Cottbus – für mich Liebe auf den zweiten Blick

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Mirko Wohlfahrt leitet eines der wichtigsten Turnsportturniere der Welt

Der Deutsche Turner-Bund schreibt: „Eine große Überraschung ist gelungen. Am Rande der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro hat das Exekutivkomitee des Turnweltverbandes, F.I.G., beschlossen, dem Cottbuser ,Turnier der Meister®‘ den Weltcupstatus zuzuerkennen. Somit wird bereits im Herbst 2016 die 41. Auflage starten und das erste Weltcupturnier der neuen Olympiade sein.“ Mirko Wohlfahrt und seinem Team ist damit etwas Besonderes gelungen. Neben Cottbus gibt es nur noch drei weitere Austragungsorte auf der Welt. Warum gerade Cottbus, haben wir den Turnierdirektor gefragt.

Wie und warum sind sie nach Cottbus gekommen?
Ich bin als Neunjähriger aus der schönen Oberlausitzer Stadt Bautzen als Turner in die Niederlausitz nach Cottbus gekommen. Nach dem Abi habe ich an der heutigen BTU studiert, 13 Jahre als diplomierter Ingenieur gearbeitet, um dann wieder den Weg zurück in den Sport zu finden.

Was genau machen sie heute?
Ich bin Angestellter beim Trägerverein des Olympiastützpunktes Brandenburg und leite den Bereich hier in Cottbus. Wir kümmern uns, kurz gesagt, um fast alles. Um die infrastrukturellen und weichen Rahmenbedingungen, damit Sportlerinnen und Sportler ordentliche Bedingungen vorfinden und ordentlich betreut werden, damit sie ihre persönlichen Ziele erreichen können. Die heißen: erfolgreiche Teilnahme an nationalen und internationalen Wettkämpfen. Die Teilnahme an olympischen Spielen ist dabei die Krönung. Wenn SportlerInnen sich dann auch noch mit Medaillen belohnen können, ist es halt der Gipfel. (lacht)

Betreuen sie direkt Sportler?
Nein, nicht den Sportler, sondern den Menschen dahinter. Wir sind vor allem Anstellungsträger für die Trainerschaft und kümmern uns um die Rahmenbedingungen, wie Laufbahnberatung zur dualen Karriere, Umfeldmanagement, die Koordination ärztlicher Betreuung, Physiotherapie, Sportpsychologie, Mentaltraining, Ernährungsberatung und Ähnliches. Geförderte Projekte liegen auch auf unseren Tischen, wenn die Akquise erfolgreich war.

Warum sind sie in Cottbus geblieben?
Warum nicht? Wenn man viele Jahre hier groß wird – ich bin 1978 angekommen, habe dann 1990 mit dem Studium angefangen -, gab es schon Zeiten, in denen ich darüber nachgedacht habe, andere Wege einzuschlagen. Ich denke da besonders an die Wendezeit. Aber unterm Strich hat man hier seine Freunde, sein soziales Umfeld, kann gemeinsam was anpacken. Cottbus hat sich, aus meiner Sicht, super entwickelt, ist sehr lebenswert. Ich muss ehrlich sagen, Cottbus ist für mich Liebe auf den zweiten Blick…

…was war denn der erste Blick..?
Als ich herkam, war Cottbus nicht ganz so schön. So war mein Bauchgefühl. Dann aber habe ich gesehen, wie die Stadt wächst, sich entwickelt und immer schöner wurde – erst recht in der Nachwendezeit. Dann sah ich die großen Entwicklungen durch Herausforderungen wie z.B. die BuGa. Das ist es wohl, was mich am meisten hier beeindruckt, Menschen, die anpacken, wie viele meiner Freunde: verlässliche, fleißige Menschen. Das ist eigentlich der Punkt, warum es mir hier auch Spaß macht weiter anzupacken. Ich bin auch dankbar dafür, dass es hier so viele Leute gibt, die sich gemeinsam in Projekte „reinkloppen“, um es mit meinen Worten zu sagen. Davor kann ich nur den Hut ziehen, bin dankbar, ein Teil davon sein zu dürfen.

Wie sind sie an das „Turnier der Meister®“ geraten?

Ich bin sozusagen ein Kind dieses Turniers, war als kleiner Junge 1979 beim damals dritten „Turnier der Meister“ in der Stadthalle als „Schilderkind“ dabei, wie es heute die Kinder auch noch ganz stolz tun. Ich bin dabei geblieben, zunächst als Nationenpräsentator, später als Sekretär am Kampfgericht und schließlich bei der Wettkampfregie als fachlicher Berater. Im Jahre 2003 ging es darum, das Turnier in die Regie des SC Cottbus Turnen e.V. zu übernehmen. Nachdem das vollzogen war, wurde ich „Finanzminister“ des Turniers, habe mich um Managementaufgaben gekümmert und dann 2008 mein erstes Turnier als Direktor übernommen und immer ein super Team an der Seite gehabt.

Was ist jetzt anders als früher?
Es haben sich die Anforderungen geändert. Wir hatten Sorgen, dass das Turnier seinen Status verliert. Wir wollten das Turnier nach oben bringen – dabei ist nicht zu vergessen, dass meine Mitstreiter und ich das alles im Ehrenamt organisieren. Das Herzblut, das wir in dieses Turnier stecken, spüren unsere Gäste. Die kommen sehr gern wieder und loben viel. Dieses Lob ist inzwischen auch beim Weltturnverband angekommen. Neben unseren inzwischen international  wettkampfpflichtigen  Innovationen hat das dann auch ein Stück dazu beigetragen, dass wir jetzt den Zuschlag für eines der vier Weltcupturniere für die nächsten vier Jahre bekommen haben.

