Empören Sie mal bitte!

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Sie müssen jetzt ganz stark sein. Ich weiß, irgendetwas zu meckern gibt es immer, sei es das Wetter, steigende Preise beim Gemüse oder der Fettgehalt in der Milch. Das Problem dabei ist nur: Wir haben gar keinen Grund zum Jammern. Es geht den Deutschen so gut wie nie. Wer das sagt? Sie selbst! Vor allem Ostdeutsche sind deutlich zufriedener als noch vor wenigen Jahren. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, für das seit 1984 jährlich rund 30.000 Menschen befragt werden. Und zwar soweit möglich immer die gleichen 30.000, da es sich um eine sogenannte Panelstudie handelt.
Eines ist aus meiner Sicht sehr bemerkenswert: Im Laufe der Jahre gab es bei der Zufriedenheit der Deutschen immer wieder teils enorme Einbrüche. Tschernobyl und Fukushima, Deutschlands schwierige Stellung als „kranker Mann Europas“ oder der Beginn der Finanzkrise, immer wieder sank die Zufriedenheit. Die Flüchtlingssituation hingegen hatte keine nennenswerten Auswirkungen. Und dabei reicht ein Blick in die viel zitierten sozialen Medien oder ein Ohr am Stammtisch, um zu wissen: Himmel, Arsch und Zwirn, uns muss es aber schlecht gehen. Richtig? Pustekuchen! Das sagen übrigens auch andere Studien: In einer Allensbach-Befragung zum Beispiel schätzten 75 Prozent der Befragten ihre Lebensqualität als gut oder sehr gut ein. Und trotzdem sind es in Cottbus bei weitem nicht nur die Rohrspatzen, die unentwegt schimpfen.
Genau genommen hat doch jeder von uns drei Möglichkeiten, der berühmten Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation entgegenzutreten. Die Erste basiert auf vollkommener Ignoranz. Um mich herum brennt die Welt, also verbringe ich meine Tage ab heute im Pool. Anhänger dieser Variante hocken verstärkt vor Facebook und beschweren sich dort mehrmals täglich, dass niemand etwas macht. Passiver Onlineaktivismus sozusagen. Die zweite Möglichkeit setzt Engagement und Einsatzbereitschaft voraus. Man stelle sich nur mal vor, Masseneintritte in Parteien und NGOs, hunderttausende Menschen auf der Straße für eine bessere Zukunft oder „Rettet die Wale“. Ein regelrechter Wille zum konstruktiven Miteinander, Faktenglauben, zu Empathie und Rationalität Hand in Hand. Oder, und damit sind wir bei Möglichkeit Nummer Drei, wir sehen Fakten als das an, was sie eigentlich schon immer waren: Das spielverderbende Element des Strebers. Und wer will schon mit Strebern an einem Tisch sitzen? Diese Menschen vertrauen niemandem mehr. Außer natürlich jenen Verlagen, in denen sonst nur Bücher über Weltraum-Nazis publiziert werden. Aber ach, irgendwas zu meckern gibt es doch schließlich immer.

Sebastian Schiller

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