#33.FFC – Ein Erleuchteter, ein Gemeuchelter und ein Verkohlter

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Vom FilmFestival Cottbus #FFC33 berichtet unser Reporter HENNING RABE

Tag 4

Mittlerweile ist der November nun doch klassisch geworden in der Filmstadt.

Während der Himmel sich tüchtig eindunkelt, gibt es im Weltspiegel ein knallbuntes Feuerwerk:

The Invisible Fight

Rafael ist Automechaniker im sowjetischen Estland der Siebziger Jahre. Außerdem ein großer Fan von Hard Rock à la Black Sabbath und Kungfu. Sogar ein Poster von Bruce Lee hängt in seinem Zimmer. Der Zufall (oder die Heilige Jungfrau Maria) führt ihn in ein orthodoxes Kloster, wo er sich zum Mönch ausbilden lassen will.

Man sieht diesen tollen Schriftzug an den Eingangstüren des Kinos meist gar nicht mehr. Foto: Henning Rabe

 

Der Film von Rainer Sarnet aus dem Norden Estlands ist ein mitreißende Verneigung vor Musik der härteren Gangart und dem Kung Fu-Film der Siebziger. (Da stimmen sogar die typischen Sprung-Zooms und die Text-Einblendungen über den Freeze Frames, die die Kapitel einleiten.) Gleichzeitig wird auf originelle Weise die ganzheitliche Ausbildung zum Shaolin-Mönch auf Nordost-Europa übertragen. Ein „Rowdy“ wie Rafael (wundervoll von Ursel Tilk dargestellt) hat da mitunter seine Probleme, dafür kann er aber stilecht im Kampfe fliegen und hören, was andere Menschen denken …

In allererster Linie aber ist dieser Wettbewerbs-Streifen eine richtig runde Komödie, mit einem feinen Gespür für das Ulkige und Saukomische, manchmal gibt es auch nur Klamauk, das sei diesem Feuerwerk an Ideen (wie auch die eine oder andere Länge) verziehen. Der bunteste Farbtupfer des Festivals.

Regisseurin Nina Ognjanović Foto: Henning Rabe

Ebenfalls im Wettbewerb läuft anschließend

Where the road leads

Ein Dorf in Serbien, idyllisch und ein wenig heruntergekommen, beschaulich, aber auch öde. Allein die Ankunft des Fremden reicht aus, die Bewohner in Aufregung zu versetzen. Ist er einer von denen, die herkommen, um zum Nutzen von Investoren irgendetwas zu bauen oder zu verändern, zum Schaden der kleinen Gemeinschaft? Schnell sind sich die Dörfler einig, dass der Fremde sterben muss …

Interessant ist der Film von Nina Ognjanović zuvorderst wegen seiner Zeitstruktur: Wir sehen erst zwei Kapitel, die an dem Morgen spielen, da er bereits getötet wurde. Anschließend erst wird das Geschehen am Tage zuvor, als der Fremde kam, erzählt. Der Bruch in der Chronologie fordert den Zuschauer auf, sich die Handlung selbsttätig zusammenzusetzen und hebt den Streifen damit auf Wettbewerbs-Niveau.

Anschließend erzählt die Regisseurin, dass es in Serbien Tradition ist, dass gestandene und bekannte Schauspieler bei Studenten- bzw. Abschluss-Filmen umsonst mitwirken. So sind in dem 81-Minüter zahlreiche hochkarätige Darsteller vertreten. Produzent David Jovanović wiederum erzählt, dass die Bewohner des 25-Seelen-Ortes von der Idee, die Boten einer schädlichen Entwicklung um die Ecke zu bringen, äußerst begeistert waren.

Produzent David Jovanović. Foto: Henning Rabe

Zum Abschluss verschlägt es uns in der Rubrik Hits ins Moldawien des Jahres 1992, in den Film

Carbon

Die Zentralregierung in Kischinjow kämpft gegen die Separatisten, die die kleine Region Transnistrien vom Rest des Landes abspalten wollen. Dima und Vasea finden den verkohlten Torso eines Leichnams. Auf welcher Seite auch immer er gekämpft hat, er soll ein anständiges Begräbnis bekommen. Doch niemand nimmt den beiden den Leichnam ab, sie werden von Pontius zu Pilatus geschickt und geraten immer mal wieder in höchste Gefahr …

Regisseur Ion Borș hatte den Stoff eigentlich als Drama konzipieren wollen, was man dem ersten Drittel des Films auch anmerkt. Doch die Bewohner des Städtchens, in dem schließlich auch gedreht wurde, erzählten mit so viel Humor über die Zeit, dass immer mehr Komik einfloss. Natürlich eine Steilvorlage für Satire, wenn Kleinstadtchefs den alten Herrschaftsstil immer noch nicht ablegen konnten, während sie auch in neuen Zeiten weiter beflissen nach oben ärscheln. Und das allgegenwärtige „Abzweigen“ von knappen Waren taucht hier auch immer wieder als erheiternde Randnotiz auf. Wie auch die Korruption.

Zum Beispiel sagt der Pope einmal zum Bürgermeister: „Wir können den Toten begraben, aber nur wenn die Kirchmauer neu gestrichen wird.“ Der antwortet: „Aber wo sollen wir denn die ganze Farbe hernehmen?“ Der Pope: „Na, von dir zuhause.“ Rabenschwarz wird diese Tragikomödie, als die Separatisten die verkohlten Überreste für die ihres Kommandeurs halten …

Ein sympathisches Duo: Die „Carbon“-Macher Ion Borș (links) und Produzent Sergiu Cumatrenco. Foto: Henning Rabe

Carbon“ hat an den einheimischen Kassen die gesamte US-Konkurrenz weit hinter sich gelassen. Wundert mich gar nicht bei dem cleveren Drehbuch und der leichtfüßigen Art und Weise, wie über die absurden Zustände jener Phase erzählt wurde.

Ich erzähle ja prinzipiell keine Enden, irgendwann landen die Filme ja auch im Internet, aber einen ganz kleinen Bestandteil des Finales muss ich doch gucken lassen: Neuer Bürgermeister des Städtchens wird nicht der Schleimer vor dem Herren, sondern der, der Waffen an beide Seiten des Konflikts liefert…

Henning Rabe

Programm und mehr:

www.filmfestivalcottbus.de

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