Ein Toter packt aus – Hardy Brachmann

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Hardy Brachmann spielt die männliche Hauptrolle im Musical „Sunset Boulevard”

Die Cottbuser erwartet ein neues Musicalvergnügen. Am 14. Oktober hat im Großen Haus des Staatstheaters „Sunset Boulevard” von Andrew Lloyd Webber nach dem Film „Boulevard der Dämmerung” von Billy Wilder Premiere. Regie führt Klaus Seiffert, der schon „Sugar” in Cottbus zum Riesenerfolg verhalf. Hardy Brachmann spielt die männliche Hauptrolle, den Hollywood-Drehbuchautor Joe Gillis.

Der sympathische Tenor hat ja schon viel gespielt, aber eine solche Rolle noch nicht. „Gillis treibt nämlich zu Beginn des Stückes”, erzählt Hardy Brachmann, „als Leiche im Swimmingpool eines Luxusanwesens. Weil in einem Musical alles möglich ist, muss er rückblickend über sein Leben und Sterben berichten.” Ein schier irrer Einfall. Er verführt uns im Interview dazu, Schlagzeilen für die Boulevardpresse zu erfinden. „Tod im Swimmingpool”, schlägt Brachmann vor, ich: „Der nasse Tod eines Künstlers”, er: „Mord an Drehbuchschreiber”, ich, die Sensation fixierend: „Ein Toter packt aus”.

„Der nunmehr tote Joe hat sich bei Norma Desmond einquartiert, einer einst angesehenen Stummfilmdiva, die durch ihre Erfolge reich zu sein scheint. Denn er selbst ist, seitdem Aufträge rar geworden sind, bettelarm. Norma kann sich sogar einen Butler leisten. Sie erhofft sich von Joe Drehbücher, Drehbücher, Drehbücher. Butler Max, der ihr Entdecker, Regisseur und Ex-Ehemann war, schreibt seiner Herrin Stapel von Fanbriefen, die sie bei Laune halten sollen. Denn in Wahrheit ist die Zeit über Norma hinweggegangen. Der Tonfilm hat den Stummfilm abgelöst. Davon will Norma aber nichts wissen: ,Ich bin groß, die Filme sind klein geworden‘, sagt sie und ringt mit allen Mitteln um Rollen. Joe hat sie gefügig und zu ihrem Geliebten gemacht. Es gibt viele kleine und größere Konflikte, Intrigen, Kämpfe, in denen sie sich Joes bedient. Bis der die Nase voll hat und ihr klaren Wein eingießt: Sie sei vergessen; keiner werde jemals wieder einen Film mit ihr drehen. Dann stellt er ihr auch noch seine neue Freundin vor. Die Katastrophe naht.”

Die Handlung hat noch viele skurrile Situationen, subtile Dialoge, eine emotionale Musiksprache mit Anklängen an Filmmusiken der 1940er Jahre. Hardy Brachmann: „Bei allem haben die Autoren das Starunwesen Hollywoodscher Prägung im Visier, das Karrieremachen um jeden Preis, die Jagd nach Ruhm und Geld, oberflächliche Effekthascherei.” Und das mit (tragi)komischen Mitteln. Mit Rollen, in denen das beliebte und bewährte Duo Hardy Brachmann und Heiko Walter zusammen- und nebeneinander agieren können. Wie eben in „Sugar”. Was für Möglichkeiten für komische Situationen: Ex-Ehemann und Neu-Geliebter, heimlicher Fanbriefschreiber und erfolgloser Drehbuchautor! „Wenn Heiko und ich zusammensind, geht das Spielen los. Da sprudeln die Ideen nur so aus uns heraus. Über manches brauchen wir nicht zu reden, weil wir die gleiche Wellenlänge haben.” Überhaupt sei die Inszenierung hervorragend besetzt. Isabel Dörfler spielt a.G. die Norma. In weiteren Rollen können sich die Besucher u.a. auf Debra Stanley, Liudmila Lokaichuk, Carola Fischer, Gesine Forberger, Ulrich Schneider, Christian Henneberg, Dirk Kleinke, Ingo Witzke, Matthias Bleidorn und Jens Klaus Wilde freuen.

Hardy Brachmann, gebürtiger Cottbuser, ist der Lausitz treu geblieben. Immerhin beginnt für ihn die 23. Spielzeit am Staatstheater. Seine liebsten Partien waren Jekyll/Hyde („Das war ein Heidenspaß und dabei so unermesslich schwer.”), der Mime in „Siegfried” (233 Seiten auswendig lernen, und das in 12-Ton-Technik, halleluja!”) und der Pedrillo in „Die Entführung aus dem Serail”. Außerdem liebt er Kinder als Publikum: „Diese offenen Staune-Augen. Diese Ehrlichkeit!” Das Traumfresserchen bleibt unvergessen. Der Tote vielleicht auch, der über große und kleine Starallüren auspackt?

Klaus Wilke
Titelfoto: Hollywood-Drehbuchautor Joe Gillis alias Hardy Brachmann vor einem Film-Traumpalast, Foto: Marlies Kross

 

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