Editorial Januar 2017

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Neulich klingelte es an meiner Tür. Als ich öffnete, stand ein Mann vor mir, fragte mich, ob ich so hieße, wie ich heiße. Ich bejahte es und wusste, das war ein Fehler. Er übergab mir einen großen gelben Umschlag.  Ich war verunsichert: Hatte ich die große Hausreinigung nicht gemacht, wollte sich jemand von mir scheiden lassen, oder hatte ich etwa etwas gewonnen? Vielleicht viel? Leider weit gefehlt: Meine Landesregierung will mich kennenlernen und zwar richtig. Besser: Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat keine Ahnung, wer die Menschen sind, die in Berlin-Brandenburg, dem imaginären und nur auf öffentlich-rechtlicher Ebene verbandelten Konstrukt ohne Leben, leben. Freundlicherweise enthielt das Schreiben nicht nur die 74 Seiten starke  „Stichprobenerhebung über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt, Mikrozensus und Arbeitsstichprobe 2016 der Europäischen Union mit Zusatzprogramm der Europäischen Union“, sondern auch gleichzeitig einen netten dreiseitigen Hinweis „Heranziehungsbescheid mit Zwangsgeldandrohung“. Falls ich nicht, holterdiepolter, bis demnächst mitmache, werden 300 Euro fällig. Und das per §§3, 27, 28 und 30 VwVGBbg und § 7 MZG 2005. Laut §29 Absatz 1 VwVGBbg könnten Zwangsmittel so lange angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist, oder es könne Ersatzzwangshaft angeordnet werden. Im Vorbeilesen finde ich die Zeilen: Die Ergebnisse werden anonym und losgelöst von meiner Person in Statistiktabellen umgewandelt und zum frühestmöglichen Zeitpunkt vernichtet. Meine Daten seien Grundlage für „weitreichende politische und wirtschaftliche Entscheidungen.“

Ob die sich das richtig überlegt haben, mich Daten und allein ausfüllen zu lassen, fragt irgendein auf Kontra gelegter Teil in mir… Voller Vorfreude öffne ich das vielseitige Buch. Auf der ersten Seite finde ich eine Namenslasche: „Geben Sie alle Namen der im Haushalt lebenden Personen an. Telefonnummer für Rückfragen.“ Anonym!, schießt es mir durch den Kopf. Geheim! Die Leute, die seit 20 Jahren einen Flugplatz bauen, seit neulich eine sinnentleerte Kreisreform durchziehen und im Gedankenspiel das Piccolo dem Staatstheater einverleiben – die glauben, Daten geheim halten zu können? Das kann ja nicht mal Facebook, und das ist ein amerikanischer Konzern! Die Chinesen könnten das, da hat der Geheimdienst nicht mal einen Namen. Aber 300 Euro oder Zwangshaft? Das Jahr 2017 beginnt ziemlich spannend.

In diesem Sinne, bleiben Sie geheim!

Einen guten Start ins neue Jahr wünscht im Namen des Hermann-Teams

Heiko Portale

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