„Ein Teil von Sandow zu sein, ist offenbar für viele Leute etwas sehr Verführerisches“

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Kai-Uwe Kohlschmidt über das Comeback der Band Sandow und das Album „Entfernte Welten“, das auch dank einer Crowdfunding-Aktion ermöglicht wurde.

Welches Gefühl hattest Du auf der Bühne in Leipzig, als Ihr dort Eure Tour zum Album „Entfernte Welten“ begonnen habt?
Ich spürte eine große Freude, denn wir waren doch sehr angespannt, als wir zuvor eine Woche geprobt hatten, um das Material bühnenfähig zu präsentieren. Irgendwann hatten wir uns in der Phase selbst gesagt: Früher haben wir uns immer gefreut, wenn wir irgendwo spielten, also lassen wir das doch mal mit dieser albernen Aufregung. Und so war es dann auch. So pathetisch es klingt, aber tatsächlich ist so ein erstes Konzert immer wie eine Geburt, weil live eben doch was anderes ist, als im Studio Stück für Stück zusammenzufügen.

Also hat sich die Mühe für Euch gelohnt, nicht nur aus künstlerischer Sicht, sondern auch in Bezug auf den enormen generellen Aufwand durch das Crowdfundingprojekt?
Crowdfunding war für uns total neu, hatte aber fantastische Doppeleffekte. Wir mussten uns ja bemühen, die Crowd überhaupt erstmal zu wecken, damit jemand einzahlt. Wir haben auch ganz viele Leute geweckt, die die Band nahezu schon vergessen hatten und nun fanden, dass sie uns doch unterstützen müssten. So kamen wir in eine Kommunikation mit unseren schlafenden Fans, um die wir uns Jahre lang gar nicht so gekümmert hatten. Und das eingenommene Geld – mehr als doppelt so viel wie erwartet – hat uns ein Budget verschafft, das uns die Chance gab, in einem guten Studio mit ausreichend Zeit an diesem Album zu arbeiten.

Wie lief der Austausch mit den Fans ab?
Man hat ja ein dreimonatiges Fenster, um sein Finanzierungsziel zu erreichen. Das galt es aktiv zu nutzen, also ständig was Sinnvolles zu posten, einen Blog zu führen oder alte Videos einzustellen, damit die Fans Anteil nehmen können an dem, was man tut. Das war eine intensive Aufgabe für Andreas Kliesch, unseren Social-Media-Manager. Der hat viel über Twitter, Instagram und so weiter gestreut, so eine Vernetzung gab es ja bei uns vorher noch nicht. Das reichte bis ins VK, das russische Facebook, wo wir auch Fans haben.

Hattet Ihr den Eindruck, dass die Fans von Sandow einfach noch etwas erwartet haben?
Da gibt es zwei Seiten: Einmal die Leute, die sagen, das war meine Musik in meiner heißen Zeit, als ich 20 war, und das bleibt nun mal fürs Leben. Dazu gibt es aber auch Leute, die an Sandow schätzen, dass die Band schon immer ein eigenes Œuvre hervorgebracht hat und gern ein Teil davon sein wollen, indem sie sie unterstützen, wenn sie sich aufmacht, ein neues Werk zu schaffen. Dieses Ein-Teil-davon-Sein ist offenbar für viele Leute etwas sehr Verführerisches.

Das Album thematisiert so etwas wie die Reise eines Flüchtenden aus der kranken westlichen Zivilisation, hast Du sinngemäß geäußert. Was macht Dich krank hier?
Ich betrachte nicht tagespolitische Vorgänge, sondern sehe das eher aus ethnologischer Sicht: die Verfasstheit, in der wir uns befinden. Nach meiner Ansicht unterscheidet sie sich nicht wesentlich von der von vor zehn Jahren. Die Zivilisation hat halt immer ihren Preis, du musst halt immer unten das Hamsterrad mitdrehen. Der Albumtitel „Entfernte Welten“ bezieht sich nicht nur auf ferne Länder oder besondere Habitate, sondern auch auf das Entfernte im Sinne von Nicht-mehr-da-Sein: Ideen, Gedanken, Visionen. Wir leben in einer visionslosen Zeit.

War es ein quälender Prozess, diese Gefühle in Musik umzusetzen, oder brachen sie relativ schnell heraus?
Die Musik ist ja peu á peu in den letzten acht Jahren entstanden. Es gab kein vorgefasstes inhaltliches Konzept, die Musik wächst, und dann höre ich als Texter in mich rein, was sie denn will, was an Wichtigkeit und Erkenntnis rein muss, um ein Nachdenken über das Ganze zu ermöglichen. Ich glaube, „Entfernte Welten“ könnte ein klassisches Sandow-Album werden so wie „Fatalia!“. Keine Aneinanderreihung von Songs, sondern ein größerer Bogen.

Sandow haben sich oft wenig um Publikumserwartungen geschert. Trotzdem: Wie wichtig sind Euch die Reaktionen auf das Album?
Wir sind selbstverständlich wie jeder Künstler begierig drauf zu erfahren, ob es den anderen auch so geht wir uns. Und wir sind recht glücklich mit dem Album. Als Künstler sind wir immer in der Welt, mit der Welt, obwohl wir zum Glück in der Situation sind, nicht davon leben zu müssen. Wir müssen uns nicht irgendwelchen  Märkten anpassen. Insofern sind wir frei, aber natürlich bemüht, unser Werk in einem entsprechende Rahmen aufführbar zu machen.

Unabhängig vom Sandow-Album gab es für Dich jüngst noch eine zweite gute Nachricht. Du hast als „universeller Musiker, Komponist, Autor und Regisseur für Dein erfolgreiches und maßstabsetzendes Wirken im Theater und in den Medien Radio, Kino“ den Preis der Loscon-Kulturstiftung bekommen. Was bedeutet Dir das?
Der Preis hat mich sehr gefreut, denn er hilft natürlich auch bei der regionalen Vernetzung. Und er bestätigt meine Arbeit. Ich liebe einfach die Abwechslung, meine Projekte reichen eben bis zum Kinderhörspiel für die Stadt Suhl. Es erfrischt mich immer, etwas zu tun, was ich noch nie gemacht habe.

Interview: Thomas Lietz
Titelfoto: © Marek Kucera

Termin
17. November, 21 Uhr, Gladhouse, SANDOW – Entfernte Welten Tour. Support: Der Schwarze Hund.

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