Das Turnier der Meister® ist aufgewertet worden und nun zum Weltcup avanciert. Wie ist es dazu gekommen oder warum war das nötig?
Das internationale Olympische Komitee hat den Weltturnverband aufgefordert, ein Wettkampfsystem zu entwickeln, das Turner dazu berechtigt, sich über die Weltcups für die Olympischen Spiele qualifizieren zu können. Dies war über die weltcupähnlichen Veranstaltungen, die hießen World-Challenge-Cups, nicht möglich. Also konnte es sein, dass der Weltranglistenerste, wenn er in der Qualifikation bei den Weltmeisterschaften verletzt war oder seine Leistung nicht auf den Punkt abrufen konnte, keine Chance mehr hatte, an Olympischen Spielen teilzunehmen. Also wurde die F.I.G. tätig, Formate in diesem Sinne zu kreieren. So wurden eine Challenge-Cup-Serie und eine Weltcupserie initiiert. Wir haben für beide Serien unseren Handschuh in die Mitte geworfen. Laut Ausschreibung sollten sich nur weltberühmte Städte bewerben. (lacht) Also haben wir auch bei der Erarbeitung der Bewerbungsunterlagen viel Herzblut gelassen, waren am Ende trotzdem sehr erstaunt, als wir den Zuschlag für die große Serie bekamen. Es sollte uns und auch unsere Stadt, unser Land stolz machen zu wissen, dass hier gute Arbeit geleistet wird und dass vielleicht nicht nur der (Turn-)Standort Cottbus einen weltweit derart positiven Ruf hat.

Was bedeutet das für den Turnstandort Cottbus?
Nicht nur für den Turnstandort! Das bedeutet planerische und terminliche Sicherheit. Wir können bis November 2019 langfristig arbeiten. Das war bisher nicht gegeben. Wir können garantieren, dass mindestens ab 2017 hier die Weltspitze an den Start gehen wird. Das bedeutet für unsere Stadt Umsätze in Dienstleistungen vorrangig extern organisierter Mittel. Zum Beispiel hatten wir im Schnitt der letzten Jahre für das Turnier je rund 2000 Übernachtungen zu organisieren. Hier wird also von außen viel Geld in unsere Region gebracht.

Warum ist dieses Turnier so wichtig für Cottbus?
Dieses Turnier trägt dazu bei, dass der Turnstandort Cottbus mit seiner Infrastruktur nicht nur erhalten bleibt, sondern weiter entwickelt und mit Leben gefüllt wird. Die jungen Turner in den Vereinen der Lausitz sehen ihre Idole leibhaftig. Es kommen Olympiasieger, Welt- und kontinentale Meister, eben große Stars des Turnsports. Diese machen das Turnier aus, diese geben dem Turnier ja auch seinen Namen.

Wie nah sind denn die Cottbuser Turner an der Weltspitze?
Historisch gesehen, kann man sagen: Wir waren seit Anfang der 80er Jahre immer ein Teil der Weltspitze. Nach dem Rücktritt von Philipp Boy ist es uns gelungen, mit Christopher Jursch einen Athleten zu entwickeln, der durchaus den Anschluss an die Weltspitze hält. Er ist nur knapp an der nationalen Olympiaqualifikation gescheitert. Wir werden aber noch einmal einen Angriff mit Blick auf Tokio 2020 starten.  Wir haben aber auch mit unserem hoffnungsvollen Nachwuchs schon Olympia 2024 im Blick, die Jungs sind übrigens derzeit Tabellenführer in der Nachwuchs-Bundesliga.

Nach Olympia ist das jetzt das erste große Turnier. Haben die Turner jetzt überhaupt noch Power? Sind Olympiasieger mit am Start?
Wir rechnen damit, dass es in diesem Jahr eher ein kleineres, feines Turnier wird. Viele, die bei Olympia gestartet sind, werden wohl erst einmal ihre Wunden lecken. Wir werden also viele neue Gesichter sehen, die in Richtung 2020 aufgebaut werden sollen. Wir haben keinen Einfluss darauf, wen die nationalen Verbände nach Cottbus entsenden, freuen uns aber auf jedes bekannte und neue Gesicht.

Sie und viele Helfer machen dieses Turnier ehrenamtlich. Warum leisten sie dieses Engagement in dieser Form?
Ich fühle mich geehrt und auch ein wenig verpflichtet, diese Tradition fortzuführen. Wir sind ein tolles Team, in dem alle ziemlich professionell mitziehen und sich reinkloppen. Diese Begeisterung zu spüren, sich wieder in diese Aufgabe zu stürzen, dabei eine Familie hinter sich zu wissen, die das mitträgt, ist immer wieder eine tolle Erfahrung.
Wenn wir, die Stadt Cottbus, unser Brandenburger Land, nachdem solch ein Turnier gelaufen ist, viel Lob und Wertschätzung erfahren, dann ist das einfach ein schönes Gefühl.

Das Interview führte: Heiko Portale

Hintergrund
17. bis 20. November, Lausitz-Arena
Der Vorverkauf für das Weltcupturnier, das 41. Turnier der Meister ist gestartet. Bei der Cottbuser Messe- und Touristik GmbH können die Eintrittskarten für das Turnier erworben werden.

Eintrittskarten gibt es ermäßigt bereits ab 6 Euro für die Qualifikation am Donnerstag und Freitag oder ab 12 Euro für die Finals am Samstag und Sonntag. Ab 22 Euro erwirbt man eine für alle vier Wettkampftage gültige Dauerkarte.

Mehr Info und Tickets: www.turnier-der-meister.de

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