Filmfestival-Reporter Henning Rabe berichtet vom 28. FFC

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9. 11. 18

Es ist etwas trübe in der Stadt, der Morgennebel hat sich noch nicht verzogen. Festivalwetter, wie man es von Cottbus gewöhnt ist. In den Filmtag steige ich ein mit der Sektion „Close up UA.“
In der Sperrzone um Tschernobyl befindet sich der Eingang zu einer geheimen Metro, die bis nach Moskau fährt. Gorbatschow hatte sich mit den Außerirdischen zusammengetan und die Linie gebaut. (Ja ja, es geht etwas surreal zu in „Das Portal“ von Wolodimir Tychy aus der Ukraine.)
Die alte Prisya (großartige Darstellerin) ist die einzige, die den Eingang zu dieser Metro sehen kann. Ihre Tochter hält nichts von diesem Hokuspokus, aber der geistig leicht beeinträchtigte Enkel hat wiederum auch seherische Fähigkeiten …
Das Problem an dem kammerspielartigen Geschehen zwischen den dreien – isoliert in der Sperrzone – ist, dass sich keine greifende Handlung, keine Spannungsbögen abzeichnen wollen. Das Tempo bleibt bedächtig, und so zeigt der Film doch einige Längen.
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Rasant wird es in „Ayka“ von Sergej Dworzewoj. Nur kurz nach der Entbindung ihres Sohnes flieht Ayka aus dem Krankenhaus. Sie muss arbeiten, braucht Geld zum Überleben und für die furchteinflößenden Gläubiger. Ständige Blutungen behindern ihren Kampf, in der Massenunterkunft hat sie nur ein Spanntuch, um sich etwas Privatsphäre zu verschaffen …
Der beständige Schnee, der in Moskauer eisigen Winden tanzt, ist die Grundierung des atemlosen Alptraums, den Ayka durchlebt. Mit nervöser Handkamera, ganz nah am Dokumentarischen hat Dworzewoj „das Leben in einer Megalopolis“ (Zitat) als unbarmherzige Tour de Force inszeniert. Ein unglaublich starker Beitrag, der den irrsinnigen Realismus des Alltagslebens zentralasiatischer illegaler Einwanderer in der russischen Metropole ablichtet. Lubina bitte!

Bei der „Langen Nacht der kurzen Filme“ stapeln sich die Leute im Weltspiegel wieder bis unters Dach. Herausheben möchte ich nur den russischen Beitrag, der auch mit den stärksten Applaus erhielt:
„Die Bestechung“ von Alexej Charitonow. Ein Mann wird wegen Bestechung belangt. Er wird bei einem Polizeibeamten vorstellig, um sich von dem Vorwurf freizukaufen. Das klappt, doch plötzlich stürmt eine Abteilung der Antikorruptionsbehörde das Zimmer. Irgendwie gelingt es dem Beamten aber, die Bestechungsjäger zu überzeugen, dass er gar nicht schuldig ist. Die Spirale dreht sich immer weiter … Herrlich!
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Vergnüglich ist es auch beim Abschluss des Wettbewerbes. In „Müll auf dem Mars“ lässt der tschechische Regisseur Benjamin Tuček ein gänzlich ungeeignetes Raumfahrer-Team den Versuch unternehmen, den Mars zu kolonisieren. Immerhin hat der Roboter, der übrigens so überzeugend aussieht wie Herr Müller von nebenan, den Durchblick, um die Mission vielleicht erfüllen zu können.
Das Schöne an dem Film ist, dass jeder im Saal an einer anderen Stelle lacht; manches ist urkomisch, anderes läuft ins Leere, lässt aber wieder jemand anderen aufwiehern in der Tiefe des großen Saales in der Stadthalle. Eine eigenwillige, intelligente Science-Fiction-Parodie, die einfach nur Spaß macht!

Henning Rabe

#hermann_FFC28

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