehn Riesen in Form eines Förderstipendiums zur Fertigstellung plus Uraufführungsvertrag und gebührt dem Leipziger Schriftsteller und Regisseur Ralph Oehme für seinen Vorschlag „Lausitzer Quartiere oder Der Russe im Keller“. Experten finden den gebürtigen Geithainer des Jahrganges 1954 und Regisseur des Leipziger Lichtfestes 2013, der für Bautzen schon acht Stücke schuf, in einem Band namens „14 Stücke junger Dramatiker der DDR“, herausgegeben nach der III. Werkstatt junger Theaterschaffender der DDR. Und zwar gemeinsam mit Peter Brasch, Jo Fabian, Manuel Schöbel und Holger Teschke. Nun geht seine neue Zeitreise zurück bis zum Wiener Kongress, also der Lausitzer Teilung, gedenkt anhand einer sorbischen Leineweberfamilie als Fixpunkt (bei der immer ein Russe im Keller haust) sowohl der Abdankung des letzten Sachsenkönigs als auch der Teilung von Görlitz und des Untergangs der Tuchindustrie. Dafür wurde er gemeinsam mit Niewöhner und Schneider Mitte Januar in Bautzen, wo im Frühjahr 2018 die Uraufführung sein soll, und am 19. Februar auf der Kammerbühne in Cottbus ausgezeichnet und vorgestellt.
Bautzens Intendant Lutz Hillmann freut sich auf die Uraufführung, die er selbst inszeniert: „Deutschlandweit gibt es kein vergleichbares Beispiel für einen Stückewettbewerb, bei dem drei Theater gemeinsam einen Preis ausloben.“ Er verweist auf die strikt anonymisierte Sichtung der Stückideen: „Damit steht die Idee und nicht der Bekanntheitsgrad des Autors im Fokus.“ Und der Wettbewerb geht weiter, denn 2019 und 2021 werden wieder Autoren die Lausitz als Dramatikoase vor- wie nachempfinden, neue Stückideen gebären, die dann aber jeweils zuerst in Senftenberg und Cottbus gezeigt werden.

Andreas Herrmann

Titelfoto (v.l.n.r.): neue Bühne Senftenberg © PR; Staatstheater Cottbus © Marlies Kross; Deutsch-Sorbisches Volkstheater Bautzen © PR

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