Ein Ort im Zeichen der Freiheit

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Der Abend des 11.10. war etwas Besonderes für die Mitglieder des Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. (MRZ). Im Brandenburger Dom wurde der Verein mit dem Brandenburger Freiheitspreis ausgezeichnet. Damit werden die Macherinnen und Macher hinter der Gedenkstätte des ehemaligen Cottbuser Zuchthauses für ihr unermüdliches Engagement geehrt. Aber solche Auszeichnungen sind eben nur die Höhepunkte des nunmehr sechsjährigen Vereinsalltags, der von Höhen und Tiefen geprägt ist, von kleinen Siegen, aber auch stetigem Kampf. Hermann hat sich mit der Geschäftsführerin, Sylvia Wähling, getroffen und über die Arbeit an solch einem besonderen Ort, die jüngsten Erfolge und Zukunftsvisionen gesprochen.

Im Anschluss an ein großes Treffen ehemaliger Häftlinge auf dem Gelände des Cottbuser Zuchthauses gründete sich im Oktober 2007 der Verein. Bis heute engagieren sich hier mehrheitlich ehemalige politische Gefangene, die unter dem Regime der SED zu Unrecht in Cottbus inhaftiert waren. Der Verein hat 2011 das gesamte frühere Gefängnisareal erworben und betreibt dort nun eine Gedenk- und Bildungsstätte. Dabei war von Anfang an klar, man möchte keine weitere „Kranzabwurfstelle für Politiker“ einrichten, wie es Syliva Wähling formuliert. Daher auch der programmatische Titel – Menschenrechtszentrum. Den Vereinsmitgliedern geht es um die Einrichtung eines aktiven Orts des Dialogs, der es möglich macht, einen Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart zu schlagen.
„Alles, was wir hier tun, steht unter der Überschrift der Menschenrechte. Einerseits nehmen wir die Fälle aus der Vergangenheit, lassen Zeitzeugen sprechen über ihre Geschichte und ihre Erfahrungen mit dem Unrecht, das ihnen geschehen ist, andererseits stellen wir einen Bezug her zu gegenwärtigen Menschenrechtsfragen. Unsere Besucher sollen sich bewusst machen, was für sie Menschenrechte heute bedeuten. Schließlich schauen wir auf aktuelle Menschenrechtsverletzungen und verweisen auf Parallelen zu den historischen Begebenheiten. Das machen wir auch, um unsere Besucher zu motivieren, sich heute für die Durchsetzung unserer aller Menschenrechte zu engagieren.“
Dabei ist nicht immer die ganz große Tat gemeint. Es liegt oft im Kleinen, Alltäglichen. Verteidige ich einen Mitschüler gegen Spott, oder kaufe ich nicht das Discountshirt, welches unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert wurde? Sylvia Wähling betont: „Freiheit fällt nicht einfach vom Himmel, sondern sie muss jeden Tag erkämpft werden“. Im MRZ kann man lernen, wo es sich lohnt, genauer hinzuschauen.
Die Mitstreiterinnen und Mitstreiter von Sylvia Wähling setzen sich jeden Tag für ihr MRZ ein. Geld spielt in solch einem Projekt immer wieder eine Rolle. Oft ist es die Abwesenheit desselbigen , die für Kopfzerbrechen sorgt. So sah es vor zwei Jahren kritisch aus, da nicht klar war, ob das MRZ überhaupt noch finanzierbar ist. Zum Glück kam doch noch Geld vom Land und privaten Spendern. Besonders hervorheben möchte Sylvia Wehling die Unternehmensgruppe Umweltgerechte Kraftanlagen (UKA). Erst kürzlich hat die UKA einen Scheck von 50.000 € dem Verein überreicht. Der steht aber nur stellvertretend für die kontinuierliche finanzielle Unterstützung, welche das Unternehmen von Beginn an geleistet hat. Dieses Geld war nie Bonus, sondern floss in die Deckung der laufenden Kosten, und wird daher vom Verein hoch geschätzt.
Das Geld aus dem Mauerfond, das erst kürzlich zugesprochen wurde, gilt jedoch einem speziellen Bauprojekt –  der Sanierung eines der Wachttürme. Dabei geht es nicht nur um die Erhaltung der Bausubstanz auf dem Gelände, sondern auch darum, einen weiteren Teil des Gefängnishofs wieder betretbar zu machen und damit den Besucherinnen und Besuchern einen umfassenderen Eindruck von dieser Anlage zu vermitteln. Sylvia Wähling bezeichnet diese Instandsetzung als „Kleinigkeit“. Ganz anders steht es um die großen Baustellen auf dem Gelände. Die marode, alte Pentacon-Halle soll zu einem multifunktionalen Veranstaltungsort – für Lesungen, Konzerte, Tagungen – werden. Neben mehr Büroräumen  ist auch eine neue Dauerausstellung zu Zwangsarbeit im Strafvollzug ein zukünftiges Projekt. Für all das braucht es mehr als ein paar Tausend Euro, es braucht ein paar Millionen.
Preise, wie der Brandenburger Freiheitspreis, sind natürlich gute Referenzen gegenüber möglichen Geldgebern und helfen hoffentlich, an entscheidender Stelle zu überzeugen, dass sich eine Investition ins MRZ unbedingt lohnt. Darüber hinaus sind die Mitglieder des MRZ stolz auf die jüngste ihrer Auszeichnungen. Sylvia Wähling erklärt die besondere Symbolik: „Das ist für uns eine sehr große Ehrung. Es ist eine große Freude, gerade weil dieser Preis Freiheitspreis heißt. Die Menschen, die hier inhaftiert waren, denen zu Unrecht die Freiheit entzogen wurde, sind nun, als Eigentümer dieses ehemaligen Gefängnisses, hier damit beschäftigt, den Gedanken an Freiheit lebendig zu halten“.

Sabrina Kotzian

Titelfoto: Am  12. Oktober wurde der Verein „Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.“ mit dem ersten Brandenburger Freiheitspreis des Domstiftes Brandenburg ausgezeichnet. In seiner Laudatio würdigte Bundesaußenminister Frank- Walter Steinmeier – hier bei der Übergabe des Preises an die Vorsitzenden des Vereins, Sylvia Wähling und Dieter Dombrowski  – den beispiellosen Vorgang, dass die ehemaligen politischen Häftlinge ihr Gefängnis „in einen Ort der Versöhnung und einen Ort der Menschenrechte“ umgewandelt hätten.  © L. Nicht

Mehr Informationen: www.menschenrechtszentrum-cottbus.de

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